In den kommenden vier Wochen wird es auf der Denkwerkstatt nicht die gewohnten Blog-Einträge geben. Ich bin nämlich unterwegs. In den USA, genauer gesagt Neuengland. Da ich meine Leserinnen und Leser aber nicht so lange auf dem Trockenen sitzen lassen kann, wird es hier (unregelmäßig) virtuelle Postkarten aus Übersee geben. Im Idealfall vollgepackt mit Infos zur amerikanischen Frauenpolitik, Medienereignissen und Fotos von Sylvia Plaths Geburtshaus (Boston). Man/frau liest sich!
Gewinnspiel
Vielen Dank an alle, die sich am Gewinnspiel beteiligt haben – die nächste Verlosung kommt bestimmt! Gewonnen hat Franziska, die sogar die einzelnen Werke richtig erkannt hat und von meiner Glücksfee gezogen wurde. „The Bell Jar“ von Sylvia Plath ist bereits unterwegs zu ihr.
Hier die Auflösung:
1. Anne Fausto-Sterling („Sexing the Body“)
2. Michel Foucault („Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit“)
3. Raewyn Connell („Gender and Power“)
4. Chandra Mohanty („Under Western Eyes“)
Alle Werke und Autor_innen sind übrigens uneingeschränkt zu empfehlen!
Liberal Nipples
Die amerikanische News-Website Huffington Post, die sich als liberales/progressives Medium versteht, ist vermutlich den meisten Leser_innen bekannt. Zwischen politischen Kommentaren und ökonomischen Analysen finden sich dort auf der Startseite stehts halbnackte Frauen – diese sexistische „Linkbait“ – Strategie kritisiert Feminist Frequency im aktuellen VLog:
Neue Studien, alte Erkenntnisse
Eine Studie der Statistik Austria zum Thema Hausarbeit liefert wenig überraschende Ergebnisse: Österreichische Frauen erledigen mehr Hausarbeit als Männer und widmen sich häufiger den unangenehmeren Tätigkeiten wie Putzen und Bügeln. 8000 Männer und Frauen hatten für diese Studie ein Jahr lang ihre täglichen Tätigkeiten aufgelistet. Die beliebtesten Aufgaben bei den Männern sind Einkaufen und mit den Kindern spielen. Link , Kommentar der Denkwerkstatt zum Thema Hausarbeit
Die Biochemikerin Margarete Maurer ist eine Pionierin der feministischen Forschung in den Naturwissenschaften. Im Interview mit Ö1 / orf.science spricht sie über ihr Verständnis von Feminismus und Geschlechterstereotype in den „Hard Sciences“: Link
Erich Lehner, Psychologe und Theologe hat diestandard.at ein Interview gegeben – er spricht über sein Engagement in der Männlichkeitsforschung und die aktuelle Väter-Debatte: Link
Der Rechtsstreit um die Töchter in der österreichischen Bundeshymne ist entschieden: Der Texteingriff der Werbeagentur, die die Kampagne für das Unterrichtsministerium gestaltete (die Denkwerkstatt berichtete), ist zulässig. Wenn von Söhnen und Töchtern gesprochen wird, so sei das „eine zeitgemäße, die primären Adressaten der Kampagnen ansprechende abgewandelte Fassung.“
Wie das Thema Hausarbeit in Partnerschaften auf Fox News verhandelt wird, seht ihr hier:
Gewinnspiel!
Um das Sommerloch ein wenig angenehmer zu gestalten, gibt es hier exklusiv für alle (wissenschaftlich interessierten) Leserinnen und Leser der Denkwerkstatt Spannung, Spiel und einen Preis. Zu gewinnen es gibt es einen von drei kürzlich vorgestellten Romanen, nämlich „Bonjour Tristesse“, „The Bell Jar“ oder „Fear of Flying“. Der/die glückliche Gewinner/in darf selbst wählen. Die Aufgabe: Die passende Autorin oder den passenden Autor zum Zitat finden. Und das Ergebnis an denkwerkstattblog@gmail.com schicken. Unter allen richtigen Antworten entscheidet das Los. Schluss des Gewinnspiels: 26. August, 23.59 Uhr. Der Rechtsweg oder Bestechungen sind ausgeschlossen.
