Dem Aufruf von vergangener Woche ist sogleich eine ehemalige Studienkollegin von mir gefolgt. Judith Ivancsits hat sich in ihrer Masterarbeit (Gender Studies) mit der Lebensplanung von Frauen mit Kindern im Burgenland auseinandergesetzt und stellt die berühmte Teilzeit-Frage, die Autor_innen und Politiker_innen aus allen Lagern beschäftigt.
Was ist das Thema deiner Arbeit, was sind deine zentralen Fragestellungen?
Der Titel meiner Arbeit lautet „Warten auf den Prinzen…?“ Lebenskonzepte von Frauen mit Kindern“. Ich möchte damit andeuten, dass Frauen ihr Leben von jeher darauf ausgerichtet haben, im gebärfähigen Alter eine Partnerschaft einzugehen, eine Familie zu gründen und im Anschluss daran das ihnen vorbestimmte Leben – das der Mutter zu führen. Natürlich entspricht dieses Bild nicht mehr ganz der Realität; Frauen machen ihr Leben nicht von Männern abhängig. Sie sind unabhängig und brauchen für ihre Existenzsicherung keinen Partner. Trotzdem ist in Lebensläufen von Frauen ein ganz bestimmter Trend erkennbar: eine aktive Gestaltung der eigenen Biographie erfolgt in vielen Fällen nur bis zum Zeitpunkt einer Familiengründung. So kehren viele Frauen nach einer Karenzzeit nicht mehr zu 100 Prozent in den Beruf zurück, gehen Teilzeit- oder geringfügige Arbeitsverhältnisse ein. Das heißt, auch wenn es heute fast selbstverständlich ist, dass auch Mütter einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, ist es nicht selbstverständlich, dass Mütter einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Oft stellt eine Teilzeitbeschäftigung aber keine Existenzsicherung dar, was zur Folge hat, dass Frauen trotz Berufstätigkeit von einem Partner abhängig bleiben. Meine zentrale Fragestellung lautet demzufolge: Welche Motive beziehungsweise Beweggründe veranlassen junge Frauen mit Kindern nicht mehr voll in den Beruf einzusteigen?
Du sagst, dass Frauen ihr Leben von jeher auf die Familienplanung ausgerichtet haben – werden mit dieser Annahme nicht andere Lebensentwürfe, die es zu jeder Zeit gegeben hat, ausgeblendet?
Vielleicht habe ich hier ein bisschen zu provokant formuliert… Grundsätzlich bin ich aber bei meinen Überlegungen vom bürgerlichen „Ideal“ der Kleinfamilie ausgegangen, das in den 50er Jahren propagiert wurde und auch heute noch immer wieder auftaucht. Es gibt natürlich auch ganz andere Lebenspläne, auf die ich in meiner Arbeit auch kurz eingegangen bin, denn gerade Frauen meiner Generation stehen und standen zumeist alle Möglichkeiten offen und viele haben diese auch genützt. Bildung und Karriere haben heutzutage für Frauen denselben Stellenwert wie für Männer. Es darf dennoch nicht vergessen werden, dass Gegenstrategien für Frauen oft mit Nachteilen verbunden waren und sind; so hat zum Beispiel der späte Wunsch eine Familie zu gründen, weil es aufgrund der Karriereplanung nicht früher möglich war, oft zur Folge, dass Frau sich diesen Wunsch vielleicht nicht mehr erfüllen kann.
Ich möchte damit nicht sagen, dass jede Frau irgendwann den Wunsch verspüren muss eine Familie zu gründen, ich möchte nur darauf hinweisen, dass sich diese Problematik eben nur für einen Teil der Gesellschaft überhaupt ergibt. Männer in der selben Lebensphase stehen nur selten vor diesen Schwierigkeiten. Sie sind es nicht, die „von Natur aus“ für die Aufgabe der Kinderbetreuung vorgesehen sind. Viele Frauen – und auch Männer – stellen diese natürliche Aufgabenverteilung nicht in Frage, was sich auch bei meiner Befragung gezeigt hat. Ich habe mich auf den Lebensplan „Familie“ bzw. „Familie und Beruf“ konzentriert, damit die Arbeit nicht „ausufert“. Es wäre im Rahmen der MA-Arbeit nicht möglich gewesen, eine umfangreiche Befragung mit Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen durchzuführen. Durch die Konzentration auf diese beiden Lebenspläne bzw. Strategien war es mir möglich auch bei einer kleinen Stichprobe Vergleiche anzustellen und Schlussfolgerungen aufzustellen.
