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Feministische Klasse

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Diskussionsveranstaltung

20. Jänner 2015, Buchhandlung ChickLit, Kleeblattgasse 7, 1010 Wien

Start: 19 Uhr, anschließend Wein und Brot

Insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise Ende der Nullerjahre beschäftigen sich Feminist_innen wieder vermehrt mit ökonomischen und sozialen Fragen – der Begriff der Klasse ist dabei weitgehend aus den Diskussionen verschwunden, Klassismus als klassenspezifische Diskriminierung, Ausbeutung und Marginalisierung wird im Rahmen von intersektionalen Ansätzen oftmals zu wenig beachtet. Warum ist die Klasse zum feministisch blinden Fleck geworden – und wie kann die Diskussion neu belebt werden?

Es diskutieren Julischka Stengele, Kübra Atasoy und Marty Huber, Moderation: Brigitte Theißl

Eine Veranstaltung des Vereins Genderraum.

Nachgelesen – Klassismus

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Im feministischen Lesekreis beim Verein Genderraum hatten wir diesmal das Thema Klasse/Klassismus gewählt, die vorläufige Leseliste könnt ihr hier ansehen. (Bitte vormerken! Am 20. Jänner um 19 Uhr diskutieren wir im ChickLit!)

Im Einführungsbuch zu Klassismus von Heike Weinbach und Andreas Kemper bin ich auf das 1985 erschienene „Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus“ der niederländischen Autorin Anja Meulenbelt gestoßen – und es hat mich sehr beeindruckt. Als Lehrperson in der Ausbildung von Sozialarbeiter_innen hat sie Aussagen ihrer Studentinnen gesammelt und verknüpft diese Zitate im Buch mit ihren Beobachtungen und Theorien. Den Beruf der Sozialarbeiterin beschreibt sie als – historisch gewachsen – für unterschiedliche Klassen in den Niederlanden akzeptabel – dementsprechend vielfältig setzen sich die Studentinnen bezüglich ihrer sozialen Herkunft zusammen.

Ich möchte hier einige Zitate aus dem Buch bzw. dem Kapitel „Klassismus“ mit euch teilen, vielleicht bekommt ihr ja auch Lust, es zu lesen.

„Das Bedürfnis, der ‚Oberen‘, sich von den ‚Unteren‘ zu unterscheiden, besteht weiterhin, auch wenn es sich um stillschweigende Absprachen handelt, über die man nicht allzuviel reden darf. Selbst wenn Leute aus den höheren Klassen ständig betonen, dass es doch äußerst wünschenswert sei, wenn ihre – höhere – Kultur von den Leuten aus den unteren Schichten geteilt werde. Bram de Swaan bemerkte bereits, dass wir die Van-Gogh-Reproduktionen, die ‚Vier Jahreszeiten‘ von Vivaldi und die Tänzerinnen Degas‘ von dem Moment an, da sie zur Kultur der unteren Schichten gehören, nicht mehr in den Häusern der Wohlhabenden finden. Wir können also von ‚fallenden Kulturgütern‚ sprechen: Sobald die Fonduesets nicht mehr nur in denen feineren Läden zu kaufen sind, sondern auch in den Supermärkten, kehrt sich die höhere Klasse von ihnen ab.“

Verinnerlichte Unterdrückung funktioniert also auf verschiedenen Ebenen. Durch einen Mangel an Selbstwertgefühl und Zukunftserwartungen, aber auch durch den Druck, die eigenen Gruppe nicht im Stich zu lassen. Wer in eine höhere gesellschaftliche Funktion aufsteigt, macht das meist auf Kosten des Gefühls, irgendwo zu Hause zu sein. Der Versuch, die alte Herkunft zu verbergen, wirkt oft entfremdend: Zwischen zwei Kulturen zu sitzen und in beiden nicht zu Hause zu sein.“

„Die Kultur der Schule ist eine Mittelschichtkultur. Die Gewohnheiten stammen aus der Mittelschicht, auch der Sprachgebrauch. Viele Kinder aus den unteren Klassen erleben die erste Konfrontation mit ihr als Kulturschock. Wollen sie es schaffen, dann müssen sie sich anpassen. In dem Maße, in dem Kinder sich stärker der Mittelschichtsumgebung angleichen, werden sie auch weniger stigmatisiert. (…) Die Tatsache, dass Kinder aus den unteren Klassen im Verhältnis gesehen in der Schule schlechter abschneiden, wird oft mit der „Spracharmut“ von Arbeiterkindern erklärt. (…) Eine amerikanische Untersuchung zeigt, dass ein Viertel des Wortschatzes von Arbeiterkindern in den am häufigsten gebrauchten Lehrbüchern nicht vorkommt. Kommt ein Kind mit einer vom Standardniederländischen abweichenden Sprache auf die Schule, dann wird ihm nicht nur ein neuer Sprachgebrauch beigebracht, die alte Sprache wird ihm auch weggenommen, Wörter und Ausdrücke sind plötzlich nicht mehr akzeptabel.“