1. „Relationships among gender, brain function, and anatomy are both hard to interpret and difficult to see, so scientists go to great lengths to convince each other and the general public that gender differences in brain anatomy are both visible and meaningful. Some such claims provoke battles that can last for hundred of years. In coming to understand how and why these battles can last so long, I continue to insist that scientists do not simply read nature to find truths to apply in the social world. Instead, they use truths taken from our social relationships to structure, read, and interpret the natural.“
2. „Denn auch die Aristokratie hatte die Eigenart ihres Körpers behauptet; dies geschah in der Form des Blutes (…). Die Bourgeoisie hingegen sah, um sich einen Körper zu geben, auf ihre Deszendenz und auf die Gesundheit ihres Organismus. Das „Blut“ der Bourgeoisie war ihr Sex.“
3. „Power, authority, aggression, technology are not thematized in feminitiy at large as they are in masculinity. Equally important, no pressure is set up to negate or subordinate other forms of femininity in the way hegemonic masculinity must negate other masculinities. It is likely therefore that actual femininities in our society are more diverse than actual masculinities.“
4. „An analysis of ’sexual difference‘ in the form of a cross-culturally singular, monolithic notion of patriarchy or male dominance leads to the construction of a similarly reductive and homogeneous notion of what I call the ‚Third World Difference‘ – that stable, ahistorical something that apparently oppresses most if not all the women in these countries.“
Viel Spaß und viel Glück!
Sommergespräche: Brustvergrößerungen als Frauenpolitik
Sommergespräche führt nicht nur der ORF, auch in der Tageszeitung Standard werden alljährlich Persönlichkeiten aus der Politik mit diversen Prominenten zusammen an den Tisch gesetzt. So auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Schon zum zweiten Mal war sie nun geladen und während die Redaktion ihr im vergangenen Jahr Castingshow-Model Larissa Marold gegenüberstellte, war es diesmal Schönheitschirurg Artur Worseg. Josef Pröll, Maria Fekter oder Beatrix Karl diskutierten hingegen mit Künstler_innen, Wissenschafter_innen und Unternehmer_innen. Frauenpolitik hat also irgendwie mit Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und der Sehnsucht nach 3 Minuten Ruhm zu tun, sagt uns der Standard. Und schon die Einstiegsfrage vermittelt diese Haltung auf amüsante Weise: „Frau Minister, im Ästhetic-Center von Artur Worseg legen sich jährlich hunderte Frauen unters Messer, um schöner, fitter, jünger zu wirken. Hat damit der Feminismus nicht krass versagt?“
Ja, die Frauen, für die sich Heinisch-Hosek und die anderen Feministinnen da abstrampeln, wollen in Wirklichkeit doch nur eines, nämlich schön und schlank sein. Um das Ganze noch zu präzisieren, legt die Standard-Redakteurin nach: „Frauen lassen sich Fett absaugen, Cellulite wegtherapieren, dafür Implantate einsetzen, Make-up tätowieren“. Männer sind da nicht so blöd, die lassen nicht an sich herumdoktern. Ein Umstand, den Worseg mit intelligenter Tiefenschärfe analysiert: „Weil hierzulande noch immer der Ausspruch der Tante Jolesch gilt: „Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist Luxus.“ Die meisten Männer, die zu mir kommen, sind Zuwanderer. Das sind sehr eitle Männer, die gerne zum Friseur gehen.“
