ArchiveMai 2013

Immer wieder Heidi Klum

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In den vergangenen Tagen ist mir der Link zu folgendem Artikel: „Brust raus, Bauch rein, Hirn aus“ in die Timeline verschiedener Social-Media-Plattformen gespült worden. Ein Journalist der „Hannoverschen Allgemeinen“ analysiert die „fatale Botschaft“, die Heidi Klum in „Germany’s Next Top Model“ verbreitet und widmet sich in seinem polemischen Text dem „kaltherzigen“ und anpassungsfähigen TV-Model. „Das Leben, heißt die traurige Klum-Botschaft, ist ein durchökonomisierter Prozess, in dem Fremderwartungen stets zu erfüllen, Maximalziele zu setzen, Körper dem Ideal nachzubilden und Unwuchten in Geist und Seele abzutrainieren sind. Gefallen als Lebenszweck – propagiert by Heidi Klum“, ist da zu lesen. Wie Imre Grimm da über Klum und ihre Model-Show ablästert, ist sehr unterhaltsam und irgendwie auch befreiend, aber irgendetwas hat mich sogleich an dem Text gestört – und zwar der ausschließliche Fokus (inkl. Sexismen) auf Heidi Klum.

„Germany’s Next Topmodel“, das wohl erfolgreichste Reality-Format überhaupt, zählt mittlerweile acht Staffeln, die Einschaltquoten bleiben trotz Endlos-Wiederholung auf hohem Niveau (zwischen 15 und 25 Prozent in der „werberelevanten“ Zielgruppe). Erfunden hat die Sendung jedoch nicht Heidi Klum, die deutsche Version von „America’s Next Top Top Model“ (Idee: Tyra Banks) hat der TV-Sender ProSieben  umgesetzt und zunächst von  „Tresor TV“, dann von „RedSeven“ produzieren lassen. 2006 wurde das Format erstmals ausgestrahlt und entwickelte sich zum ganz großen Geschäft. Es scheint fast so, als hätten Gilette und die L’Oreal-Tochter Maybelline das Konzept geschrieben: Make-up und glatt rasierte Körperteile sind integraler Bestandteil jeder Folge, die dazugehörigen Unternehmen sind nicht nur in den vielen Werbepausen zu sehen, sondern treten in der Serie als „ArbeitgeberInnen“ auf, die „Jobs“ an die Nachwuchs-Models zu vergeben haben.

„Germany’s Next Topmodel“ ist also soetwas wie eine verfilmte Frauenzeitschrift à la Cosmopolitan: Redaktionellen Inhalt gibt es nicht wirklich, vielmehr wird da Rahmenprogramm für Lippenstift- und Kleinwagen-VerkäuferInnen geschaffen. Mit Heidi Klum hat ProSieben die ideale Botschafterin für den Konsum an sich („Mit meinem ersten Model-Gehalt habe ich mir eine Rolex gekauft“) gefunden, die Ex-Kandidatinnen und Staffel-Siegerinnen werden in anderen Formaten des Senders untergebracht oder zumindest interviewt. So sitzen etwa die ausgeschiedenen Bewerberinnen regelmäßig auf der Couch von Stefan Raab, der in „TV Total“ verzweifelt nach lustigen Facetten der Model-Show sucht.

Stefan Raab, der wohl einzige Moderator, der auf ProSieben noch häufiger als Heidi Klum zu sehen ist, steht am anderen Ende der Skala: Witzig, lässig, unverschämt und aufdringlich – ein echter Kerl eben. Auch Klaas Heufer-Umlauf  und Joko Winterscheidt dürfen seit Februar auf ProSieben Wett-Kotzen und die Reeperbahn erkunden. Die beiden Moderatoren, die Sexismus unglaublich lustig finden, sind ebenfalls richtig gut im Unsinn-Machen und stellen den Gegensatz zu den Fraufiguren dar, die der deutsche TV-Sender in vielen seiner Formate präsentiert. „Nur die Industrie habe Mittel, wahre Schönheit zu generieren, lautet das Credo von Klum, deren Karriere auf einem ‚Sports Illustrated‘-Bikinifoto fußt – und die trotz gegenteiliger privater Erfahrungen offenbar weiterhin dem Irrtum erlegen ist, dass beständiges Streben nach ‚Professionalität‘ Glück verheißt“, schreibt Imre Grimm. Klum, die in den Medien gerne mal als „Pascha“ und „strafende Lehrerin“ bezeichnet wird, hat sich das also alles ausgedacht?

