Das Koch-Magazin „Beef“ hat vor Kurzem von der Diestandard-Redaktion eine Zitrone verliehen bekommen. Ellen Hoppenbrouwers und Nina Kowalczyk haben sich das „Beef“ ebenfalls angesehen und sich Gedanken über die Verbindung von Fleischkonsum und Männlichkeit gemacht:
BEEF! Fleisch und Männer
FLEISCH IST SEIN GEMÜSE?
Männer haben das Kochen als Hobby entdeckt. Es ist eine produktive Tätigkeit, die zufrieden und satt macht. Doch wie holt man das Kochen aus dem „Fraueneck“? Zuerst eroberten die Männer das Grillen, das bis heute eine typische Männerdomäne zu sein scheint. Die Verbindung von rohem Fleisch, Feuer und (potenzieller) Gefahr stützt das archaische Bild des Steinzeit-Jägers. Durch die Technik hat sich für Männer der Fokus beim Kochen verschoben und die Attraktivität der Lebensmittelzubereitung gesteigert. Kochen wird hier nicht als Alltagsbeschäftigung, sondern als Event verstanden. Dabei ist Fleisch das Herzstück von Männlichkeit in der Küche. Der technische und handwerkliche Aspekt wird konstruiert durch Feuer, Männlichkeit und Gefährlichkeit. Es geht darum, ein „erlegtes“ Tier formvollendet zuzubereiten.
Der Grillmeister steht in der Gunst der männlichen und weiblichen Freunde ganz oben. Für die im BEEF!-Heft dargestellte hegemoniale Männlichkeit braucht „Mann“ jedoch ein dickes Geldbörserl, da das technische Equipment auch als Design- oder Lifestyleobjekt mit deftigen Preisen zu Buche schlägt. Auch die modernen Erkenntnisse, dass Fleisch lieber in Maßen konsumiert werden sollte und die Qualität für den Nährwert ganz entscheidend ist, werden in den Wind geschlagen. Der Mann als Erbe seiner Steinzeit-Herkunft muss Fleisch essen, am besten in rauen Mengen. Speziell rotes Fleisch gilt als besonders männlich, vor allem in blutigem Zustand. Die Sprache, mit der sich das Magazin an seine Leser wendet, ist technisch orientiert, aber auch literarische oder erzählende Stile finden sich in den Reportagen. Um eine spannende und lebhafte Story zu erzählen, sind viele Sätze ausgeschmückt, Tatsachen werden bildlich dargestellt. Mit Metaphern kommen besonders berührende Aspekte zur Geltung, etwa wenn Handwerk oder Traditionen dargestellt werden.
Der Grundtenor ist die Suche nach dem Ehrlichen, dem Authentischen. Frauendarstellungen finden sich kaum, wenn überhaupt, dann als marginalisierte Nutznießerin der männlichen Kochkunst oder als schmückendes Beiwerk. Auch weiblich konnotierte Gerichte wie Salate oder Süßspeisen sind in der Minderheit, bei der Berichterstattung geht es um technische Aspekte und Spielereien, etwa den Bunsenbrenner, den man zum Karamellisieren der Créme Brulée benötigt. Die technischen Details werden wie in Automagazinen präsentiert, selbst die Wirtschaft hat sich auf diese neuen Bedürfnisse eingestellt: Porsche bietet auch Designküchen an. Fleisch wird weltweit als Statussymbol wahrgenommen. Je mehr Fleisch, desto reicher die betreffende Gesellschaft. Noch nie aßen Menschen so viel und vor allem so regelmäßig
Fleisch. Doch worin besteht nun diese beschworene Beziehung zwischen Mann und Fleisch? Nan Mellinger schreibt in ihrem spannenden Artikel für EMMA, dass Frauen in der Umgangssprache traditionell als „Fleisch“ bezeichnet wurden. Auch in Zuschreibungen von Weiblichkeit bestehe dieser Zusammenhang: Frauen würden „geritten, gezähmt und als ,Freiwildʻ oder ,Frischfleischʻ gejagt“. Auch Carol J. Adams stellt diese patriarchale Verbindung von Jagd und Unterdrückung her. So seien etwa auch die Vermählung und die damit verbundenen Riten Akte der Zähmung, nicht umsonst lässt sich das englische Wort für Bräutigam („groom“) mit „Stallknecht“ übersetzen. Indem sie noch weiter zu den Anfängen der Zivilisation zurückgeht, zeigt sie, dass diese Ideologien ihren Ursprung im Überlebenskampf der Menschen haben, im Trauma des „Gefressenwerdens“. Doch auch Frauen nahmen damals an der Jagd teil, deshalb finden sich auch Darstellungen von Jägerinnen in Höhlenmalereien.