Mehr noch, der Schönheitschirurg outet sich als Hobby-Psychologe und „Frauenversteher“: „Ihr Gatte hat etwa seit Jahren eine Freundin. Oder er greift sie nicht mehr an. Da besteht dann oft die Hoffnung: Nach der Operation schaut er mich sicher wieder an.“ Heinisch-Hoseks Bemühungen, dem Gespräch so etwas wie Niveau zu verleihen, werden von Worseg mit vollem Eifer bekämpft: „Sie haben sich ja auch schon einmal massiv gegen die Verlosung einer Brust-OP in einer Diskothek eingesetzt. Damals habe ich mir gedacht: Was spielt sich denn bitte sonst noch alles in so einer typischen Land-Disco ab? Alkohol-gelage, Drogenverkauf, Schlägereien. Nahezu jede zweite Familie hat ein Kind zu beklagen, weil es im Auto mit Angesoffenen heimfahren wollte.“
Nachdem die Standard-Redakteurin nachfragt, wie schön Frauen im Beruf sein müssen und wie wichtig physische Attraktivität für Politikerinnen sei, gibt Worseg sein Highlight zum Besten: „Mir fällt aber auf, dass am Beginn der Frauenbewegung die Vertreterinnen eher Mann-Frauen waren. Vom Gehabe her, auch vom Aussehen. Heute sind die Politikerinnen richtige Frau-Frauen. Sie schauen gut aus und haben alle weiblichen Attribute.“ Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte es Heinisch-Hosek wohl niemand übel nehmen können, wenn sie das Gespräch abgebrochen hätte. Dann wären ihr die restlichen Weisheiten über Männer als schlechte Hemden-Bügler und Mädchen, die ja doch nur Friseurinnen werden wollen, erspart geblieben.
Wie schon im vergangenen Jahr (wo es hauptsächlich darum ging, dass junge Frauen doch alles mit sich machen lassen, um reich und berühmt zu werden) ist auch das Sommergespräch 2010 mit Heinisch-Hosek ein Armutszeugnis für den Standard. Wie jede andere Politikerin und jeder andere Politiker hätte es die Frauenministerin verdient, über ihre politische Arbeit und ihre Anliegen sprechen zu dürfen, anstatt von Schönheitschirurgen und Casting-Models ins Lächerliche gezogen zu werden.
In den Medien
Zur Obsorge-Debatte: In Deutschland wird ein neues Gesetz vorbereitet, unverheiratete Väter werden nun gleichgestellt, indem die automatische Bevorzugung unverheirateter Mütter fällt. Väter können nun ohne Zustimmung der Mutter eine gemeinsame Obsorge beantragen. Kommentare zur angeblichen „Willkür der Mutter“ und biologischen Definitionen von Vaterschaft gibt es auf der Mädchenmannschaft und bei Antje Schrupp.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat auch in Österreich für Schlagzeilen gesorgt. Während Justizministerin Bandion-Ortner hierzulande eine ähnliche Regelung erwirken möchte, spricht sich Frauenministerin Heinisch-Hosek nach wie vor gegen eine gemeinsame Obsorge aus.
Gute Nachrichten aus Kalifornien: Das Verbot der Ehe für homosexuelle Menschen ist aufgehoben worden, Bundesrichter Walker erklärte es für diskriminierend und damit verfassungswidrig. Eine wie immer brilliante Auseinandersetzung mit den entsetzten Reaktionen der Konservativen gibt es bei Stephen Colbert.
Die Netzneutralität ist in Gefahr: Nachdem Details über Kooperationen zwischen Google und Verizon bekannt wurden, wird nun eine von bestimmten Anbietern finanzierte bevorzugte Datenübertragung befürchtet. „Im Kern geht es aber darum, dass Google seine Daten schneller zu den Kunden bringen will und bereit ist, dafür zu bezahlen. Das allerdings bedroht die Netzneutralität, die neben der Dezentralisierung eines der beiden Basisprinzipien der Internets ist“, so Zeit Online. Eine Petition für die Netzneutralität kann bereits online unterzeichnet werden: Link , auf der Mädchenmannschaft gibt es einen Kommentar zu Netzpolitik im feministischen Kontext.
Die überflüssigste wissenschaftliche Studie der Woche ist auf ORF Science zu finden: „Männer in Rot ziehen Frauen stärker an.“
Der doofste Werbespot kommt diesmal von „Kornland“: