„Mit Karin und mir lief alles gut – bis ich eines Tages Erektionsprobleme bekam.“ Mit diesen Worten beginnt der TV-Spot für die Online-Plattform „wiederlieben.at“, der in den vergangenen Wochen auf österreichischen Kanälen zu sehen war. Hinter der Website, die über Erektionsstörungen informiert, steht die „Eli Lilly Gesellschaft m.b.H.“, die heimische Niederlassung eines Global Players der Pharmaindustrie. Werbung für Mittel und Wege bei Erektionsproblemen kennt man bzw. frau eingentlich eher aus den täglichen Spam-Mails zum Thema Potenz. „Bestellen Sie jetzt und vergessen Sie Ihre Enttäuschungen, anhaltende Versagensängste und wiederholte peinliche Situationen“ oder aber „Gar nicht mehr zu frueh kommen und die Frau gut und hart voegeln!“ steht da mitunter geschrieben.
Anders auf „wiederlieben.at“. Dort versucht die Pharmaindustrie, die „Standhaftigkeit des Penis“ nicht als ultimative Quelle „männlicher Versagensangst“, als Flaggschiff des Selbstwertgefühls zu präsentieren, sondern Erektionsstörungen als häufiges und behandelbares „Problem“ zu erklären. „Ist ein Mann müde, überlastet oder hat zu viel getrunken, ist es ganz normal, dass keine ausreichende Erektion erfolgt“, werden die Leser_innen aufgeklärt.
Der Mann im TV-Spot spricht schließlich mit Karin, erkundigt sich im Internet und entschließt sich für einen Arztbesuch. Und da wird es interessant. Zu Beginn des Spots, als noch alles gut läuft, sind Karin und ihr Liebster in einer klassischen hetereosexuellen Paar-Pose zu sehen: Karin im Bett, er beugt sich über sie. Doch dann kommen die Erektionsstörungen ins Spiel. Und so darf sogleich Karin am Steuer sitzen: Während sonst in gefühlten 90 Prozent der Werbespots ein Mann den Wagen lenkt (wie z.B. hier), wird der Mann mit den Erektionsstörungen von seiner Frau abgeholt und auf dem Beifahrersitz liebevoll getätschelt. Aber nicht nur im Auto, auch im Schlafzimmer darf er jetzt die klassisch weibliche Pose einnehmen: Er liegt „unten“, sie beugt sich über ihn und darf den aktiven Part übernehmen. So einfühlsam und „emannzipiert“ der Spot auf den ersten Blick wirkt – so viele Stereotpye eines klassischen Männerbildes spiegeln sich hier wieder.
Und auch auf der Website werden gängige Rollenklischees bedient. „Oft ist die Frau die treibende Kraft, ein Gespräch in die Wege zu leiten. Seien Sie – liebe Frau – behutsam“, sagt „wiederlieben.at“. Überhaupt scheinen nur heterosexuelle Männer (in einer Paarbeziehung) Erektionsstörungen zu kennen – es ist nur von der „betroffenen Frau“ die Rede. Und die „gibt sich gerne die Schuld, den Mann nicht mehr ausreichend erregen zu können.“ Und wo wir schon beim Thema Normalisierung wären: Die Website bietet auch einen Selbsttest an, um die eigene Potenz richtig einschätzen zu können. Und hier erfährt man/frau, wozu eine Erektion benötigt wird: „Wenn Sie bei sexueller Stimulation eine Erektion hatten, wie häufig war diese ausreichend für eine Penetration (Einführen des männlichen Gliedes in die weibliche Scheide)?“ – Hier sprechen die Queer Studies von „Heteronormativität“: Heterosexualität erscheint als „natürlich“, als Norm, Sexualität passiert auf „wiederlieben.at“ ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau, wobei die Frau „pentriert wird“ – so werden nicht-heterosexuelle Formen des Begehrens ausgrenzt.
Karin und dem Mann mit den Erektionsstörungen geht es aber schon wieder „viel besser“. Dank wiederlieben.at. (www.wiederlieben.at)
Brigitte,
„Überhaupt scheinen nur heterosexuelle Männer (in einer Paarbeziehung) Erektionsstörungen zu kennen – es ist nur von der “betroffenen Frau” die Rede.“
Ich denke, da spielen zwei Dinge eine Rolle. Zum einen, daß heterosexuelle Männer – ebenso wie hetorosexuelle Frauen, aber wohl noch mehr – nicht wirklich über (ihre) Sexualität reden (können). Das unterscheidet sie fundamental von homosexuellen Männern und Frauen, bei denen die umfangreiche Auseinandersetzung mit ihrer Sexualität wohl eine fast zwangsläufige biographische Komponente sein dürfte. Gleichzeitig ist die Erektionsfähigkeit schon ein bedeutendes Element des Mannseins, was für Frauen vielleicht schwer nachzuvollziehen ist – vielleicht geht der Gedanke an eine Brustamputation in eine ähnliche Richtung, wenngleich das auch sicher nicht wirklich vergleichbar ist.
„so werden nicht-heterosexuelle Formen des Begehrens ausgrenzt.“
Aus meiner Sicht … „jein“. Wenn es nur einen Spot gibt, dann richtet der sich logischerweise an die Mehrheit. Und da fehlende Erektionsfähigkeit von nicht wenigen heterosexuellen Männern auch mit unterbewußten Ängsten vor Homosexualität in Verbindung gebracht werden dürfte, kann ich eine solche Konzentration hier durchaus verstehen, zumal ich davon ausgehe, daß homosexuelle Männer ihre eigene Sexualität und damit auch ihren Körper, deutlich besser kennen, als das bei den meisten heterosexuellen Männern der Fall ist. Wenn sich das mal geändert haben sollte, mache ich aus dem „jein“ ein „ja“, bis dahin ist solche Kommunikation aus meiner Sicht komplizierter.