Immer wieder erscheinen Artikel, in denen die (zugegeben nicht sehr sympathische) Heidi Klum vorgeführt und für ihre grausame Art, jungen Mädchen das letzte Quentchen Selbstachtung zu rauben, kritisiert. Die Maschinerie hinter dem ganzen Konzept wird dabei oftmals ausgeblendet: die Kosmetik- und die Werbeindustrie und nicht zuletzt der TV-Sender, der das alles möglich gemacht hat. „Denn sie wissen, was sie tun„, schreibt Hannah Suppa in ihrer Replik und bringt ein Argument ins Spiel, das ebenso häufig zu finden ist: „Es ist billig, diese Glitzer-Nagellack-Welt mit den immer gleichen Phrasen (‚Nur eine kann GNTM werden!‘) als Untergang des Abendlandes abzutun. Denn es misst dem Ganzen mehr Bedeutung zu als nötig. Es geht hier um eine Unterhaltungsshow.“ Natürlich, alles nur ein großer Spaß. Schließlich sitzen die „Mädels-Runden“ zuhause ganz selbstbewusst vor dem Fernseher und eignen sich die Inhalte der Show auf „ironische Weise“ an, lachen über die heulenden Kandidatinnen und verwandeln schon mal das eigene Wohnzimmer in einen „Catwalk“.

Natürlich, wir haben die Texte der Cultural-Studies-Theoretiker_innen gelesen und wissen, dass es nicht besonders klug ist, von einer simplen „Übernahme“ von Medieninhalten durch die Rezipient_innen ausgehen. Schließlich gibt es verschiedene Lesarten und Medienwissenschafter_innen und Psycholog_innen weisen immer wieder darauf hin, dass es darauf ankommt, wie Jugendliche mit bestimmten Botschaften umgehen. „Sie (Heidi Klum) wird dafür bezahlt, eine Unterhaltungssendung zu machen. Und solange die Menschen einschalten, sich der ‚Venus Spa Breeze‘-Rasierer oder der Caffé Latte mit Topmodel-Aufdruck gut verkaufen, wird das so bleiben“, meint Hannah Suppa. Die vielen Zuschauerinnen wollen das also sehen – selbst schuld!
Aber wie war das? Unsere (Konsum-)Wünsche entstehen dann doch nicht aus dem Nichts oder einem „natürlichen“ Trieb. Vielmehr wachsen wir auf in einer kommerziellen Medienkultur, die uns auf allen Kanälen Zugang zum Heidi-Klum-Universum verschafft.

Nur absolute Medien-Verweiger_innen werden (in Österreich und Deutschland) diesen Namen noch nie gehört haben und „Cover-Shooting“ und „Concealer“ sind wohl fester Bestandteil des Wortschatzes einer durschschnittlichen 12-Jährigen. Fernsehsender wie ProSieben betreiben ein Mainstreaming solcher Inhalte, wir fragen uns nicht mehr, warum auf der Titelseite der „Cosmopolitan“ eigentlich immer eine junge Frau im engen Kleid zu sehen ist, sondern höchstens noch, ob denn nicht auch mal weniger „perfekte“ Models gezeigt werden könnten.

„Und die Eltern applaudieren. Die Mädchen als Ware, die Körper austauschbar, der Mensch egal. Natürlich sind die Körper Requisiten. Das ist der Job. Hier geht es nicht darum, wer den besten Charakter hat oder Schillers ‚Glocke‘ rezitieren kann, es geht um Oberflächlichkeiten. Die Modewelt ist eine eigene. Hier wird nicht das Ideal der Frau von heute vorgeführt, sondern das Ideal für eine bestimmte Berufsgruppe“, so die Journalistin. Mal abgesehen davon, dass „Germany’s Next Topmodel“ recht wenig mit der „Modewelt“ zu tun hat, lernen die Teenager vor dem Fernsehgerät, dass eben die Casting-Kandidatinnen ProSieben-Shows moderieren dürfen und in der „Bild“ abgelichtet werden. Hier haben die Medienkonzerne tatsächlich ihre eigene Welt geschaffen: das Berufsbild des/der C-Prominenten. Und damit eine Aufstiegsmöglichkeit, die Chance auf Gucci-Kleider und Rolex-Uhren. Und ein bisschen Ruhm.

