Von Alphamännchen und der Twitteria

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Am Donnerstag versammelte sich die Wiener Twitteria, um sich im Museumsquartier der eigenen Bedeutung zu vergewissern: „Bin ich relevant?“, konnte mensch sich da angesichts der Studie „Twitterpolitik. Netzwerke und Themen der politischen Twittersphäre in Österreich“ fragen (vorab: ich bin es nicht). Julian Ausserhofer, Axel Maireder und Axel Kittenberger von der Uni Wien haben sich den innenpolitischen Diskussionen auf Twitter angenommen und die Inhalte von insgesamt 374 Accounts über vier Wochen hinweg analysiert. Ausgewählt wurden diese nach bestimmten Schlagworten, außerdem mussten die Personen mind. 100 Follower haben und sich auf Listen von anderen Nutzer_innen befinden. (Alle Infos und Ergebnisse gibt es hier)

Unter den 374 Personen bzw. Accounts, die untersucht wurden, befanden sich 268 Männer, auch in den verschiedenen Netzwerken, die von den Studienautoren visualisiert wurden, sind Männer (mit wenigen Ausnahmen) die zentralen Ankerpunkte. Wenig verwunderlich. Wie es das „Social Media Radar“ Österreich ausweist, sind nur drei der Top-20-Twitterer Frauen (zwei davon sind prominente Frauen: Corinna Milborn u. Ingrid Thurnher). Twitter ist grundsätzlich männlich dominiert, wofür sich vermutlich viele Gründe finden lassen – dass Geschlecht auch im Internet eine Rolle spielt, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein.

Beim innenpolitischen Sample der Studie könnte hinzukommen, dass es rein zahlenmäßig mehr Politiker als Politikerinnen gibt und in den innenpolitischen Ressorts mehr Journalisten als Journalistinnen arbeiten. Die zentralen Figuren wie Armin Wolf oder Florian Klenk sind wiederum Ausgangspunkte für Männer-Netzwerke, die hier online abgebildet werden. Ob nun Frauen weniger zu innenpolitischen Themen oder auch insgesamt weniger twittern – dazu gibt es (soweit ich weiß) keine Daten.

Die Studie hat einigen Nutzer_innen noch einen anderen Umstand bewusst gemacht, nämlich, dass sich in ihrer Timeline nur sehr wenige Frauen befinden. Schon während der Präsentation im Museumsquartier entstand eine (Online-)Diskussion über das Geschlechterverhältnis auf Twitter, von Sigi Maurer  und Karin Strobl  wurde kurzerhand der „Female Follow Friday“ ausgerufen, der glücklicherweise die Following-Listen so mancher User_innen ein wenig umgestaltet hat. Listen mit interessanten Accounts gibt es zum Beispiel hier und hier. (Mein Verhältnis: ca. 120 Frauen zu 80 Männern -> feministische Bloggerin)

Ein Female Follow Friday ist für manche selbstverständlich zu viel –  demonstratives Unverständnis, abwertende Kommentare und die üblichen Witzchen bleiben da nicht aus. Wenn Armin Wolf sich am #fff beteiligt, fragt Hanno Settele, ob das nun „die politisch korrekte Liste“ sei (merke: ein paar Seitenhiebe zu Quote, Binnen-I, political correctness und Begriffen aus der feministischen Theorie kommen immer gut). Auch Rudi Fußi bringt immer wieder  sehr lustige Sprüche ein, die bestimmt alle ironisch gemeint sind (wer den Witz nicht versteht, ist selbst schuld!). Ebenfalls ein Klassiker: die Zurechtweisung*. Übrigens sollten wir der Versuchung widerstehen, mit Erklärungen einzuspringen, wenn manche User_innen so tun, als hätten sie noch nie von Ungleichheiten und Diskriminierung gehört und auch auf die ach so lustigen Provokationen sollte mensch niemals reagieren. Und: Wir müssen nicht dankbar sein, wenn Männer mal Frauen empfehlen.

Zu all diesen Dingen empfehle ich den Beitrag einer deutschen Bloggerin, die sich mit Privilegien auseinandergesetzt und in ihrem Text viele interessante Beiträge anderer Bloggerinnen verlinkt hat.

Für mich persönlich ist Twitter gar nicht mehr aus meinem Alltag wegzudenken. Twitter ist eine unglaublich praktische und schnelle Informationsquelle und bietet mir die Möglichkeit, mich mit feministischen Szenen in anderen Ländern zu vernetzen. Dass gerade in Österreich so wenige feministische Akteurinnen auf Twitter vertreten sind, finde ich sehr schade. Immer wieder versuche ich im frauenpolitischen Kontext Überzeugungsarbeit zu leisten – bisher wenig erfolgreich. Dabei hat Twitter gerade hier viele Vorteile: Sexistische/rassistische/homophobe Inhalte verbanne ich aus meiner Timeline, User_innen, die mich beschimpfen, werden geblockt. Da nur Personen, denen ich folge, mir Nachrichten schicken können, kommen über Twitter auch keine Drohungen, die ich anonymisiert per E-Mail erhalte. Natürlich funktioniert das alles nicht hundertprozentig – über einen verantwortungsvollen Umgang mit diversen Angriffen und Beleidigung sind noch viele Debatten zu führen.