„Wie sehr Klassenstellung und Geschlecht miteinander verwoben sind, wird deutlich, wenn wir die gesellschaftliche Stellung von Frauen betrachten, die sich nicht an die Norm der heterosexuellen Familie halten. (…) Für Frauen aus der Arbeiterklasse bedeutet ohne einen Mann leben zu wollen die Notwendigkeit, ‚höher‘ aufzusteigen. Von den Berufen, die Frauen aus der Arbeiterklasse offenstehen, ist es kaum möglich, selbständig existieren zu können.“

„Ähnliches findet sich auch in politischen Bewegungen und in Gewerkschaften. Formal wird in fast jeder fortschrittlichen Einrichtung die Ideologie herrschen, dass Menschen prinzipiell gleichwertig sind, also auch Frauen. In der Praxis aber zeigt sich, dass die vertretene Ideologie und die tatsächlichen Handlungen in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Auf der einen Seite können Männer ein objektives Interesse daran haben, dass Frauen die gleichen Löhne erhalten wie sie. Für Ehepaare bedeutet das ein besseres gemeinsames Einkommen, ein breiter verteiltes Risiko und mehr Freiheit auch für ihn. Auf der politischen Ebene würde die Gleichheit bedeuten, dass Frauen nicht mehr als Streikbrecherinnen oder als Puffer eingesetzt werden könnten, um auch Männerlöhne niedrig zu halten. Aber diese objektiven Interessen verschwinden oft zugunsten der subjektiven Interessen der Männer. Der psychologische Vorteil der ständigen Verfügbarkeit und Unterordnung von Frauen, zu Hause wie auch bei der Arbeit, wiegt stärker. (…) Sich als Mann Frauen überlegen fühlen zu können, macht die eigene Unterdrückung erträglicher.“

 

„Von internationaler Solidarit\u00e4t sind wir weit entfernt“

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Dieses Interview ist in der November-Ausgabe der an.schläge erschienen.

Mit dem Übergehen der in den eigenen Parteistatuten verankerten Frauenquote beschwor die SPÖ den Unmut engagierter Feminist*innen herauf. Irmgard Schmidleithner, ehemalige ÖGB-Frauenvorsitzende, spricht im Interview über persönliche Enttäuschungen und politische Leerstellen.

Sie waren bis 1999 ÖGB-Frauenchefin und haben sich seither immer wieder kritisch zu frauenpolitischen Fragen zu Wort gemeldet. Hat Sie das Vorgehen der SPÖ bei der Nachbesetzung, bei der Sonja Ablinger trotz Frauenquote übergangen wurde, überrascht?

Nein, aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit der Partei, der ich seit fünfzig Jahren angehöre, habe ich diese Vorgangsweise befürchtet. Daher habe ich vor der entsprechenden Sitzung zwei E-Mails an den Landesparteivorsitzenden und die beiden Landesgeschäftsführer geschickt, in denen ich auf den entsprechenden Paragrafen hingewiesen habe. Beide Mails blieben unbeantwortet.

In einem Kommentar auf der Website von Sonja Ablinger kündigen Sie persönliche Protestmaßnahmen an und sprechen von notwendigen konsequenten Maßnahmen. Sind die SPÖ-Frauen zu wenig rebellisch?

Persönlich habe ich meine Konsequenzen bereits gezogen und meinen Mitgliedsbeitrag dem Verein „Frauen in Not“ überwiesen. Zu der Frage nach dem Rebellischen: Viele der SPÖ-Frauen sind zu wenig konsequent. Ganz an der Spitze die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Sie hat noch vor der Beschlussfassung eine Mail an den Landesparteivorsitzenden geschickt. In dieser Mail machte sie ihn auf den entsprechenden Paragrafen aufmerksam. Bei der Sitzung des SPÖ-Bundesparteivorstands stimmte jedoch auch sie für Walter Schopf – obwohl sie genau wusste, dass sie damit eine Frauendiskriminierung begeht. Eine Tatsache, die bei ihren Vorgängerinnen unvorstellbar gewesen wäre.

