Neue Debatten um den Schwangerschaftsabbruch

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Am 22. Oktober hätte im EU-Parlament über den „Estrela-Bericht“ zu Sexual and Reproductive Health and Rights abgestimmt werden sollen. Er kritisiert unter anderem, dass es für Frauen* in vielen EU-Mitgliedstaaten keinen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gibt und fordert die Staaten auf, den Schwangerschaftsabbruch zu legalisieren. Der Bericht fand im Frauenausschuss eine breite Mehrheit, wurde jedoch am 22. Oktober wieder in den Ausschuss zurückgeschickt, weil Rechte und Konservative dagegen mobil gemacht hatten und die Abstimmung störten. Einen Text zu den Ereignissen gibt es bei der österreichischen Abgeordneten Ulrike Lunacek (in den Medien gab es abgesehen von erzkatholischen Portalen leider wenig darüber zu lesen).

Europaweites Lobbying gibt es auch an anderer Stelle: Die Initiative „One of us“ hat über eine Million Unterschriften gesammelt und tritt für den „Schutz des Lebens von Anfang an“ ein (Details zu dieser Kampagne könnt ihr im ausführlichen Artikel zum Thema auf diestandard.at nachlesen).

Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht!

Gerade in Hinblick auf die Europawahl 2014 und den prognostizierten Zuwachs rechter Parteien in einzelnen Ländern (trotz insgesamt anderer Prognose) könnte der Schwangerschaftsabbruch also wieder zum zentralen Thema werden. Allen, die sich diesbezüglich informieren möchten, sei die Gruppe „Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht“ empfohlen, die unter anderem von der Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik gegründet wurde, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema auseinandersetzt.

Einen tollen Dokumentarfilm über die Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich hat die Journalistin Susanne Riegler gemacht: „Der lange Arm der Kaiserin„. Hier einige Infos zum Abbruch in Österreich im Überblick:

Schwangerschaftsabbruch in Österreich 

Der Schwangerschaftsabbruch war in Österreich bis 1975 verboten. Der Paragraph 144 des Strafgesetzbuches stellte ihn – und auch den Versuch eines Abbruchs – unter Haftstrafe. Während der NS-Zeit wurde Abtreibung mit dem Tod bestraft, mit dem Beginn der Zweiten Republik wurde der aus der Zeit Maria Theresias stammende Paragraph wieder eingesetzt.

In den frühen 1970er-Jahren erhob die autonome Frauenbewegung die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs schließlich zu einer ihrer zentralen Forderungen, Unterstützung erhielt sie vor allem von KPÖ-Frauen und Sozialdemokratinnen. Die sozialdemokratische Partei hatte bereits in der Ersten Republik eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze gefordert. Insbesondere Frauen, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten, trugen aufgrund unsachgemäß durchgeführter Schwangerschaftsabbrüche häufig schwere körperliche und psychische Schäden davon – oder bezahlten sogar mit ihrem Leben.

Als die SPÖ 1971 erstmals die absolute Mehrheit im Parlament gewann, legte Justizminister Christian Broda einen Entwurf für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vor. Dieser Entwurf enthielt lediglich eine erweiterte Indikationslösung, also die Möglichkeit des Abbruchs bei bestimmten gegebenen Umständen. Unter anderem auf Druck der Frauenorganisation der Partei änderte Broda jedoch seine Position, die BefürworterInnen der sogenannten „Fristenlösung“, die den Schwangerschaftsabbruch innerhalb einer bestimmten Frist erlaubt, setzten sich durch.

„Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“ und „Mein Bauch gehört mir“ war auf Transparenten von Aktivistinnen der Frauenbewegung(en) zu lesen, die zu dieser Zeit für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper kämpften und vermeintlich private Themen in den öffentlichen Raum trugen.

Die Bewegung(en) in Österreich erhielten Rückenwind durch eine Aktion in Frankreich, die Alice Schwarzer später im „Stern“ nach französischem Vorbild wiederholte. Im „Le manifeste des 343 salopes“ in der Zeitschrift „Le Novel Observateur“ bekannten sich 343 Französinnen dazu, abgetrieben zu haben – unter ihnen waren Simone de Beauvoir, Catherine Deneuve und Jeanne Moreau.

Bei einer aufsehenerregenden Demonstration auf der Wiener Mariahilfer Straße im Winter 1972, die von der AUF (Aktion Unabhängiger Frauen) und dem „Aktionskomitee zur Abschaffung des § 144“ organisiert worden war, ließ sich die Aktionskünstlerin Erika Mis in einem Käfig, begleitet von Richter, Arzt und Priester, durch die Einkaufsstraße ziehen.

Konservative Kreise, allen voran die katholische Kirche, stellten sich gegen die geplante Gesetzesänderung, die „Aktion Leben“ organisierte ebenfalls Protestaktionen und 1975 schließlich ein Volksbegehren zum „Schutz des menschlichen Lebens“, das fast 900.000 Unterschriften erhielt. 1973 wurde die Fristenlösung mit den Stimmen der SPÖ im Parlament beschlossen – ÖVP und FPÖ hatten sich von Beginn an dagegen gestellt –, mit Jahresbeginn 1975 trat sie schließlich in Kraft. Schwangerschaften können seither innerhalb der ersten drei Monate straffrei abgebrochen werden, der Abbruch muss von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden.

Trotz dieses Erfolges sind verschiedene Forderungen der Frauenbewegung(en) heute nach wie vor nicht erfüllt. Der Schwangerschaftsabbruch ist noch immer im Strafgesetz (Paragraph 96, 97 und 98) – und nicht wie etwa in Frankreich im Gesundheitsgesetz – geregelt; da die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, stellt er viele Frauen vor finanzielle Probleme. LeiterInnen öffentlicher Krankenhäuser können zudem entscheiden, ob Schwangerschaftsabbrüche in ihrem Spital durchgeführt werden sollen, auch schreibt das Gesetz nicht vor, welche Ärztinnen und Ärzte einen Abbruch durchführen dürfen. Selbst für GynäkologInnen sind Schwangerschaftsabbrüche kein verpflichtender Teil ihrer Ausbildung.

Feministische Gruppierungen kämpfen daher nach wie vor für eine Verbesserung der Bedingungen in Österreich – die alte Forderung der straffreien Abtreibung auf Krankenschein soll endlich Realität werden.

 

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