Eigentlich mag ich biber, das Gratismagazin für „neue Österreicher“. Immer, wenn es vor U-Bahn-Stationen verteilt wurde, war es für mich eine willkommene Alternative zu „Heute“ und „Österreich“, mittlerweile habe ich es auch abonniert. „biber“ ist unterhaltsam, zuweilen auch ernsthaft. Gut gemachtes Infotainment – diese Beschreibung trifft es wohl am ehesten. Und gerade, weil ich es eigentlich gerne lese, nervt mich das Magazin gewaltig. Der Grund: natürlich die Darstellung von Männern* und Frauen*.
Männer* sind im Magazin meist coole Rapper, abgebrühte Sportler, Politiker, Türsteher, Ladenbesitzer und Fleischesser. In der Oktober-Ausgabe 2011 wurden da etwa serbische Fußballfans porträtiert (und ihren homophoben Parolen ein großflächiges Foto gewidmet), die Geschichte zweier politischer Aktivisten aus Syrien erzählt und „Serbiens Bushido“ interviewt. Ebenfalls zu lesen gab es eine Story über den ehemaligen Box-Staatsmeister Biko Botowamungo und eine Fotoreportage vom Wiener Fußballplatz. Aber auch Frauen* kommen im Oktober-Heft vor: von Seite drei lacht die rumänische Miss Austria und bei einem Artikel über Fernbeziehungen und Cybersex darf ein Model ihre Brüste in Richtung Kamera pressen.
Klischees sind im „biber“ überhaupt sehr präsent. Was an manchen Stellen vielleicht als Selbstironie durchgehen mag, schlägt schnell in die immergleiche Reproduktion von Geschlechterstereotypen um. Da sind etwa die „Bibericas“, die folgendermaßen charakterisiert werden: „Die typische Biberica ist selbstbewusst, hat was am Kasten – und viel im Kleiderschrank. Style und Schönheit sind ihr sehr wichtig. Wöchentliche Shoppingtouren gehören neben ihrer Karriere und kulinarischen Zaubereien für die Großfamilie selbstverständlich dazu.“ Außerdem plant sie in Gedanken stets ihre Traumhochzeit, wie immer wieder zu lesen ist, sie will einen Mann, der sich gut kleidet, aber auf keinen Fall mehr Zeit im Bad verbringt als die Biberica. Und sie ärgert sich, wenn der „Schwabo-Mann“ (Österreicher) im Restaurant getrennte Rechnungen verlangt.
Männer* sind hingegen im „biber“ meist verdammt hart und verdammt lässig. Wenn über Rapper berichtet wird (und das kommt ziemlich häufig vor), bekommen diese schon mal die Frage „Ist Sido schwul?“ gestellt (Ausgabe November 2011). In der aktuellen Ausgabe erzählen Türsteher, die „Macht der Nacht“, aus ihrem Berufsalltag. Und weil die aber so richtige Männer* sind, braucht es natürlich eine ordentliche Portion Sexismus und deutlich artikulierte Homophobie. „Trotzdem bleibt der Job gefährlich: ‚Du darfst keine Schwuchtel sein‘, meint der 27-Jährige Ramzee auf die Frage, was die Voraussetzungen für diesen Beruf seien.“ Und an anderer Stelle: „Ein bekannter Moderator, der angeblich heterosexuell ist und eine Freundin hat, macht jedes Wochenende mit einem anderen Typen rum‘, erzählt Mehmet angewidert und wechselt schnell das Thema.“ Was den Türsteher nicht anwidert, ist klar: „Bist du ein geiles Weib, kommst du rein.“
Spätestens bei solchen Stories vergeht mir das Lachen gründlich. Die Redaktion sollte sich wirklich dringend mit den Geschlechterbildern im eigenen Magazin (inklusive Bildsprache) und offensichtlicher und latenter Homophobie auseinandersetzen. Oder gehört das etwa zum Konzept?
