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Warum „die Hausverstand“ nichts mit Feminismus zu tun hat

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Immer wieder ist er – Pardon, sie – mir in den vergangenen Wochen begegnet: Der REWE-Konzern hat eine neue Werbekampagne gestartet, „Die Hausverstand“ ersetzt bei Billa nun den einst mänllichen Darsteller.

Ein feministisches Statment? Ähm, nein.

Erst einmal sorgt eine neue Werbelinie für Aufmerksamkeit (wie unter anderem mein Blogeintrag beweist). Und dann wären da noch die KundInnen. Rund zwei Drittel Frauen kaufen bei Billa ein. Trotz steigender Berufstätigkeit (ja, rund 50 Prozent Teilzeit) erledigen Frauen in Österreich nach wie vor den Großteil der Haus-, Pflege- und Erziehungsarbeit. Sie tätigen also auch die regelmäßigen Einkäufe im nächstgelegenen Supermarkt.

„Frauen würden eben eher Attribute wie Nähe, Achtsamkeit, Intuition und Leichtigkeit verkörpern“, sagt das Management. Und abseits dieser Geschlechterstereotype hat die Marktforschungsabteilung vielleicht auch herausgefunden, dass sich immer weniger Kundinnen von einem Mann um die 50 angesprochen fühlen, der ihnen erklärt, was beim Einkauf zu beachten ist.

Klassisches Gender-Marketing also.

Im neuesten Spot erklärt die Hausverstand, dass Frauen heute alles wollen: Erfolg im Beruf, Familie, Zeit für die Freunde. Um das alles in den Griff zu bekommen, eilt Billa zur Hilfe: Lebensmittel können jetzt auch online bestellt werden. Wir sehen: die Botschaft ist dann doch mehr eine reaktionäre als eine feministische. Dass auch der REWE-Konzern auf der Führungsebene männlich dominiert ist, muss da keineswegs als Widerspruch gelesen werden: Wahrscheinlich haben einfach noch nicht genug Frauen herausgefunden, wie die Sache mit der Vereinbarkeit effizient zu regeln ist. Online fürs Abendessen einzukaufen wäre da mal ein erster Schritt.

Play Gender

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Ich habe auf diesem Blog schon lange kein Buch mehr vorgestellt – ein Rezensionsexemplar, das vor Kurzem bei mir gelandet ist, bietet mal wieder die Gelegenheit dazu. Aus Gründen der Transparenz muss gesagt werden, dass die Herausgeberin meine an.schläge-Kollegin Fiona Sara Schmidt ist, dennoch wird meine Besprechung keine gefärbte sein (Meine Voreingenommenheit beschränkt sich darauf, dass ich Sara als eine kluge Journalistin/Literaturwissenschafterin und eine absolute Pop/Kultur-Auskennerin schätze).

„Play Gender“ ist im Sommer beim deutschen Ventil Verlag (Hg. v. Fiona Sara Schmidt, Torsten Nagel und Jonas Engelmann) erschienen, hier ein kleiner Auszug aus dem Pressetext zum Sammelband: „Was passiert, wenn Theorie auf popkulturellen Alltag trifft? Wenn linke Aktivist_innen sich mit Feminismus und Queer Theory auseinandersetzen? Wie können feministische Konzepte in der Praxis genutzt werden – beim Veranstalten von Konzerten, dem Dreh emanzipatorischer Filme, der Organisation von Partys oder im Alltag?
»Play Gender« stellt aktivistische, (queer-)feministische Ansätze und Interventionen im popkulturellen und im politischen Feld vor“.

Das Buch bietet also einen Mix aus ganz unterschiedlichen Texten: mehr und weniger bekannte Musikerinnen berichten in Kurzinterviews über ihr (Arbeits-)Leben und ihre queer-feministischen Positionen, Aktivist_innen reflektieren ihr eigenes politisches Tun, Autor_innen beleuchten Felder der Kulturarbeit und des Zusammenspiels von Theorie und Praxis. (Warum „Feminismus“ und „Linke Praxis“ zwei getrennte Kapitel sind, ist mir nicht ganz klar geworden.)

Ganz grundsätzlich bin ich mittlerweile keine Freundin von Sammelbänden mehr, da sie oft etwas versprechen, das dann nicht eingelöst wird und die Texte kaum in einem Zusammenhang stehen. „Play Gender“ hat mir dennoch viel Freude gemacht: Die Vielfalt der Texte und Zugangsweisen wird auf den ersten Blick deutlich, der transparent gemachte persönliche Zugang der Autor_innen zu ihrem Thema sowie das Einflechten biografischer Bezüge zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Die einzelnen Texte ergänzen sich nicht nur, sie widersprechen sich zum Teil auch – was  die Lektüre noch reizvoller macht.

In Sachen Kulturarbeit liegt der Schwerpunkt klar auf dem Musikbusiness, was meinem persönlichen Interesse durchaus entgegenkommt. Und in kaum einem anderen Feld tut sich wohl eine derartige Widersprüchlichkeit auf, was Geschlechterverhältnisse betrifft: Frauen* dominieren als internationale gefeierte Stars das Pop-Business, zugleich wird ein Mädchen, das zu Schlagzeug oder E-Gitarre greift, noch immer schief angeschaut. „Während meiner musikalischen Laufbahn als Schlagzeugerin haben Tontechniker überrascht reagiert als sich herausstellte, dass ich weder Sängerin noch Keyboarderin, sondern Schlagzeugerin bin“, berichtet beispielsweise Laura Landergott (Ja, Panik).

Die in feministischen Kreisen vermutlich vielen bekannte Sarah Diehl erzählt in ihrem unglaublich spannenden Text von der Geschichte ihres Pro-Choice-Aktivismus und dem Filmemachen und legt dabei offen, wie sie das Ganze (z.B. einen in zwei Ländern gedrehten Dokumentarfilm über den Schwangerschaftsabbruch) überhaupt finanzieren konnte. Meine ehemalige an.schläge-Kollegin und jetzige Missy-Redakteurin Vina Yun bietet ihn ihrem Beitrag „Crying at the Discoteque. Alternativen zum Status quo der Clubkultur“ wie gewohnt eine messerscharfe und kluge Analyse, ein ordentliches Paket an Vorwissen in Sachen Subkultur, elektronischer Musik und Cultural Studies wäre aber ganz nützlich für das Verständnis des Textes (Ich gebe zu, ich bin nicht gerade Expertin in Sachen Pop- und Clubkultur, ich stehe da eher am anderen Ende des Spektrums). Sookee arbeitet sich indes an der „heterosexistischen Kackscheiße im Rap“ ab und bringt auf nur vier Seiten treffend die Problematik rund um die sogenannten „Rüpel-Rapper“ auf den Punkt.

In Sachen Aktivismus finden sich mehrere äußerst lesenswerte Texte im Sammelband, etwa „Slutwalk – keine Angst, keine Schuld, keine Scham“ von Ina Klären und Anne-Carina Lischewski. Politische Projekte zu dokumentieren und rückblickend zu reflektieren finde ich gerade im feministischen Kontext eine ganz zentrale Aufgabe – feministische Geschichtsschreibung lebt mit wenigen Ausnahmen immerhin nach wie vor von ehrenamtlichem Engagement, kleinen Archiven und alternativen Verlagen, Blogger_innen und feministischen Alternativmedien. In „Play Gender“ sind es hauptsächlich in Deutschland verortete Intiativen, die mit einem Beitrag vertreten sind, unter anderem linksradikale Gruppierungen, deren positive Bezugnahme auf militante Aktionen Widerspruch gebraucht hätte. Eine Ausnahme ist das Wiener Kollektiv _tastique, das über ihr „Nach dem Ladyfest“-Festival berichtet. (Übrigens bemerkenswert, dass bei diesem theoretisch gut unterfütterten Projekt Klasse/Klassismus scheinbar überhaupt keine Rolle spielte).

Auch Männerbewegungen sind Teil des Feminismus-Kapitels, Andreas Kemper liefert eine Geschichte der profeministischen Männerbewegung, ein bereits 2010 geführtes Interview mit dem Soziologen Sebastian Scheele ist nach wie vor brandaktuell (und wie ich finde hätte man nicht besser auf die teilweise seltsamen Fragen antworten können). In Sachen Netzfeminismus hätte ich mir mehr erwartet, der einzige (kurze) Beitrag dazu im Buch bietet nur einen sehr allgemein gehaltenen Überblick über Facetten des Themas.

