Mich stört seit jeher der Klassismus, der sich durch Diskussionen über die FPÖ und ihre WählerInnen zieht. Ausführlicher habe ich das bereits vor einigen Wochen in einem Kommentar für die an.schläge – als Reaktion auf einen „Profil“-Artikel – dargestellt („Antirassismus, der diskriminiert„).
Auch nach der Bundespräsidentenwahl ging es wieder los mit den hämischen Bemerkungen zum Wahlverhalten nach dem Bildungsgrad: „Dumme“ wählen FPÖ. Wer dieser Meinung ist, spielt nicht „den Rechten in die Hände“, sondern hat einerseits ein klassistisches Weltbild und andererseits vielleicht auch ein schiefes Bild vom Konzept der (Formal-)Bildung. Eine elitäre Schlagseite war „der Linken“ (grobe Verallgemeinerung, ich weiß) – zumindest seit ich politisch aktiv bin – wohl immer schon immanent. In meiner linken/linksliberalen/feministischen Blase gehöre ich als Person, die nicht in einem AkademikerInnen-Haushalt aufgewachsen ist UND keine Eigentumswohnung besitzt, ganz klar einer Minderheit an. Wenn jetzt eben diese Menschen, auf die ein Erbe im sechsstelligen Bereich wartet (Reichtum wird ja vererbt, wie wir wissen), andere Menschen ohne vergleichbares Sozial- und Finanzkapital lächerlich machen, weil sie „Angst haben, dass man ihnen etwas wegnehmen könnte“, ist das mitunter ignorant und zynisch.
Und solche Haltungen spiegeln sich natürlich auch in der politischen Kommunikation wider. Dass GeringverdienerInnen sich von den unterschwellig klassistischen „Bio macht schön“-Sackerln – 250 g Bio-Tomaten für 3,99 Euro – nicht angesprochen fühlen, liegt auf der Hand. (Das soll jetzt keine Pauschal-Abrechnung mit den Grünen sein, es ist nur ein gutes plakatives Beispiel wie ich finde.) Warum wer welche Partei wählt, hängt also wahrscheinlich nicht nur mit dem Parteiprogramm zusammen – wie uns letztendlich die FPÖ gelehrt hat.
Es gibt also gute Gründe, solche Debatten zu hinterfragen und ich freue mich, wenn das auf breiter Basis passiert. Aktuell scheint dies jedoch in eine sehr seltsame Richtung abzugleiten. Ein Posting des Autors Thomas Glavinic zum Umgang mit FPÖ-AnhängerInnen machte da etwa die Runde und wurde gefeiert. Er schreibt darin: „Leute, die jeden, der sagt, er ist stolz, Österreicher zu sein, mit einem gewissen Recht als schlicht gestrickt bezeichnen, schämen sich plötzlich, Österreicher zu sein. Ja, dann schämt euch doch. Wandert aus! Das hilft bestimmt weiter. Hauptsache, man gehört zu den Guten. Wieso mit diesen Bösewichten reden? Wieso ihre Ängste einmal ernst nehmen?“ Dieses Statement vermischt sich mit unzähligen Kommentaren, was nun alles vor der Stichwahl den Rechten in die Hände spielen würde: Demonstrationen, Antifaschismus, Lagerwahlkampf und überhaupt jegliche „Anti-„Haltung. Heraus kommt (zumindest in meiner virtuellen Blase) ein Schimpfen auf die Gutmenschen und ihre Moral, auf die politische Korrektheit und linke Krawallmacher, die die Heimat Österreich verunglimpfen. Klar politisch Haltung zu zeigen, für den Schutz der Menschenrechte (inkl. Asyl), gegen Sexismus, Rassismus und Homophobie einzutreten, hat allerdings so gar nichts mit „moralischer Selbstüberhöhung“ und Selbstgefälligkeit zu tun, sondern ist vor allem angesichts politischer Entwicklungen in den Nachbarländern wichtiger denn je. Wenn ich die Angst vor „Überfremdung“, vor Gewalt oder Arbeitplatzverlust wirklich ernst nehme, liefere ich auch (Gegen-)Argumente und mache meinen Standpunkt deutlich. Den Rechten spielt nämlich vor allem eines in die Hände: sie zu wählen.