Warum hast du dich für dieses Thema entschieden?
Das Thema habe ich schon ziemlich lange irgendwo in meinem Hinterkopf gehabt. Spätestens aber seit ich für eine kurze Zeit im Verkauf gearbeitet habe. Dort bin ich so richtig mit dieser Problematik in Kontakt gekommen: so wird jeder Mitarbeiterin (Mitarbeiter gibt es in dieser Branche eher weniger) die „Möglichkeit“ geboten, die Anzahl der Arbeitsstunden an die Familiensituation anzupassen, was auch gerne angenommen wird. So haben auch Mütter die Möglichkeit, Geld dazuzuverdienen. Aufstiegschancen gibt es aber nur bei einer Vollbeschäftigung; die Arbeitszeiten (also z.B. nur vormittags) werden – wenn überhaupt – nur wiederwillig angepasst und den geringeren Verdienst brauch ich nicht erwähnen… Schon damals, also bevor ich begonnen habe Gender Studies zu studieren, habe ich mich gefragt, was diese Frauen dazu bewegt, einen geringeren Verdienst und damit eine geringere Pension in Kauf zu nehmen. Die wenigen männlichen Mitarbeiter waren eigentlich alle Vollzeitbeschäftig mit Blickrichtung Aufstieg.
Während des Studiums bin ich dann immer wieder mit Themen wie Altersarmut von Frauen, gläserne Decke und ähnlichem konfrontiert worden. Auch in den Medien ist dieses Thema in den letzten Jahren sehr präsent: so wird gerne auf die gestiegene Erwerbsquote von Frauen hingewiesen, die mittlerweile bei ca. 70% liegt, vergessen wird dabei jedoch, dass dies hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass mittlerweile vier von zehn Frauen teilzeitbeschäftigt sind. Verglichen mit 2008 ist demzufolge der Anteil der vollbeschäftigten Frauen von 69% auf 58% im Jahr 2008 zurückgegangen (Frauenbericht 2010). Auch die permanente Diskussion über „Männerkarenz“, die Einführung des „Kindergeldes“ und Umfragen aus denen hervorgeht, dass bei österreichischen Jugendlichen traditionelle Rollenbilder nach wie vor vorherrschen, haben letztendlich den Ausschlag für dieses Thema gegeben.
Was sind deine wichtigsten Ergebnisse?
Ich habe in meiner Arbeit versucht, die Lebenswelt von teilzeitbeschäftigten Müttern (zwischen 28 und 33 Jahren) möglichst authentisch zu erfassen. Ich habe mich dabei auf die Region Eisenstadt-Umgebung konzentriert. Bei der Befragung hat sich gezeigt, dass die Frauen im Großen und Ganzen gerne berufstätig sind, die Berufstätigkeit jedoch nicht an erster Stelle ihrer persönlich gesetzten Prioritäten steht. Das Hauptmotiv zu arbeiten ist die finanzielle Absicherung bzw. einen Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten. Die Teilzeitbeschäftigung sehen alle Frauen als gute Möglichkeit, Familie und Arbeit zu vereinbaren; sie wird sowohl von den Frauen als auch von deren Partnern unhinterfragt akzeptiert. Die Nachteile, die eine verkürzte Arbeitszeit mit sich bringt, wurden kaum thematisiert.
Es hat sich gezeigt, dass kein Grund gesehen wird bzw. wurde, die Betreuungspflichten oder die Verteilung der Hausarbeit mit dem Partner auszuhandeln. Bewusst oder unbewusst werden also klassische Rollenbilder angenommen und zumeist unhinterfragt gelebt. Es scheint für alle von mir befragte Frauen ganz normal zu sein, dass sie in ihrer Position als Mutter die Familie in den Mittelpunkt stellen. Als Haupterkenntnis meiner Forschung ergibt sich für mich, dass zwar das Lebensmodell der Hausfrau ein überholtes ist, der Stellenwert der Erwerbsarbeit aber spätestens nach der Geburt eines Kindes von Frauen neu überdacht wird. So rücken der Beruf und auch das Karrierestreben – zumindest für einen gewissen Zeitraum – in den Hintergrund. Auch an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung hat sich trotz der Erwerbsbeteiligung von Müttern nur wenig geändert, denn auch wenn Frauen berufstätig sind, bleiben die Betreuung der Kinder sowie die Erledigung der Haushaltspflichten zumeist allein ihnen überlassen.
Die provokante Überschrift meiner Arbeit hat sich aber nicht ganz bewahrheitet, denn es ist klar erkennbar, dass sich Frauen nicht ihrem Schicksal ergeben. Sie warten nicht darauf, dass ihr Held in der glänzenden Rüstung kommt und sie aus der Passivität errettet. Frauen nehmen ihr Leben selbst in die Hand, sie bereiten sich auf ein selbstbestimmtes Leben vor und haben auch nicht vor, dieses aufzugeben, wenn sie eine Familie gründen. Es ist aber erkennbar, dass sich an der Schwelle zur Mutterschaft ein Wandel vollzieht. Für viele Frauen wird die berufliche Karriere nebensächlich, die Familie steht im Vordergrund. Die Problematik, dass sich Erwerbsunterbrechungen, wie etwa die Karenzzeit, sehr negativ auf weibliche Berufsverläufe auswirken, wird zwar gesellschaftlich durchaus erkannt, von der Politik aber nicht ausreichend abgefedert.
Ich habe in meiner Masterarbeit aufgezeigt, dass Lebensrealitäten, die in einer Gesellschaft eingenommen werden, geschlechtsspezifisch geprägt sind, dass Geschlecht nicht nur ein individuelles Merkmal ist, sondern die Chancen und Bedingungen für bestimmte Personengruppen in einer Gesellschaft maßgeblich beeinflusst. Und solange Frauen nicht selbst anfangen, ihre geschlechtlich gefärbten Ansichten kritisch zu hinterfragen, wird sich an ihrer Situation wohl auch nichts ändern.
Glaubst du also, dass es, um Problematiken wie die Gehaltsschere und andere Schieflagen in puncto Geschlechterverhältnisse in Österreich zu bekämpfen, es in erster Linie die Initiative von Frauen braucht bzw. dass es sich hier um eine Eigenverantwortlichkeit von Frauen handelt?
Ich glaube, dass es hier nicht möglich ist, allein mit Eigeninitiative etwas zu erreichen. Wichtig ist, dass es Fraueninitiativen gibt, die diese Problematik immer wieder ans Licht bringen und immer wieder und immer wieder thematisieren – wie eine verkrustete Narbe, die immer wieder aufgekratzt werden muss, bis irgendwer ein ordentliches „Pflaster“ darüber klebt… Ich sehe einen massiven Handlungsbedarf bei der Politik. Es ist ja schön, dass es Quotenregelungen gibt, oder dass Gehälter offen gelegt werden müssen, aber was sind die Konsequenzen, wenn diese „Gesetze“ nicht eingehalten werden? Was mich ein bisschen erschreckt ist, dass sich viele Frauen, so wie auch die von mir befragten, scheinbar keine Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen eine „Nicht-Normalarbeitszeit“ für sie haben kann bzw. wird. Die meisten gehen davon aus, dass sie bis „zum Ende ihres Lebens“ einen Partner haben werden, mit dem sie gemeinsam den Familienlebensunterhalt bestreiten werden.
Neben einer Bewusstseinsbildung ist hier wieder die Politik gefragt: es darf nicht sein, dass Frau dafür „bestraft“ wird, wenn sie Betreuungspflichten übernimmt. Überhaupt dann, wenn der Ausstieg aus dem Berufsleben großzügig gefördert (Stichwort Kindergeld), der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen jedoch vernachlässigt wird. Das heißt für mich, dass Frauen nicht allein dafür verantwortlich gemacht werden dürfen, hier etwas zu verändern, aber es schadet nicht, wenn sich so viele wie möglich, so oft wie möglich und so laut wie möglich zu Wort melden, um Ungerechtigkeiten aufzuzeigen. Solange sich auf gesellschaftlicher Ebene nichts an der „Schieflage“ ändert, ziehen Frauen auch in der privaten Paarbeziehung den Kürzeren, wenn es um die Aushandlung der Betreuungspflichten geht.