Dieser Artikel ist im Juni in den an.schlägen erschienen.
Gemeindepolitik folgt ihren eigenen Regeln – Frauen haben darin kaum Platz. Das muss sich nicht nur in Österreich ändern.
Die Frau des Bürgermeisters war letzten Donnerstag alleine beim Heurigen und sichtlich betrunken, berichtet Frau S. Richtig zur Tür hinaus gewankt sei sie, ergänzt Herr S., während er Zucker in seine Tasse löffelt. Ganz grundsätzlich könne man aber gegen den Bürgermeister nichts sagen, sind Frau und Herr S. sich einig, er habe noch immer freundlich gegrüßt und sich bei Dorffesten ausnahmslos anständig verhalten – auch wenn er vielleicht nach der Scheidung die falsche Frau geheiratet habe. Dieses Gespräch beim sonntäglichen Nachmittagskaffee in einer niederösterreichischen Gemeinde mit rund 2.500 EinwohnerInnen hätte auch in Vorarlberg oder in der Oststeiermark stattfinden können. Es macht deutlich, mit welchen Rahmenbedingungen sich RegionalpolitikerInnen auseinandersetzen müssen. Denn die Bürgermeisterin kennen die WählerInnen nicht nur aus Fernsehinterviews und von überlebensgroßen Plakatporträts, sie sind mit ihr in derselben Hauptschulklasse gesessen, haben denselben Hausarzt und gemeinsame Bekannte aus dem Tennisverein – zumindest in kleinen Gemeinden wie in Statzendorf oder Mooskirchen.
Leere Bänke. Zumeist ist es aber nicht die Bürgermeisterin, die sich um die Bauordnung und die Ausstattung der örtlichen Volksschule kümmert, sondern der Bürgermeister. Nicht einmal sieben Prozent der OrtschefInnen sind in Österreich Frauen, die Gemeindepolitik ist – im Gegensatz zur Landes- und Bundesebene, wo deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind – fest in Männerhand. Unter den österreichischen GemeinderätInnen fanden sich 2008/2009 immerhin 14 Prozent Frauen. Im EU-Vergleich liegt Österreich damit klar im untersten Feld, Schweden (31 Prozent) und Lettland (24 Prozent) führten 2014 laut Berechnungen des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen die Statistik bei den Bürgermeisterinnen an. In Deutschland sieht es kaum besser aus, die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin liefert in der 2014 erschienenen Studie „Frauen führen Kommunen“ einen Wert von 9,2 Prozent Bürgermeisterinnen bundesweit. Die mangelnde Präsenz bzw. Beteiligung von Frauen in der Kommunalpolitik wird von vielen Seiten als Problem erkannt: Parteien versuchen sich in speziellen Förderprogrammen, staatliche Institutionen und NGOs geben Studien in Auftrag, um nach Ursachen zu suchen und Handlungsempfehlungen zu entwickeln.