Ein weiteres Indiz sind auch weibliche Götter der Jagd wie Artemis oder die sumerische Göttin Ninhursaga. Der Mythos vom Mann als Jäger entstand laut Mellinger wohl am Ende der Altsteinzeit, als die Tierbestände zurückgingen. Damit ging auch eine neue Arbeitsteilung einher, mit der sich auch die Götterbilder wandelten: hin zu „friedliebenden Göttinnen des Ackerbaus“. Dadurch wandelte sich das Bild hin zum „Fleisch fressenden Mann und der Körner kauenden Frau“. Darin wurzeln auch die Ideologien und Mythen, die „BEEF!“ zu einem „Männerkochheft“ machen. Pierre Bourdieu umschreibt diese Beziehung so: „Fleisch, die nahrhafte Kost schlechthin, kräftig und Kraft, Stärke, Gesundheit, Blut schenkend, ist das Geschlecht der Männer, die zweimal zugreifen, während die Frauen sich mit einem Stückchen begnügen.“ Man kann diese hierarchische Beziehung von Geschlecht und Fleischkonsum auch zugespitzer auf den Punkt bringen, etwa mit den Worten von Nan Mellinger: „Die Frau isst kein Fleisch. Sie ist Fleisch – und damit Nahrung für den Mann.“
Ellen Hoppenbrouwers und Nina Kowalczyk studieren an der Universität Klagenfurt
Tatsächlich ein ganz erstaunliches Magazin. Und nichts für mich! Aber auf was für Ideen die Menschen (oder Männer) kommen. Schon drollig.
> Auch die modernen Erkenntnisse, dass Fleisch lieber in Maßen konsumiert werden sollte und die Qualität für den Nährwert ganz entscheidend ist, werden in den Wind geschlagen.
Das scheint mir im Großen und Ganzen falsch. In ihrem Fetischisieren und Ritualisieren von Fleischverzehr ist ein zentrales „Argument“ ihres Narratives die Betonung von „Qualität“ von „handwerklicher Hingabe“, die sie fast immer durch eine ziemlich klare Abgrenzung zu den „Industrieprodkten“ der „Massentierhaltung“ konstruieren.
Der Typ, der das Magazin führt hat eh nen leichten schaden, wenn ich das mal so unverblümt sagen darf. Seine Kolumne bei SPON ist dermaßen sexistisch, selbstverliebt, und vor allem platt, dass ist kaum noch lustig.
Zitat von Monsieur Spielhagen:
“Aber das wichtigste ist, dass dieses Thema uns gehört – und das auf lange Sicht. Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Frauen in einer Zeit, in der die meisten von ihnen Fleisch nur noch in rot und weiß unterscheiden und den ökologischen Fußabdruck ihrer Ernährung zu errechnen versuchen, den Männern ihr neues Lieblingssujet abspenstig machen werden. Das Fleisch ist uns sicher – so sicher wie der Bartwuchs.”
…
eine soziologin aus hamburg hat zu dem thema geforscht: https://www.wiso.uni-hamburg.de/projekte/animals-and-society/projekte/tagung-fleisch-essen/programm/julia-gutjahr/
Hast du vielleicht Kontakt zu ihr? Ich habe keine Kontakt-Möglichkeit gefunden…