Was ist das Thema deiner Arbeit?
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Darstellung der Bibliothek in Literatur und Film der Gegenwartszeit. Mein Fokus liegt dabei auf der patriarchalen Dimension der Bibliothek, das heißt inwiefern patriarchale Strukturen bis in die Gegenwartsliteratur und den Film transportiert werden.
Was sind deine zentralen Fragestellungen?
Meine These lautete, dass die in Literatur und Film dargestellten Bibliotheken einer patriarchalen Ordnung folgen, die Frauen ausschließt und sie somit nicht an der Wissensordnung teilhaben lässt. Daraus ergibt sich dann die Frage, wie sich das patriarchale System in der Bibliothek konstituiert und welche Ausschlussmechanismen produziert werden.
Warum hast du dich für dieses Thema entschieden?/Wie bist du darauf gestoßen?
Bibliotheken haben auf mich schon immer sehr faszinierend gewirkt. Besonders spannend ist dabei für mich wie sie in Literatur und Film dargestellt werden und in Anschluss daran wie Literatur und Literaturvermittlung in literarischen und filmischen Werken dargestellt wird. Bei meiner Lektüre solcher Werke oder wenn ich einen Film mit einer Bibliothek als zentralen Ort gesehen habe, habe ich dann angefangen mich zu fragen, warum eigentlich zum Großteil nur Männer als aktiver Part in der Bibliothek zu sehen sind, während die Bibliothekarin eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Diese klassische Zweiteilung ist auch bei der Bibliotheksbenutzung zu sehen, bei der den männlichen Figuren ein aktiver Part zugeschrieben wird, während weibliche Figuren nur als Subalterne gezeigt werden.
Was sind deine Methoden?
Ich erarbeite zuerst anhand von historischen Texten und der Entstehungsgeschichte der Bibliothek Ausschlussmechanismen und patriarchal-hegemoniale Strukturen und lege diese Diskursstränge dann auf Literatur und Film der Gegenwart um, um zu zeigen inwiefern diese Strukturen noch heute zu finden sind.
Was sind deine wichtigsten Ergebnisse?
Mein wichtigstes Ergebnis ist, dass in den von mir ausgewählten Werken die patriarchalen Strukturen mit ihren Ausschlussmechanismen, die auf historischen Tatsachen beruhen, in die Gegenwartsliteratur und –Film tradiert werden. Die patriarchale Dimension konstituiert sich dabei vor allem an der Figur des Bibliothekars, der bestimmen kann wer Zugang hat und wer nicht. Ein paar Beispiele dazu:
Daniel Sempere, Protagonist in Carlos Ruiz Zafóns La sombre del viento [Der Schatten des Windes, 2005], durchläuft einen Initiationsritus, um die Bibliothek der vergessenen Bücher betreten zu dürfen. Die Tore öffnen sich für ihn mit den Worten: „Er wird bald elf und irgendwann übernimmt er das Geschäft [eine Buchhandlung, Anm.UK]. Er ist alt genug, um diesen Ort kennenzulernen.“
Der Verweis auf die Erbfolge ist hier der Schlüsselmoment, der den Bibliothekar Isaac die Tore öffnen lässt. Einige Jahre später steht Daniel erneut vor diesen Toren und begehrt Einlass. Diesmal ist er jedoch nicht allein oder in Begleitung seines Vaters, sondern wird von Beatriz begleitet, deren Anblick bei Isaac folgende Reaktion hervorruft: „Er warf Bea einen Blick zu, als hätte er gerade eine brennende Dynamitbombe zu ihren Füßen entdeckt. ‚Ich hoffe zu Ihrem Besten, das ist nicht das, was es scheint‘, drohte er. ‚Isaac, das ist meine Freundin Beatriz, ich möchte ihr mit Ihrer Erlaubnis diesen Ort zeigen. Seien Sie unbesorgt, sie ist absolut vertrauenswürdig.‘
Beatriz Vertrauenswürdigkeit muss erst von Daniel bestätigt werden, um die Bibliothek der vergessenen Bücher betreten zu dürfen. Dass Beatriz die Bibliothek schlussendlich betreten darf, ist auf Daniels Anwesenheit zurückzuführen, denn sonst wär es ihr ergangen wie Virginia Woolf, die in ihrem 1929 erschienen Werk A room of one’s own schreibt: „[…] but here I was actually at the door which leads into the library itself. […] a deprecating, silvery, kindly gentleman, who regretted in a low voice as he waved me back that ladies are only admitted to the library if accompanied by a Fellow oft he College or furnished with a letter of introduction.“
Als für die patriarchale Dimension der Bibliothek typischer Bibliothekar kann auch Peter Kien gesehen werden, Protagonist in Elias Canettis Die Blendung von 1936. So hält Kien gleich zu Beginn fest, dass die Bibliothek „Heimat“ sei und „Frauen hält man am klügsten von seiner Heimat fern.“ Ebenfalls Beispielhaft ist der Bibliothekar in Roland Emmerichs Film The Day After Tomorrow (2004). Der Bibliothekar ist in diesem Fall jener, der aktiv dabei mithilft Brennmaterial zu sammeln, das dazu benötigt wird, um einen Kamin in der New York Library zu heizen. Er ist derjenige, der bestimmt welche Bücher verbrannt werden. Dies führt so weit, dass er die Gutenberg Bibel beschützt, um sicher zu stellen: „If western civilisation is finished, I’m gonna save at least one little piece of it. Die Bibliothekarin hingegen darf sich nur mit der Aussage „You can’t burn books!“ zu der Bücherverbrennung äußern.
Warum hast du Vergleichende Literaturwissenschaft studiert?