Und dann wäre da noch ein Beitrag zu „(Queer-)Feminismus und Universitätsbetrieb“, auf den ich mich sehr gefreut habe – und der mich leider enttäuscht hat. Als Person, die zunehmend selbst immer größere Probleme mit dem (klassistischen) Uni-Betrieb und seinen spezifischen ungeschriebenen Gesetzen hat (in den Gender Studies schaut das auch nicht wirklich anders aus), bin ich stets auf der Suche nach kritischen Betrachtungen von „innen“. Vojin Saša Vukadinović schießt mit seiner Kritik an den Gender Studies aber weit über das Ziel hinaus und reiht sich fast schon in den Kanon jener ein, die den Gender Studies die Wissenschaftlichkeit gänzlich absprechen.

Zusammengefasst bleibt nur zu sagen: Nehmt das Buch in die Hand!

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PS. Eine gute Alternative zu Amazon ist euer Buchladen um die Ecke, besonders der feministische Buchladen! (Wien: ChickLit)

 

Verlinkt

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„Außen behaart, innen verschlackt“: Die an.schläge im Herbst widmen sich dem Thema weibliche Reinheit.

Auf Diestandard.at habe ich zuletzt über den Marxismus-Feminismus-Kongress, die rechte Angst vor der „Gender-Ideologie“, tolle deutschsprachige Bloggerinnen mit Behinderung und die ägyptische Frauenrechtsaktivistin Mozn Hassan berichtet.

„Eine Verschärfung des Abtreibungsrechts wurde vorerst gestoppt. Aber auch so leiden viele Frauen“ – lesenswerter Text auf Freitag.de.

„Was Hillary Clintons Gesundheitszustand mit deinen Krankentagen zu tun hat“ – äußerst lesenswerter Beitrag von Charlott auf der Mädchenmannschaft.

Protest gegen die österreichische „Notverordnung„: sehenswerter Beitrag auf WienTV.

Für alle mit Netflix-Account: Die DokumentationShe’s Beautiful When She’s Angry“ über die US-amerikanische Frauen*bewegung kann ich euch wärmstens empfehlen.

Zum aktuellen Missy-Magazine durfte ich einen Kommentar zum Thema Hass gegen Politiker*innen beitragen.

Die österreichische Armutskonferenz macht sich gegen die Angriffe auf die Mindestsicherung stark.

Linke Bewegungen wie Podemos und Nuit Debout klingen oft wie Rechtsradikale“, spannendes Interview mit dem französischen Soziologen Didier Eribon in der Zeit.

Das Schweigen beenden

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Dieses Interview habe ich bereits 2014 für die an.schläge geführt. Nachdem meiner Ansicht nach wichtige Gedanken darin enthalten sind, stelle ich es hier online.

Suizid verhindern

Hanna Caspaar vom Verein „Verwaiste Eltern“ im Gespräch über Möglichkeiten und Grenzen der Suizidprävention.

Was versteht man unter Suizidprävention?

Suizidprävention heißt im Grunde, Menschen in Krisen dort abzuholen, wo sie sind. Deshalb hat unser Verein „Verwaiste Eltern“ einen nachgehenden Ansatz, wir machen auch Hausbesuche. Aufsuchende psychosoziale Arbeit wäre in der Suizidprävention allgemein ganz wichtig, wird aber nur in wenigen Ansätzen schon verwirklicht. Das Netzwerk GO ON in der Steiermark – wo es die höchste Suizidrate Österreichs gibt – ist so ein Beispiel. Menschen, die einen Suizid planen, gehen nämlich meistens nicht mehr in eine Beratungsstelle. Am besten funktioniert Suizidprävention, wenn man Peers schult, etwa in den Schulen, die dann besonders aufmerksam sind und denen sich Gefährdete anvertrauen können. Dasselbe wäre im Erwerbsarbeitsleben notwendig, dort haben wir noch viel nachzuholen. Besonders schlecht erreichen wir ältere Männer am Land, wo sehr viele Suizide passieren.  Auch in den Altersheimen ist Suizidprävention noch zu wenig gut ausgebaut. Eine weitere Möglichkeit sind HausärztInnen, hier tut sich in Österreich bezüglich Schulungen schon einiges. Aber die Praxen sind meist voll, es gibt sehr wenig Zeit für längere Gespräche, um Probleme abseits von körperlichen Schmerzen zu erkennen und eine mögliche Krisenintervention einzuleiten.

Wie beurteilen Sie die Infrastruktur des österreichischen Gesundheitssystems – wird genügend Wert auf Suizidprävention gelegt?