*Dieser Tweet bezieht sich nicht auf den Female Follow Friday, sondern auf den Vorwurf einer Userin, die Autoren hätten die Accounts von manchen aktiven Frauen ignoriert / nicht miteinbezogen.  

Link: „Twitter Sisters Unite!“

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brigittethe

9 comments

  • na kein wunder… wenn die werten autorinnen nicht einmal ihren eigenen account verlinken! (oder hab ich ihn überlesen?) 😉

  • meinst du meinen? der ist ganz oben auf der seite verlinkt. ich kann ihn aber auch noch in den text einbauen 🙂

  • Soweit die Studie selbst, oder mehr der Aufzug als Event, von dir eingangs als Schulterklopferei belächelt wird, um so deutlicher merkt man am Diskurs darum, wie wichtig die Präsentationsform dafür war. (Wäre interessant, wie die Studie aufgenommen worden wäre, wenn sie nicht als Event präsentiert worden wäre)
    Bei Twitter geht es um Verlässlichkeit. Ob die in verlässlicher Schmäh-Frequenz liegt oder darin, dass die Infos stimmen ist egal. Ich habe einige Leute in meiner Timeline von denen ich lange Zeit nicht wusste (tw auch jetzt nicht weiß) welchem Geschlecht sie angehören — und wie du dir vorstellen kannst ist mir das herzlich egal. Auf Twitter bezogen habe ich noch die romantische Vorstellung von postgender.

    Dass sich das herzlich-egal-sein bzgl der Gefolgten trotzdem in einer Männer-dominierten TL äußert, sehe ich als logische Konsequenz, Info-VerbreiterInnen von anderen Quellen auf Twitter zu transfärieren. ModeratorInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen, sämtliche ExpertInnen…

    Mein Optimismus liegt darin: während sich die Genderquote bei PolitikerInne vermutlich nur träge bewegt, werden es immer mehr ExpertInnen & JournalistInnen (hoffentlich auch bald mehr aus dem investigativen Sektor) auf Twitter schaffen & sich durchsetzen. Dass bei Informationsaufbereitung auf Twitter das Geschlecht eine Rolle spielt, würde ich nicht als gegeben voraussetzen.
    (Leider siehts in der deutschsprachigen Naturwissenschafts-Twitteria noch schlechter aus btw, kenne zugegebenermaßen auch weniger Twitter-affine Naturwissenschaftlerinnen als Naturwissenschaftler. Tippe daher auf typische Erziehungsausrede)

  • Mich haben jedenfalls die Tweets sehr geärgert, die uns vorgeworfen haben, Männer zu sein, und das es daher eine Studie „von Männern ist“, und implizit gleich gevorurteilt wird „für Männer“. Ist das nicht genauso Sexismus? Wir haben explizit Gender zum Thema gemacht und in der Studie und Präsentation den Gendergap problematisiert – Dank geht dafür auch an Sigrid Maurer, die uns in einer vor-ab, work-in-progress Präsentation beim Barcamp im Dezember darauf nochmals sensibilisiert hat, was wir auch gerne aufgegriffen haben, und die die Gelegenheit gestern auch genutzt hat einen #fff auszurufen). Eine Studie für Männer wärs gewesen, hätten wir das Geschlecht gar nicht kategoriesiert oder extra eine Grafik dafür gemacht, und das Männernetzwerk im Dunkeln gelassen, dann wärs auch niemanden aufgefallen.

    Ebenso bin ich nicht unbedingt glücklich, wenn ein Tweet von mir hier aus dem Diskussions-Kontext gerissen wird, als Beispiel für eine Makro-Phänomen, was in dem Fall so nicht zu trifft, nur weil ich mich gegen die Anschuldigung „von Männern“ wehre, und bitte das so wie Sigrid oder die hier verlinke Lisa Fuchs als Anlass zu nehmen etwas zu tun, oder wie Armin Wolf zu outen, es habe zu denken gegeben…

    Es ist durchaus der Fall, dass noch politisch twitternde Frauen mit Österreichbezug mit mehr als 100 Followern gibt, die nicht im Sample sind, das trifft aber auch auf Männer zu, wo wir gerade auch gegenüberliegend von der konservative Kritik hinnehmen mussten (übrigens weil schwarze Politiker (ohne innen!) die sich nicht als solche im Profil outen nicht als PoltikerInnen kategorisiert haben, wie auch?). Es ging halt nicht anders, dass ein Sample gebildet werden musste.

    Mein Fazit dazau, um bei einer Wunsch-Gesellschaft anzukommen, wo es keine Vorurteile oder Ungerechtigkeiten wegen des Geschlechts gibt, ist von beiden Seiten noch zu tun. Dazu gehören im Einzelfall auch solche (aber ums zu betonen sicher nicht alle, oder die Mehrheit!) , die auf ihren Profil „Feministin“ schreiben.

  • Glauben Sie ernsthaft, irgendjemand folgt irgendwen, weil derjenige ein Mann ist? Sie denken anscheinend nur in Mann-Frau Kategorien.

  • @fatmike182: Ich wollte es nicht als Schulterklopferei belächeln… Das ist wohl eine quasi-selbstironische Haltung, die mensch sich auch abgewöhnen könnte… In diesem Fall wurde ich wohl dazu verleitet, weil die Twitter-Community schon irgendwie ein eigener Kosmos ist, der sehr auf sich selbst bezogen ist…

By brigittethe

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