Was will diese Regierung eigentlich in frauenpolitischer Hinsicht? Schwierig zu sagen. Kanzler Kurz meidet Frauenpolitik und Gleichstellungsfragen so gut es nur geht, selbst die FPÖ, deren Personal jahrzehntelang mit dem Wettern gegen Binnen-I und „Genderwahn“ Karriere machte, scheint vom alleinregierenden Regierungschef zur Zurückhaltung verdonnert worden sein (den PR-Gag von Mario Kunasek mal ausgenommen). Im Regierungsprogramm haben sich die Freiheitlichen mit ihren patriachalen Wunschträumen („Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden“) freilich durchgesetzt, im Vergleich zur antifeministischen Ära auf der Oppositionsbank ist es aber erstaunlich ruhig im rechten Lager.
Ganz anders bei der türkis-blauen Kernkompetenz. In Fragen von Asyl, Migration, Integration und Menschenrechten sind alle Dämme gebrochen. Als Sebastian Kurz vor wenigen Jahren Integrationsmaßnahmen noch für unerlässlich hielt, betonten FPÖ-PolitikerInnen auch im Bierzelt, dass „die gut integrierten und anständigen Ausländer“ in Österreich willkommen seien. Selbst diese Losung ist Geschichte. Die Regierung argumentiert mittlerweile offen rassistisch, bei der Integration wird gekürzt, weil die nicht hierbleiben, sondern abgeschoben werden sollen, wie Identitäre freudig beklatschen. Geschlechterpolitisch wird hier die Kopftuch-Frau bemüht: Ein Kopftuch-Verbot ist laut jüngsten Berichten für die Länder gar Finanzierungs-Bedingung: „ohne Kopftuchverbot kein Bund-Länder-Pakt, ohne Pakt keine Förderungen für die Kinderbetreuung“. Das funktioniert deshalb so gut, weil Kopftuch-Trägerinnen* seit jeher als Projektionsfläche für Menschenfeindlichkeit dienen: Antimuslimischer Rassismus trifft praktisch ausschließlich Frauen, zeigen Studien: Kopftuchtragende Frauen werden in der U-Bahn bespuckt, auf der Straße angepöbelt und in Facebook-Kommentaren beschimpft.
Schalldämpfer
In anderen Bereichen agiert die Regierung zurückhaltender. Frauen – und noch mehr Familien – seien zentrales politisches Anliegen, wird da betont, die frauenpolitische Demontage erfolgt scheibchenweise. Sozialpolitische Einschnitte wie bei der Mindestsicherung treffen Frauen immer härter, medial wird hier ebenso auf die Ausländerkarte gesetzt. Und dass der ungerechte Familienbonus Besserverdienende bevorzugt, hat im wohlhabenden Österreich wenig Skandalisierungspotenzial. Die längst überfällige Ehe für alle wird indes einfach ausgesessen.
Aktuell wird bei den Frauenorganisationen der Rotstift angesetzt, es trifft vor allem jene, die wichtige Arbeit leisten, aber öffentlich wenig bekannt sind: die Frauenhetz und die Frauensolidarität (hier abonnieren!) oder den Klagsverband (der aktuell via Crowdfunding Unterstützer*innen sucht). In Sachen Gewaltschutz betont Ministerin Bogner-Strauß zwar die Bedeutung der Beratungseinrichtungen und Frauenhäuser, wie heute bekannt wurde, hat das Innenministerium aber – trotz steigender Zahl an Feminiziden – bereits ein Projekt gestrichen. Die Kürzungen werden keineswegs als antifeministische Kampfansage inszeniert – anderswo werde viel mehr gespart, sagt Bogner-Strauß, die immer schon mickrigen und noch einmal zusammengekürzten 10,1 Millionen für das Frauenressort seien somit als Erfolg zu werten.
Frauen in den Aufsichtsrat
Dass sich selbst (Rechts-)Konservative nicht mehr gerne offen antifeministisch präsentieren, ist ein Erfolg des liberalen Feminismus (und der Popkultur): Frauennetzwerke existieren heute in Österreich auch in (neo-)liberaler und konservativer Ausführung, die Losung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, Frauenpreise und Karrierenetzwerke sind tatsächlich Mainstream. Mit rechter und konservativer Politik lassen sie sich durchaus zusammendenken: Wer mehr Frauen in Aufsichtsräten fordert, muss sich keineswegs das gute Leben für alle auf die Fahnen schreiben, wer besondere Leistungen von Frauen vor den Vorhang holt, muss nicht zwangsläufig danach fragen, warum unter den Ausgezeichneten so wenige Frauen mit Migrationsgeschichte, Arbeiter*innenkinder oder Frauen mit Behinderung zu finden sind (wenig verwunderlich, dass gerade die Forderung nach der 30-Stunden-Woche des Frauenvolksbegehrens für so viel Aufregung sorgt). Mit Feminismus hat das freilich wenig zu tun. Wirklich feministische Politik darf sich nicht mit einem „Frauen können alles erreichen“ begnügen. Oder anders gesagt: Feminismus, der sich nicht gegen alle Diskriminierungs- und Ausbeutungsformen wendet, bleibt ein elitäres Minderheitenprojekt.
Was da kommen möge
Dementsprechend gilt es auch bei der Scheibchen-Politik der Regierung wachsam zu bleiben. Wie schnell sich der frauenpolitische Wind drehen kann, zeigen verschiedene europäische Staaten in beängstigender Geschwindigkeit vor. Insbesondere die Frage des Schwangerschaftsabbruchs entwickelt sich hier zu einem Gradmesser. Das zentrale, hart erkämpfte Selbstbestimmungsrecht ist plötzlich wieder verhandelbar. „Schwangere Frauen brauchen vor allem in schwierigen Lebenssituationen besondere Unterstützung. Dazu gehört auch die medizinische und soziale Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen“, sagte Bogner-Strauß kürzlich im an.schläge-Interview. PolitikerInnen wie Norbert Hofer und Gudrun Kugler setzen sich in ihren Reihen schon lange für Einschränkungen bei der Fristenregelung ein. Und sie könnten bald jenen Schritt machen, den Sozialdemokrat*innen und Grüne in den vergangenen Jahrzehnten nie gehen wollten: Abtreibung politisch zum Thema zu machen. Eine rechtskonservative Kampagne könnten dann auf fruchtbaren Boden fallen: Dass Abtreibung in Österreich noch immer im Strafgesetzbuch verankert ist und viele Ärzt*innen aus Angst keine Abbrüche durchführen, wissen viele Menschen gar nicht.