Nein, das finde ich absolut nicht. Im Vergleich gibt es mehr Suizidtote als Tote durch Verkehrsunfälle. Und seit Jahrzehnten bemüht sich die Politik Verkehrsunfälle zu verhindern, dafür werden Milliarden ausgegeben – um Suizid zu verringern, um Menschen die Hilfe, die sie brauchen, zukommen zu lassen, nur ein Bruchteil davon. Zudem ist Suizid ein Tabuthema, er wird kollektiv verdrängt – das hat in Österreich eine lange Geschichte. Insgesamt gibt es ein umfassendes Fachwissen bei ExpertInnen, aber es wird noch zu wenig weitergegeben. Es ist ganz wichtig, Fachwissen zu übersetzen, eine Sprache zu finden, in der sich Menschen in der Krise auch wiederfinden. Diese Arbeit machen wir kleineren Initiativen schon jahrzehntelang in begrenztem Ausmaß.

Wie internationale Studien zeigen, ist das Suizidrisiko bei LGBTQ-Personen besonders hoch.

Ja, das ist leider richtig, da diese Bevölkerungsgruppen immer noch diskriminiert werden. Hier tut sich zwar einiges an Öffnung, aber die Diskriminierung wird immer subtiler. Das weitaus höhere Suizidrisiko hat auch mit Normalitätsbegriffen zu tun, mit normativen Rollenzwängen. All das führt zu Identitätskrisen, zu Benachteiligung, zu Isolation, weil man sich nicht öffnen kann – wesentliche Risikofaktoren.

Was kann man tun, wenn man in seinem Umfeld Suizid-Absichten bei einem Menschen vermutet?

Es gibt eine Kurzformel: Zunächst diesen Menschen offen ansprechen, auch wenn er_sie abweisend ist, nicht alleine lassen, Kontakt anbieten und Kontakt halten. Und das möglichst auf eine unaufdringliche, respektierende, liebevolle Art. Es geht darum, zu sagen: Es ist mir wichtig, dass du lebst, lass uns gemeinsam etwas finden, ich begleite dich. Natürlich müssen auch Grenzen akzeptiert werden, es ist oft eine schwierige Gratwanderung. Dann geht es auch darum, professionelle Hilfe zu vermitteln. Für den Notfall gibt es natürlich immer auch Kliniken, nur muss dort eine langfristige Therapie beginnen. Viele Suizide passieren nach der Entlassung. Es ist letztendlich nicht möglich, jeden Suizid zu verhindern, aber Kontakt, Nähe, Halt, Trost sind zentrale Faktoren. „Beende dein Schweigen und nicht dein Leben“ ist einer unserer Slogans. Gerade auch in der Literatur wird Suizid immer wieder als „Freitod“ beschönigt. Wenn ich Machtlosigkeit nicht verarbeiten kann, stelle ich so wieder Autonomie her. Es ist ein Selbstheilungsversuch in der Machtlosigkeit, aber es geht darum, Selbstwirksamkeit im Leben herzustellen – mit der Hilfe von anderen. „Jeder ist seines Glückes Schmied“ ist ein tödlicher Satz.

Link: Verwaiste Eltern

Reverse Racism

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Dieses Video poste ich bei Gelegenheit immer wieder auf Twitter oder Facebook – gerade ist mir aufgefallen, dass es auf meinem Blog fehlt! Deshalb hole ich das jetzt nach: Gibt es Reverse Racism – also umgekehrten Rassismus gegen Weiße? Ja, sagt der australische Comedian Aamer Rahman und bringt es sehr gut auf den Punkt:

Technologie für die Eliten

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Dieses Interview ist in der Ausgabe 3/2016 der an.schläge erschienen.

Brigitte Theißl hat mit der Soziologin Daniela Schuh darüber gesprochen, warum es auch in der Wissenschaft demokratische Mitsprache braucht.

Commons sind in der digitalisierten Wissensgesellschaft ein heißt umkämpftes Thema: Einerseits werden über Creative Commons Inhalte öffentlich geteilt, andererseits kämpfen Interessengruppen für ein rigides Urheberrecht. Wie ist das in der Wissenschaft: Welche Debatten gibt es darüber, wem Forschungsergebnisse „gehören“, die an öffentlich finanzierten Universitäten gewonnen wurden?

Open Access (freier Zugang, Anm. ) ist zu einem brennenden Thema innerhalb der Wissenschaft geworden und es gibt viele Argumente dafür, Forschungsergebnisse im Internet kostenfrei verfügbar zu machen. So könnten wir die Auffindbarkeit wissenschaftlicher Publikationen fördern und die Kommunikation innerhalb verschiedener Disziplinen, aber auch über die Wissenschaft hinaus verbessern. Auch die Kosten, die Universitäten und andere wissenschaftliche Institutionen übernehmen müssen, um Student*innen und Forscher*innen den Zugang zu diversen Fachzeitschriften zu ermöglichen, könnten mit einer offenen Publikationskultur eingespart werden. Nicht zuletzt wird Forschung in weiten Teilen von öffentlichen Geldern finanziert, weshalb sich ein restriktiver Zugang grundsätzlich nicht rechtfertigen lässt.

