Das Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur wirbt seit einigen Wochen für eine Bildungsreform – für den dazugehörigen TV-Spot durfte Christina Stürmer die österreichische Bundeshymne neu vertonen. Und hier wird nicht nur von den großen Söhnen („Heimat bist du großer Söhne„), sondern auch von großen Töchtern gesungen – die Aufregung war somit vorprogrammiert. Eine dementsprechende Änderung des Textes hatte 2005 schon Maria Rauch-Kallat gefordert und war am Koalitionspartner BZÖ (und dem Gegenwind aus der Bevölkerung) gescheitert. 2010 forderte nun der Sessler-Verlag, der die Erben der Dichterin Paula von Preradovic vertritt, eine Unterlassungserklärung von Stürmer und Bildungsministerin Schmied. Der Zusatz der „großen Töchter“ sei ein „Eingriff in das Persönlichkeitsurheberrecht“, begründete der Verlag.
Die folgende Medien-Resonanz wollte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek nutzen und startete ebenfalls den Versuch, eine Textänderung zu erreichen. Diesmal kam das „Nein“ von der ÖVP. „Momentan haben wir andere Probleme zu bewältigen“ und „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ ließen mehrere Personen aus ÖVP, BZÖ und FPÖ ausrichten. Schließlich gelte es, die Wirtschaftskrise zu bewältigen und die Konjunktur anzukurbeln.
Nicht nur die Debatte um die Bundeshymne, auch die Argumente, wenn es um frauenpolitische Anliegen geht, kehren also immer wieder. Beim Verfolgen der verschiedenen Diskussionen und Medienbeiträge fallen drei spezifische Strategien auf, die dabei zur Anwendung kommen:
Das Lächerlich Machen
„Die Gender Mainstreaming Menschen sind erst zufrieden, wenn es BundeshymnIn heißt“ ist in diversen Foren österreichischer Medien zu lesen. Das Binnen-I wird gerne bei verschiedenen Gelegenheiten verwendet, um frauenpolitische Forderungen ins Lächerliche zu ziehen. Gerne auch bei der „QuotInnen-Regelung / RegelungIn“.
„Haben wir keine anderen Sorgen?“
Andere Sorgen gibt es immer: Da wäre die Wirtschaftskrise, die zunehmende Teilzeitquote, die Gehaltsschere, die Arbeitlosigkeit, die Umweltverschmutzung, die steigende Armut, der Klimawandel. Viele Politiker_innen sind permanent mit solch zentralen Dingen beschäftigt, dass keine Zeit für ein Handzeichen bei einer Abstimmung bleibt. Gerne wird das „Haben wir keine anderen Sorgen?“ auch mit dem Lächerlich Machen kombiniert. „Schön, dass die (Gender Mainstreaming) – Frauen keine anderen Sorgen haben.“
Die Überhöhnung
Die Überhöhung von Frauen ist schließlich eine der zentralsten Strategien, wenn es gilt, gegen frauenpolitische Forderungen zu argumentieren. Der österreichische TV-Sender „Puls 4“ veranstaltete vergangene Woche einen „Talk of Town“ zum Thema Töchter in der Bundeshymne und lud prominente Gäste zur Diskussion. Egal, wie man oder frau nun zu dieser Frage steht – es ist gar nicht so einfach, sachliche und schlagkräftige Argumente gegen den Text-Zusatz zu finden. Ein Gast der Sendung griff also zur emotionalen Überhöhung: Er sprach davon, dass Frauen doch „die viel besseren Menschen“ seien und es überhaupt nicht nötig hätten, durch diesen Zusatz in der Hymne erwähnt zu werden. Sie seien doch viel aufopfernder, würden jeden Tag so viel in den Familien leisten und seien wesentlich sensibler als Männer. Schließlich würde es jede Frau sofort bemerken, wenn ihr Mann sie betrügt – umgekehrt sei das nicht der Fall, so der Event-Manager.
Bei einer solchen Gelegenheit werden gerne vorbildliche Kämpferinnen für das Gute herangezogen und auf ein Podest gestellt – gleichzeitig werden damit alle anderen Frauen abgewertet: Eine Funktion der Überhöhung. Den Frauen wird dabei das Bild der guten, aufopfernden, emotionalen Mutter gezeigt – jede Abweichung von diesem wenig realen Idealbild weist die Einzelne somit auf ihren Platz der Unvollkommenheit. Wer sich dann auch noch laut für ein Anliegen in Sachen Gleichberechtigung ausspricht, bekennt sich sogleich schuldig, offensichtlich nicht zu den guten und tollen Frauen zu gehören, die jegliche (lächerliche) Forderung symbolischer Anerkennung „nicht nötig“ haben.
Auch dass den anbetungswürdigen Frauen gerne das Gegenbild der unsensiblen und unsozialen Männern gegenüber gestellt wird, scheint dabei niemanden zu stören. Und auch hier versteckt sich eine perfide rhetorische Strategie: Haben Sie schon einmal versucht, jemanden zu kritisieren, der ein Gespräch mit dem Satz: „Ja, ich weiß, ich bin eben nicht so toll / gut / moralisch / gescheit wie du“ beginnt?
word! hab schon sehnsüchtig auf eine wortspende zu dem thema gewartet. gut auf den punkt gebracht, wie immer.
danke!
Super Analyse, v.a. der Punkt zur Überhöhung!
gracias!
[…] sind, das wollten schon viele User_innen wissen. Ich selbst habe diese (nicht ganz ernst gemeinte) Frage angsichts der Debatte um die österreichische Bundeshymne […]
[…] Der Texteingriff der Werbeagentur, die die Kampagne für das Unterrichtsministerium gestaltete (die Denkwerkstatt berichtete), ist zulässig. Wenn von Söhnen und Töchtern gesprochen wird, so sei das „eine […]
Im Großen und Ganzen sind Frauen das „bessere“ Geschlecht. Das sage ich als Mann.
Haben sie die Möglichkeiten, die Männer auch haben, sieht die Sache schon wieder anders aus, siehe Abu Graib.
Oder neulich erst in Tunesien: Was mach Madamme ex Präsidenten Gattin:
Hebt erstmal den Landesschatz in Golf von der Bank 😉
Frauen müssen sich allerdings auch mal Gedanken machen um ihre dunkle Seiten.
Ich habe auf jeden Fall noch keinen Mann gesehen, der in Pelzen rumläuft überhangen mit Blutdiamanten-
In Gold sollte das heißen 😉
[…] Kaum zu glauben, aber tatsächlich auch ein Mechanismus des Patriarchats. Wie die denkwerkstatt vor einem Jahr bereits schrieb: „Haben Sie schon einmal versucht, jemanden zu kritisieren, der ein Gespräch mit dem Satz: […]
Laut Klischee „typisch weibliche“, d.h. kooperative statt kompetitive (soziale und andere) Interaktionsstrategien für besser zu halten (indem man gleichzeitig jedoch unterstellt, dass Männer diese genauso anwenden könnten), zählt aber nicht zu dieser Art von Überhöhung, oder? Ich mache mir gerade ernsthaft Sorgen um mein eigenes Weltbild… 🙂
[…] in diesem Land aus. Zuletzt löste die Hymne im Jänner 2010 hitzige Debatten aus, als das Unterrichtsministerium mit einer veränderten Version und österreichischen Töchtern für die Bildungsreform warb. Schon […]