[…] denkwerkstatt-Blog hat heute eine feministische Medienkritik an der Wiener Stadtzeitung biber veröffentlicht. In ein paar Absätzen zeichnet die Autorin allzu […]
Auf die Gefahr hin, dass ich mich lächerlich mache: Aus welchem Grund werden die Worte „Männer“ und „Frauen“ konsequent mit einem Asterisk versehen? Fußnote kann ich keine erkennen…
Einen guten einführenden Text dazu gibt’s hier: http://www.oeh.ac.at/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/2011/OEHfrauen_Maerz11_WEB.pdf
Auf diesen Blog-Beitrag gibt es bereits 2 Reaktionen: Die Texte von Philipp Sonderegger und Olivera Stajic sind beide äußerst lesenswert: http://phsblog.at/biber-stellt-keine-besonderen-anspruche/ ; http://dastandard.at/1324170348963/MigrantInnen-in-den-Medien-Lacher-fuer-die-Integration
Nachdem ich diesen Beitrag aus einem Ärger über bestimmte Artikel heraus recht spontan verfasst habe, muss ich noch einige Dinge ergänzen:
Ich kann dem Argument von Philipp Sonderegger absolut etwas abgewinnen: „Offensichtlich sind wir einer (etwas spröde als ‘postmigrantisch’ bezeichneten) Gesellschaft tatsächlich ein Stück näher gekommen, in der der Migrationsfaktor nicht zur alles dominierenden Frage und Erklärung aufgebauscht werden muss“, andererseits kann ich auch die Position von dastandard-Redakteurin Olivera Stajic nachvollziehen: „Mag sein, dass Biber keinerlei migrantisch-emanzipatorische Ansprüche stellt, aber diese werden an das Magazin von außen heran getragen.“
Ich habe in meinem Beitrag den „Migrationsfaktor“ nicht besprochen, weil sich im Magazin meiner Ansicht nach die typische sexistische / homophobe Logik wiederfindet, die auch in sämtlichen Männer- und Frauenmagazinen vermarktet wird. Der smarten Frau, die Karriere und Familie unter einen Hut bringt, sich ihren Traumprinzen herbeisehnt und dabei immer auf der Suche nach den perfekten Schuhen ist, wird hier lediglich ein kultureller Mantel übergestülpt: So ist die Biberica eben.
Wenn man sich die Website dasbiber.at genauer ansieht, findet man immer wieder die Beschreibung der perfekten Zielgruppe für die Werbewirtschaft: die heterosexuelle Mittelschichts-Konsumeinheit. Und im Sinne der Marktlogik war „Diversity“ noch nie ein Problem.
Der „vielstrapazierte Integrationsbeitrag“ wird meinem Eindruck nach in diesem Magazin vorrangig von der Regierung thematisiert – ich habe kaum noch ein Medium mit derart vielen Regierungsinseraten gesehen. Vor dem Hintergrund der Feel-Good-Atmosphäre, die „biber“ erzeugt, senden Integrationsstaatssekretär und Minister_innen ihre Botschaften aus: Wer nur etwas leisten will, der/die bringt es in unserer Gesellschaft auch zu etwas. Zitat: „Bei Migrantinnen und Migranten müsse man die Motivation und die Eigenverantwortung stärken und der Mehrheitsgesellschaft zeigen, dass es auf die Leistung ankommt. Vorurteile sollen abgebaut werden, gerade dadurch, dass man auch die positiven Beispiele von Integration zeigt.“
Das finde ich sehr problematisch, siehe auch ein älterer Blog-Beitrag von mir: http://denkwerkstatt.wordpress.com/2011/07/08/weil-die-leistung-zahlt/
Ich finde es schon langweilig, biber auf der Ebene der Klischees zu kritisieren. Das weiß nun jetzt wirklich jeder, dass biber mit Klischees arbeitet, sie rechtfertigen es immer mit „ausheben“, „ad absurdum führen“ und „spielerisch damit umgehen“. Probiert doch mal auf der journalistischen, ethischen, moralischen und qualitativen Eben zu kritisieren: Da ist noch viel mehr zu holen, das kann man versprechen.
im grunde muss man – aehnlich wie bei der kuenstlichen aufregung um bushidos bambi – doch die frage stellen, was es ueber die (hier oesterreichische – dort deutsche) gesellschaft aussagt.
waere bushido als 16jaehriger queerer tuerke aktivist geworden, wo waere er heute, welchen erfolg und status haette her heute?
uebersetzt auf den biber meine ich damit: die selbst-beschreibungen (zb die zitierte biberica) sehe ich eher als marketingtechnische notwendigkeit, denn mit feministischen, oder gar liberalen ideen laesst sich nur parteiwerbung schalten, was widerum die politische unabhaengigkeit wackeln laesst. nicht, dass ich einen der angesprochenen stereotypen schwachsinnigkeiten gutheissen wuerde. aber der kompromiss ist doch offensichtlich. werber brauchen die vielen schuhe der biberica, damit sie schnallen, worum es geht. ein trauriger und undifferenzierter umgang, voellig klar.
it’s complex.
vergleich dazu: bell hooks hatte vor jahren einen fantastischen artikel ueber die maennlich stereotype struktur – die hoechst sexistische struktur – der amerikanischen buergerrechtsbewegung veroeffentlicht, das fehlen feministischen einfluss kritisiert.
meine these ist also eher: es liegt weniger an den subkulturen selbst, als an der akzeptanz von stereotypen und dummheit in der mainstream-gesellschaft drumrum.
und der biber ist ein gutes, und sinnvolles projekt, man moechte mehr von solchen projekten sehen. man moechte trotz aller fehler, und systemimmanenten probleme mehr davon.
Zu diesem Kommentar könnte man noch ergänzen, dass diese Plattform (,,leichterstudieren“) meines Wissens von Personen gegründet und betrieben wird, die in einem Nahverhältnis zur im Artikel thematisierten Zeitschrift biber stehen.
Glücklicherweise nicht