Wie uns der Bechdel-Test vor Augen geführt hat, sind Frauen im Mainstream- und Independent-Film schrecklich unterrepräsentiert. Spielfilme, in denen mindestens zwei Frauen vorkommen, die auch noch miteinander sprechen, sind rar gesät. Grund genug, wieder einmal eine sehenswerte Produktion zu empfehlen, die den Bechdel-Test mit Bravour besteht: Sturm, ein deutsch-dänisch-niederländischer Film aus dem Jahr 2009 von Regisseur Hans-Christian Schmidt („Crazy“, „Lichter“, „Requiem“…).
Zum Inhalt: „Hannah Maynard, Anklägerin am Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, gelingt es, die in Berlin lebende Bosnierin Mira zu überzeugen, als Zeugin im Prozess gegen einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus zusagen. Im Spannungsfeld zwischen Wahrheitssuche, den Drohungen bosnisch-serbischer Nationalisten und den Interessen internationaler Politik beginnt Hannah zu begreifen, dass ihre Gegner nicht nur auf der Anklagebank, sondern auch in den eigenen Reihen zu finden sind“, ist auf der Film-Website zu lesen.
„Sturm“ ist so hart an der Realität, dass es schmerzt. Der kühle, aber eindringliche Film über die Schrecken der Jugoslawienkriege lebt vor allem von seinen Hauptdarstellerinnen: Mit Kerry Fox und Anamaria Marinca hat Schmidt zwei Schauspielerinnen an Bord geholt, die sich gegenseitig an die Wand spielen. „Die Schauspielerin Anamaria Marinca spielt diese von Angst und mörderischen Erinnerungen heimgesuchte Frau sensationell eindringlich, mit wachen Augen und nervösen Ticks in einem frischen Gesicht unter kurzgeschorenen blonden Haaren; vor allem ihre Kunst ist es, die Schmids Film zu einem peinigenden Ereignis macht„, schreibt der Spiegel.
Ich hätte noch zwei Buchempfehlungen einer Autorin für dich, wenn du dich für den Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens/ der daraus entstandene Krieg bzw. die Belagerung von Sarajevo und die Kriegsverbrechen (u.a. Srebrenica) interessierst (und nicht auf den umstrittenen Peter Handke zurückgreifen willst): Maruša Krese ist eine 1947 geborene Slowenin (aufgewachsen in Ljublijana, ich zitiere einmal Wikipedia: [Im] Jahr 1945 wurde Ljubljana Hauptstadt der Volksrepublik Slowenien in der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien.), die u.a. als Radiokorrespondentin und Journalistin in Sarajevo weilte, während und auch nach dem Bosnienkrieg das Land mehrmals besuchte und sich u.a. auch gegen den Einsatz von Antipersonenminen stark gemacht hat.
Im Jahr 2006 wurde bei Leykam ein Buch von ihr veröffentlicht, welches man nur mehr gebraucht bzw. antiquarisch finden kann: „Alle meine Kriege. Happiness is a warm gun“ – Dieses Buch ist nicht nur ein Reisebericht in die Kriegsregion, sondern beinhaltet auch Gedichte, Notizen und Gesprächsfetzen. Ein sehr beeindruckendes Buch; im Falter aus dem gleichen Jahr heißt es: Das Buch sei „eine(r) lyrisch-rhythmische(n) Montage aus neuen Texten, Briefen, Gedichten und Reportagen der letzten Jahre“, sie ziehe „Bilanz über dieses Nomadentum, eine gleichermaßen politische wie persönliche Geschichte des Verlusts und des Versuchs, der Welt dennoch eine Sprache zu erfinden.“, obwohl sie im Interview der gleichen Ausgabe auch noch sagt: „Aber mich hat dieses Sarajevo so gefressen, dass ich lange Zeit nichts darüber schreiben konnte. Ich habe die Worte einfach verloren. Jeder Film ist so blass im Vergleich zu dem, was du da siehst. Auch jedes Buch. […]“ und weiter auf die Frage, ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt den Krieg zu beschreiben: „Ich habe gemerkt, dass es mir in Prosa wahnsinnig schwer fällt, Worte zu finden. Über Gedichte ging es noch am leichtesten. Aber erst Jahre später habe ich dann wirklich Worte gefunden. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass in dieser Hinsicht immer etwas Totes in mir bleiben wird. Es ist etwas kaputt gegangen.“ (Quelle)
Hier mal ein Beispiel-Gedicht:
Ich habe Angst davor in die Stadt zu kommen,
dass mich niemand mehr grüßt,
niemand mehr umarmt,
dass ich an euren Augen nichts ablesen kann.
Ich habe Angst vor eurer Wahrheit,
eurer Trauer, eurer Wut,
eurem Stolz.
Ich habe Angst vor eurem Leben.
Und noch ein zweites Buch, welches ich allerdings bisher nicht gelesen, dafür aber in der Hand halten durfte: Briefe von Frauen über Krieg und Nationalismus von Rada Ivekovic, Biljana Janovic und Marusa Krese (Leider auch nur mehr gebraucht kaufbar.).
Liebe Grüße
Unbekannte Leserin
Danke für die Empfehlungen, das Thema interessiert mich sehr!
Hm, ein Film, der in Sarajevo spielt und die „Nachwehen“ einzufangen versucht (er ist nicht allzu politisch, sondern dreht sich mehr ums Persönliche): Na Putu.
Ich find den Film sehr gelungen, vielleicht gefällt er Ihnen ja auch.
Grüße
Luna
Danke für den Tipp!