Verlinkt

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In eigener Sache: Ihr seid herzlich zur Podiumsdiskussion „Feministisch herausgefordert“ am 11. Juni um 19 Uhr in der Buchhandlung ChickLit eingeladen! Die Diskussion ist die Abschlussveranstaltung des feministischen Lesekreises, den wir beim Verein Genderraum organisiert haben. Keine Sorge, ihr müsst aber nicht am Lesekreis teilgenommen haben, um der Diskussion folgen zu können. Diskutieren werden Alexandra Weiß (die auch einen Impulsvortrag zum Thema “ Disziplinierter Feminismus? Zwischen neoliberaler Einpassung und Antifeminismus“ halten wird), Birge Krondorfer, Niki Staritz und Ulli Koch. Anschließend laden wir zu Wein und Brötchen. All genders welcome.

Die Mädchenmannschaft hat eine Serie zu Frauen in rechten Netzwerken gestartet.

Die Femgeeks präsentieren deprimierende Zahlen zu Frauen* im Film/in der Filmbranche.

Anne Roth hat auf 50prozent.noblogs.org ein spannendes Projekt gestartet: „50 Prozent sind die Hälfte. Frauen sind in etwa die Hälfte aller Menschen, aber selten die Hälfte auf Podien, am Mikro, bei Talk-Shows oder Konferenzen. ’50 Prozent‘ dokumentiert, wieviele Frauen* es tatsächlich sind.“ Mitmachen erwünscht!

Viruletta berichtet auf der Mädchenmannschaft von der Frauenflüchtlingskonferenz in Hamburg.

„How Women-Only Comedy Spaces Break Up the Boys‘ Club“, ist auf der Website des Bitch-Magazins zu lesen.

Mahriah berichtet auf ihrem Blog von sexistischen Angriffen am Barcamp Graz und sucht nach Handlungsstrategien.

Ich habe für die an.schläge einen Kommentar zur Medienberichterstattung über (sexualisierte) Gewalt geschrieben.

Am 22. Juni findet das 2. FemCamp in Linz statt. Anmeldungen sind ab sofort möglich!

Von einem Regie-Talent

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Bei Filmen bin ich oftmals etwas langsam und entdecke ganz großartige erst Jahre später in Spezial-Videotheken (diese mag ich ganz besonders gerne) oder auf queer-feministischen Blogs. So habe ich auch den Debütfilm von Xavier Dolan: „J’ai tué ma mère“/“I Killed My Mother“, der 2009 veröffentlicht wurde, erst vergangene Woche gesehen. Gerade mal 17 Jahre alt war der Kanadier, als er das Drehbuch geschrieben hat, auch die Regie und die Hauptrolle hat er übernommen.

Das autobiographisch inspirierte Werk erzählt die Geschichte eines 16-jährigen Schülers, den eine Hass-Liebe mit seiner Mutter verbindet. Mit seinem Klassenkollegen Antonin führt er eine glückliche Beziehung, während die gemeinsamen Abende mit seiner Mutter regelmäßig in (großartige!) Schreiduelle ausarten. Obwohl die Mutter (Anne Dorval) zum Teil als biedere, verständnislose und aufbrausende „Furie“ angelegt ist, spart Dolan stupide Geschlechterstereotype aus. Nebenbei hat er es auch noch geschafft, sehr schöne Sexszenen zu drehen (und die sind in Filmen ja eher selten, oder?).

„Hier ist ein hochintelligenter, sich seiner Mittel sehr bewusster Erzähler am Werk, der die Einflüsse von Francois Truffaut bis Won Kar-wai nicht verbirgt, sondern sie geschickt in diesen ganz und gar erstaunlichen Erstling einarbeitet und dabei eine eigene, ausgesprochen jugendliche Filmsprache entwickelt. Das ist erfrischend und anrührend zugleich, energiegeladen und melancholisch“, schreibt die Zeit.

Am 21. Juni startet der dritte Film von Dolan in den österreichischen Kinos, den ich diesmal nicht verpassen werde: „Laurence Anyways“ erzählt von einem Lehrer in einer Hetero-Beziehung, der eine Frau werden möchte. Und da wäre auch noch sein zweiter Film, den ich mir demnächst ansehen werde: „Les Amours Imaginaires“.

Die Verantwortung der Zuschauer_innen

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Ein Interview mit Jackson Katz zu Männlichkeiten in der Politik  gab es auf der Denkwerkstatt bereits an anderer Stelle zu sehen. In diesem sehenswerten TED-Talk erklärt der US-amerikanische Männlichkeitsforscher und antisexistische Aktivist auf sehr anschauliche und einfache Weise, welche Rolle Sprache bei sexualisierter Gewalt spielt und wie mithilfe des „bystander approach“ der sexistische/heterosexistische/rassistische Konsens durchbrochen werden kann. (via)

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