Die Frauenagenden waren zuletzt im Bundeskanzleramt angesiedelt, nun ist Gabriele Heinisch-Hosek Bildungsministerin. Bleibt da noch genug Zeit für Frauenpolitik?

Johanna Dohnal hat sich immer geweigert, eine zusätzliche Aufgabe zur Frauenpolitik anzunehmen. Sie war einfach der Meinung, dass jedes weitere Angebot nur dazu führen würde, keine oder nur wenig – zu wenig – Zeit für die Durchsetzung von Fraueninteressen zu haben. Und meiner Meinung nach hat sie damit auch Recht gehabt, wie die derzeitige Situation zeigt. Gerade der Bildungsbereich ist so umfassend, dass auch bei bestem Bemühen die Frauen auf der Strecke bleiben.

Frauenpolitische Themen stehen derzeit bei keiner im Parlament vertretenen Partei hoch im Kurs. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Es gibt, wie Sie in Ihrer Frage schon formulieren, nicht das Frauenproblem bzw. die Frauenforderung, sondern die unterschiedlichsten Probleme. Das sind zunehmender Arbeitsdruck, Angst um den Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, immer weniger leistbare Wohnungen, zunehmende Armut und vieles mehr. Viele von den Betroffenen haben weder den Mut noch die Zeit, ihre Anliegen zu formulieren und die politische Umsetzung der daraus entstehenden Forderungen zu verlangen. Dies alles wäre auch im Besonderen der Aufgabenbereich der Frauenministerin – nicht umsonst haben Frauen lange dafür gekämpft, dass aus dem Frauenstaatssekretariat ein Ministerium wird. Gerade die Erfahrungen in den letzten Wochen haben mir gezeigt, dass der Feminismus in den Parteien weitgehend tot ist. Es gibt noch ein paar Feministinnen, doch damit hat es sich. Deshalb habe ich keine Hoffnung, dass es hier entsprechende Maßnahmen geben wird. Es wird so wie Ende der 1960er-, Anfang der 70er-Jahre wieder einer autonomen Frauenbewegung bedürfen, um gravierende Bewusstseinsarbeit und ein Wiederbeleben zu erreichen.

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Protestaktion vor dem Burgtheater – Foto: Bettina Frenzel

Im Parteiprogramm der SPÖ finden sich nach wie vor sozialistische Ideale wie der Wunsch nach einer „Gesellschaft ohne Privilegien und Herrschaftsverhältnisse“, beim Maiaufmarsch wird noch immer die „Internationale“ gesungen. Die letzten beiden sozialdemokratischen Kanzler haben hingegen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt für den VW-Konzern gearbeitet (Klima) und waren als Berater für die Banken- und Immobilienbranche tätig (Gusenbauer). Wie glaubwürdig ist die SPÖ noch als Partei der ArbeiterInnenklasse?

Männer wie Klima und Gusenbauer (wobei ich von ihm besonders enttäuscht bin) verursachen natürlich Verärgerung und Enttäuschung bei sozialdemokratischen WählerInnen. Doch wenn die Sozialdemokratie ihre Werte auch entsprechend lebt, sinkt wegen zwei Personen die Glaubwürdigkeit nicht. Diese Werte sind für mich unter anderem Solidarität mit den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Das heißt Abbau von Armut, Schaffung von sozialem Wohnraum, Absicherung von prekären Arbeitsverhältnissen (wenn es schon nicht mehr gelingt sie zu verhindern) und vieles mehr. Ich will damit nicht sagen, dass nichts geschieht. Aber es ist zu wenig, bzw. bekämpfen manche in dieser Sozialdemokratie nicht die Armut, sondern die Armen – wenn ich etwa an das Bettlergesetz in Oberösterreich denke. Leider sind es nicht nur der Bundesparteivorsitzende, sondern auch viele Spitzenfunktionäre, die sich besonders an der Meinung der kleinformatigen Tageszeitungen orientieren. Und das Ergebnis dieses Meinungsbildes ist nicht nur seh-, sondern auch spürbar. Leider zu Ungunsten der sozial Schwächeren. Von internationaler Solidarität sind wir da überhaupt weit entfernt.

Frauenpolitikerinnen beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit denselben Themen. Sie haben 1980 begonnen, für den ÖGB zu arbeiten. In welchen Bereichen sind rückblickend die größten Erfolge zu verbuchen?