Bücher und Literatur nehmen bereits seit Kindertagen einen sehr wichtigen Stellenwert in meinem Leben ein. Für die Matura habe ich dann eine Fachbereichsarbeit in Deutsch geschrieben und dabei gemerkt, dass es für mich eigentlich nichts Schöneres und Spannenderes gibt als mit Literatur zu arbeiten. Nur die Germanistik – als das erste für mich naheliegende Studienfach – zu studieren war mir aber dann zu wenig und so habe ich auch Vergleichende Literaturwissenschaften belegt. Besonders spannend ist es dabei für mich kulturwissenschaftlichen Fragen nachzugehen, mit feministischer Literaturwissenschaft zu arbeiten und mithilfe der Gender und Queer Studies Literatur (und zum Teil auch Film) zu analysieren.
Warum studierst du Gender Studies?
Mit den Gender Studies bin ich zum ersten Mal in der Germanistik konfrontiert worden und sie haben sofort mein Interesse geweckt. Ich habe dann auch immer mehr Lehrveranstaltungen besucht, die sich mit den Inhalten der Gender Studies auseinandergesetzt haben. Da war und ist es dann für mich nur eine logische Konsequenz gewesen auch das Masterstudium zu belegen.
Über die Autorin: Ulli Koch hat das Studium der Germanistik abgeschlossen, wird im Oktober das Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und irgendwann auch das Masterstudium Gender Studies abschließen, alle Universität Wien. Auf ihrem Blog (www.ullikoch.wordpress.com) veröffentlicht sie unregelmäßige Gedankensplitter, die sich mehr oder weniger mit den Inhalten ihrer Studien auseinandersetzen.
Da könnte natürlich spontan der Vorwurf entstehen, dass Du nur solche Filme auswählst, die Deine These stützen:
„Meine These lautete, dass die in Literatur und Film dargestellten Bibliotheken einer patriarchalen Ordnung folgen, die Frauen ausschließt und sie somit nicht an der Wissensordnung teilhaben lässt.“
„Mein wichtigstes Ergebnis ist, dass in den von mir ausgewählten Werken die patriarchalen Strukturen mit ihren Ausschlussmechanismen, die auf historischen Tatsachen beruhen, in die Gegenwartsliteratur und –Film tradiert werden.“
[…] der Denkwerkstatt wird Ulli Koch interviewt, die ihre Abschlussarbeit über die patriarchale Dimension der Bibliothek geschrieben […]
@Lijbosz Nek
In meinem Komparatistikstudium (und speziell einem motivgeschichtlichen Seminar zur Bibliothek in der Literatur) habe ich einen ähnlichen Eindruck erhalten. Ich würde behaupten, dass zumindest die kanonisierte Literatur um dieses Motiv kaum Beispiele gibt, mit denen Ulli Kochs These substanziell angegriffen werden kann.
Gegenbeispiele wären sehr interessant, wenn Du die Redlichkeit ihrer Arbeitsmethode in Frage stellst.
Ich habe den Eindruck, dass zumindest im amerikanischen Mainstreamkino Bibliotheken eher weiblich besetzt sind. Eine Character-Suche nach „librarian“ auf IMDB.com spuckt auch überwiegend weibliche Rollen aus ( http://is.gd/bKNmDC ). Wenn in der Arbeit überhaupt nicht auf die Darstellung von Bibliothekarinnen im Film eingegangen wird, dann ist das doch etwas verwunderlich.
@Lijbosz Nek
Meine Beispiele sind exemplarischer Natur, da es zu viele literarische und filmische Beispiele gibt, in denen die Bibliothek von einem Bibliothekar dominiert wird, der Frauen explizit aus der Bibliothek ausschließt oder in denen der Bibliothek die aktive Rolle einnimmt
@thompsey
Ja, der überweigende Teil an Filmen, die eine Bibliothek und damit auch Bibliothekspersonal zum Thema haben, zeigen Bibliothekarinnen. Die Frage ist aber: Wie werden diese Figuren dargestellt? Und da ist es so, dass Bibliothekarinnen bei subalternen Tätigkeiten gezeigt werden, oder sie sind asexuelle „graue Mäuse“, die manchmal auch erst durch einen Leser entdecken was Liebe ist, sich also über einen Mann definieren. Konträr dazu überwiegen auch Darstellungen in denen Bibliothekarinnen als verführerische Figuren dargestellt werden, die Röcke tragend auf Leitern oben stehen und somit wieder eindeutig als rein sexuelle Objekte dargestellt werden.
Ich freue mich aber auch wenn ihr Gegenbeispiele kennt und mir sagt!
@Ulli
Stimmt, die Klischees überwiegen. Als positives Gegenbeispiel könnte vielleicht Rachel Weisz als weiblicher Indiana Jones in „Die Mumie“ gelten. Sie stellt sich aber leider öfters ungeschickt an und wird auch gerne mal gerettet. Männliche Bibliotheksangestellte unterliegen aber ebenfalls Klischees. Und zwar weitaus negativeren. In der Regel sind sie pedantische Nerds, Versager und Perverse. Siehe zB „Sophie’s Choice“ und „Der Name der Rose“.
@thompsey
Evelyn Carnahan (gespeilet durch Rachel Weisz) ist als Figur sehr ambivalent und problematisch. Sie agiert zwar relativ selbstständig, wird aber durch die Darstellung ihrer Ungeschichklichkeit und ihrer naiven Art gleichzeitig zu einem sehr unselbstständigen Subjekt. Sie definiert sich auch hauptsächlich über die männlichen Personen in dem Film.
Die Darstellung von Bibliothekaren und deren Klischees und Stereotype will ich auch gar nicht klein reden. Dazu gibt es auch schon sehr viele Untersuchungen, bei denen ich auch anknüpfe.