Leider ist das Publizieren von Open-Access-Artikeln aber oft mit hohen Gebühren verbunden: Beim Springer-Verlag kostet das Publizieren eines Open-Access-Textes etwa 3.000 US-Dollar zuzüglich Steuern – was von den Autor*innen bzw. deren Forschungseinrichtungen bezahlt werden muss. Wie diese Kosten entstehen, ist dabei nicht transparent. Ich begrüße den Schritt hin zu Open Access sehr, denke aber, dass wir uns unbedingt Gedanken über neue Ausschlussmechanismen machen müssen.

Neu entwickelte Technologien haben häufig massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Existiert hier ein demokratischer Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit?

Das ist eine sehr zentrale Fragestellung in der Wissenschafts- und Technikforschung.. Es gibt hier große technologiespezifische Unterschiede. In Österreich existieren im europäischen Vergleich noch wenig Initiativen, um diesen Austausch zu fördern, gerade im Gesundheitsbereich nehmen sie aber zu. Aktuell läuft etwa die Initiative „Reden Sie mit“ des Ludwig-Boltzmann-Instituts, bei der es um mentale Erkrankungen geht. Generell besteht aber die Gefahr, dass ein solcher Austausch einseitig bleibt und es auf einen Informationsfluss von der Wissenschaft an die Öffentlichkeit hinausläuft. Außerdem ist es demokratiepolitisch bedenklich, wenn die Öffentlichkeit erst dann miteinbezogen wird, nachdem Finanzierungsentscheidungen bereits getroffen wurden.

Universitäten werden zunehmend von privaten Geldgeber*innen (teil)finanziert. Wie kann in einem solchen Umfeld sichergestellt werden, dass Forschung öffentlichen Interessen dient?

Die Antwort der privaten Geldgeber*innen würde vermutlich lauten: Hier vollzieht sich eine Selbstregulierung, weil wir darauf achten, was der Markt – und damit die Gesellschaft – braucht. Doch es besteht die Gefahr, dass letztendlich nur die Interessen einer zahlungsfähigen Öffentlichkeit gehört werden bzw. die Wissenschaft nur die Bedürfnisse von ohnehin privilegierten Menschen bedient. Diese Tendenz zeichnet sich längst ab – aber es gibt immer noch Steigerungsstufen.

Die interdisziplinär ausgerichtete Lebenswissenschaft und insbesondere die personalisierte Medizin sind aktuell Bereiche, in die Unternehmen massiv investieren. Welche Gefahren bestehen, wenn medizinische Dienstleistungen zunehmend privatisiert werden? 

Personalisierte Medizin, also das Berücksichtigen individueller Faktoren in Therapien, muss nicht unbedingt mit einer Privatisierung einhergehen, doch es gibt bedenkliche Entwicklungen. Genetisches Screening ist etwa auf dem Vormarsch, während vergleichsweise simple Parameter wie Geschlecht oder Alter bei der Medikamentengabe nach wie vor unberücksichtigt bleiben. Mit diesem Thema sind natürlich auch wissenschaftliche Karrieren verbunden: Eine Publikation zu genetischem Screening kann mitunter weitaus prestigeträchtiger sein als eine zum Thema Altern. Zudem besteht eine weitere massive Diskrepanz: Ausgehend von Entwicklungen hin zu personalisierter Medizin entstehen unterschiedlichste Angebote wie etwa Bio-Banks, die Zellen konservieren und sozusagen eine biologische Lebensversicherung anbieten. Dienstleistungen wie diese werden voraussichtlich nur wenigen Menschen zugutekommen. Die zugrundeliegende Forschung wird hingegen öffentlichen finanziert. Zugleich hat ein Teil der Weltbevölkerung nach wie vor keinen Zugang zu basismedizinischer Versorgung, selbst in Österreich ist Zahnersatz für viele Menschen kaum leistbar. Es stellt sich also die Frage, wofür Ressourcen eingesetzt werden und wer diese Entscheidungen trifft. Die Gefahr auf eine zunehmenden Klassenmedizin hinzusteuern sowie mögliche Auswege müssen transparent gemacht und in einem demokratischen Prozess zur Debatte gestellt werden.

