Dieser Artikel ist bereits in der März-Ausgabe der an.schläge erschienen.
Bettina Haidinger und Käthe Knittler verknüpfen in ihrem Einführungsband in die feministische Ökonomie ökonomisches Basiswissen mit emanzipatorischen politischen Forderungen.
Auf dem „wirtschaftspolitischen Datenblatt“, das auf der Website des österreichischen Wirtschaftsministeriums heruntergeladen werden kann, reihen sich Zahlenkolonnen und Kurven feinsäuberlich aneinander. Investitionsbestände und Abgabenquoten können dort nachgelesen werden, Wirtschaftspolitik lässt sich in Formeln fassen, so der Eindruck. Ökonomie als Formalwissenschaft, die sich komplexer mathematischer und statistischer Methoden bedient, ist jedoch eine historisch junge Erscheinung: Im Zuge der Ablösung der Klassik durch die Neoklassik gegen Ende des 19. Jahrhunderts trat der „homo oeconomicus“ auf die Bühne: das rationale, unabhängige und geschichtslose Individuum, stets darauf bedacht, seinen Nutzen zu maximieren.
It’s all about the money. Welche Folgen dieser Wandel nach sich zog, skizzieren Bettina Haidinger und Käthe Knittler in ihrer Einführung in die Entwicklung und Strategien der feministischen Ökonomie. In neun thematisch gegliederten Kapiteln zeichnen sie kontroverse (innerfeministische) Debatten um ausgeblendete Macht- und Ausbeutungsstrukturen nach. Denn die systemerhaltende unbezahlte Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird, findet meist keinen Eingang in wirtschaftliche Kennzahlen, in den Mainstream der Volkswirtschaftslehre. Diesem Umstand setzen feministische Ökonominnen seit vielen Jahrzehnten (mehr oder weniger erfolgreich) Initiativen entgegen, um die „blinden Flecken“ der Ökonomie aufzudecken und sich gegen die Trennung in Markt und Privathaushalt zu stellen. Am Beginn ihres Buches widmen die Autorinnen Pionierinnen der Ökonomie ein Kapitel, so etwa Harriet Taylor Mill und der Österreicherin Käthe Leichter, die bereits in den 1930er Jahren Reproduktionsarbeit und Freizeit – und nicht nur Lohnarbeit – in ihren empirischen Studien berücksichtigte.
X mal 100 = Ausbeutung. Mittlerweile – wenn auch nicht in allen Bereichen – gibt es differenzierte Statistiken zur Lohnschere, Zeitbudgetstudien und andere Untersuchungen, die Diskriminierungen sichtbar machen und damit die notwendige quantitative Basis für die Arbeit feministischer/kritischer Ökonom_innen. Doch das umfangreiche Zahlenmaterial ist ambivalent zu sehen, wie Haidinger und Knittler schildern. Nicht nur wird in (durchaus sinnvollen) statistischen Erhebungen entlang der Kategorisierung in Männer und Frauen Zweigeschlechtlichkeit reproduziert und einzementiert, auch werden komplexe Macht- und Abhängigkeitsstrukturen vielfach nicht erfasst bzw. weiter erforscht. „Das Patriarchat ist keine auf Zahlen basierende Formel“, bringen es die Autorinnen auf den Punkt. Auch die Debatte rund um Care-Ökonomie und den Care-Begriff und die Haushaltsarbeitsdebatte der 70er-Jahre zeichnen Haidinger und Knittler ausführlich nach, im Kapitel „Makroökonomie und Geschlechterverhältnisse“ werden volkswirtschaftliche Grundbegriffe bzw. -probleme knapp erklärt.
Empört euch! Den Autorinnen gelingt es, mithilfe von inhaltlichen und historischen Querverweisen eindrücklich darzustellen, dass Wirtschaft bzw. Kapitalismus keine ahistorische Gegebenheit, sondern ein von Menschen gestaltetes politisches Feld ist. Und, dass es dringend feministische Aufmerksamkeit für ökonomische Fragestellungen braucht. Schließlich ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die Ökonomie angesichts eines kulturwissenschaftlichen Fokus an den Rand gedrängt worden, auch sind „unheilige Allianzen“ zwischen neoliberalen und feministischen Ideen auszumachen. Im modernen Kapitalismus werden Frauen im Namen der Gleichstellungspolitik – egal unter welchen Bedingungen – für den Arbeitsmarkt verfügbar gemacht und im Bereich der Reproduktionsarbeit neue globale Ungleichheitsachsen verfestigt. Die Erwerbsarbeit hat nicht die erhoffte Befreiung gebracht: Frauen, Migrant_innen arbeiten dort, wo besonders niedrige Löhne gezahlt und prekarisierte Bedingungen vorzufinden sind. Zeit, konkrete Utopien zu entwerfen – bei Haidinger und Knittler sind sie postpatriarchal und postkapitalistisch.
Bettina Heidinger und Käthe Knittler: Feministische Ökonomie, Mandelbaum Verlag 2013