Daniela Schuh ist Universitätsassistentin am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung in Wien.

Die Sache mit der FPÖ

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Mich stört seit jeher der Klassismus, der sich durch Diskussionen über die FPÖ und ihre WählerInnen zieht. Ausführlicher habe ich das bereits vor einigen Wochen in einem Kommentar für die an.schläge – als Reaktion auf einen „Profil“-Artikel – dargestellt („Antirassismus, der diskriminiert„).

Auch nach der Bundespräsidentenwahl ging es wieder los mit den hämischen Bemerkungen zum Wahlverhalten nach dem Bildungsgrad: „Dumme“ wählen FPÖ. Wer dieser Meinung ist, spielt nicht „den Rechten in die Hände“, sondern hat einerseits ein klassistisches Weltbild und andererseits vielleicht auch ein schiefes Bild vom Konzept der (Formal-)Bildung. Eine elitäre Schlagseite war „der Linken“ (grobe Verallgemeinerung, ich weiß) – zumindest seit ich politisch aktiv bin – wohl immer schon immanent. In meiner linken/linksliberalen/feministischen Blase gehöre ich als Person, die nicht in einem AkademikerInnen-Haushalt aufgewachsen ist UND keine Eigentumswohnung besitzt, ganz klar einer Minderheit an. Wenn jetzt eben diese Menschen, auf die ein Erbe im sechsstelligen Bereich wartet (Reichtum wird ja vererbt, wie wir wissen), andere Menschen ohne vergleichbares Sozial- und Finanzkapital lächerlich machen, weil sie „Angst haben, dass man ihnen etwas wegnehmen könnte“, ist das mitunter ignorant und zynisch.

Und solche Haltungen spiegeln sich natürlich auch in der politischen Kommunikation wider. Dass GeringverdienerInnen sich von den unterschwellig klassistischen „Bio macht schön“-Sackerln – 250 g Bio-Tomaten für 3,99 Euro – nicht angesprochen fühlen, liegt auf der Hand. (Das soll jetzt keine Pauschal-Abrechnung mit den Grünen sein, es ist nur ein gutes plakatives Beispiel wie ich finde.) Warum wer welche Partei wählt, hängt also wahrscheinlich nicht nur mit dem Parteiprogramm zusammen – wie uns letztendlich die FPÖ gelehrt hat.

Es gibt also gute Gründe, solche Debatten zu hinterfragen und ich freue mich, wenn das auf breiter Basis passiert. Aktuell scheint dies jedoch in eine sehr seltsame Richtung abzugleiten. Ein Posting des Autors Thomas Glavinic zum Umgang mit FPÖ-AnhängerInnen machte da etwa die Runde und wurde gefeiert. Er schreibt darin: „Leute, die jeden, der sagt, er ist stolz, Österreicher zu sein, mit einem gewissen Recht als schlicht gestrickt bezeichnen, schämen sich plötzlich, Österreicher zu sein. Ja, dann schämt euch doch. Wandert aus! Das hilft bestimmt weiter. Hauptsache, man gehört zu den Guten. Wieso mit diesen Bösewichten reden? Wieso ihre Ängste einmal ernst nehmen?“ Dieses Statement vermischt sich mit unzähligen Kommentaren, was nun alles vor der Stichwahl den Rechten in die Hände spielen würde: Demonstrationen, Antifaschismus, Lagerwahlkampf und überhaupt jegliche „Anti-„Haltung. Heraus kommt (zumindest in meiner virtuellen Blase) ein Schimpfen auf die Gutmenschen und ihre Moral, auf die politische Korrektheit und linke Krawallmacher, die die Heimat Österreich verunglimpfen. Klar politisch Haltung zu zeigen, für den Schutz der Menschenrechte (inkl. Asyl), gegen Sexismus, Rassismus und Homophobie einzutreten, hat allerdings so gar nichts mit „moralischer Selbstüberhöhung“ und Selbstgefälligkeit zu tun, sondern ist vor allem angesichts politischer Entwicklungen in den Nachbarländern wichtiger denn je. Wenn ich die Angst vor „Überfremdung“, vor Gewalt oder Arbeitplatzverlust wirklich ernst nehme, liefere ich auch (Gegen-)Argumente und mache meinen Standpunkt deutlich. Den Rechten spielt nämlich vor allem eines in die Hände: sie zu wählen.

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