Als Gewerkschaftspolitikerin möchte ich noch ein weiteres Jahr zurückgehen. Ich war Lohnbuchhalterin und habe so Monat für Monat gesehen, um wie viel Frauen bei gleicher Arbeit und gleicher Einstufung weniger verdienten. Es gab nämlich in den Kollektivverträgen nochmals die Unterteilung in Frauen und Männerlöhne. Hier liegt auch eine Ursache, warum es noch immer die sogenannte Lohnschere gibt. Ich habe mich schon damals als Betriebsrätin bei Gewerkschaftskonferenzen gegen diese Diskriminierung gewehrt und eine gesetzliche Änderung verlangt bzw. entsprechende Anträge unterstützt. Erst als am 1. Juni 1979 das Gleichbehandlungsgesetz in Kraft trat, verschwand diese Ungleichbehandlung aus den Kollektivverträgen. Zehn Jahre später folgte die Einführung des Elternkarenzurlaubes und somit die gesetzliche Möglichkeit zur Väterkarenz.

1990 wurde dann in einer Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes festgestellt, dass das unterschiedliche Pensionsalter von Männern und Frauen verfassungswidrig ist. Allerdings wurde auch festgehalten, dass eine (Gesetzes-)Änderung nur längerfristig erfolgen kann und dass entsprechende Gleichstellungsmaßnahmen zu treffen sind. Daraufhin wurde in Zusammenarbeit von ÖGB-Frauen und Frauenministerin Dohnal ein entsprechendes Forderungspaket erstellt, wovon dann Verbesserungen (Gleichbehandlungs-, Mutterschutz-, Arbeitszeitgesetz, Pflegefreistellung) bzw. neue gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel sozialrechtliche Absicherung der geringfügig Beschäftigten sowie deren Gleichstellung im Arbeitsrecht erreicht wurden.

Eine aktuelle Umfrage sieht SPÖ, ÖVP und FPÖ gleichauf bei jeweils 25 bzw. 26 Prozent. Was bräuchte die SPÖ Ihrer Meinung nach, um aus dem Tief zu kommen?

Die SPÖ müsste ganz einfach das leben, was im Parteiprogramm steht.

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In der neuen Ausgabe der an.schläge haben wir ein schwieriges Thema bearbeitet: Suizid und Geschlecht. Ein spannendes Interview mit Eva Eichinger gibt es online zu lesen, für den Rest zahlt sich kaufen oder abonnieren aus. Ich habe in dieser Ausgabe außerdem Ex-ÖGB-Frauenvorsitzende Irmgard Schmidleithner zur SPÖ-Frauenpolitik interviewt.

Auf Migrazine.at gibt es im Rahmen des Klassismus-Schwerpunkt gemeinsam mit den an.schlägen einige lesenswerte Artikel, die nicht in den an.schlägen erschienen sind, z.B. ein Interview mit den LesMigraS und einen Text über die Hauptschule als Ort der Verachtung.

Die „Feministischen Studien“ haben ab sofort ein eigenes Blog! Ich habe mich noch nicht eingelesen – aber meine Erwartungen sind bereits hoch.

Für alle Leser_innen in Deutschland: Magda von der Mädchenmannschaft reist mit dem Vortrag „Mein Fett ist Politisch“ und einem Fat Empowerment Workshop durch mehrere Städte. Die Termine findet ihr hier.

Am 22. November findet die dritte Frauenenquete der Plattform 20000frauen gemeinsam mit der Frauenministerin statt. Diesmal nennt sie sich „Frauen.Bilden.Kritik“ und widmet sich der feministischen Bildung. Schnell anmelden, die Plätze sind beschränkt!

Ab 7. November startet in der Wiener Frauenhetz eine Vortragsreihe gemeinsam mit dem Verein österr. Juristinnen unter dem Titel „Frauen – Recht – Gerechtigkeit„, unter anderem wird Elisabeth Holzleithner zum Thema „Recht queer? Juristische Geschlechterdiskurse zwischen Normalisierung und Subversion“ sprechen, am 27. November ist Ute Gerhard zu Gast.

Der Österreichische Frauenring hat eine neu gestaltete Website – im Veranstaltungskalender sind viele interessante Veranstaltungen in ganz Österreich zu finden!

Berivan Aslan, Frauensprecherin der Grünen, hat kurdische Gebiete an der Grenze zu Syrien besucht. Laufend Neuigkeiten gibt es auf ihrem Twitter-Account.

Frauen- und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek macht sich für eine Neugestaltung der Sexualerziehung stark.

Alleinerziehende Mütter sind in Österreich besonders armutsgefährdet. Das ist lange bekannt, die politischen Konzepte – oder viel mehr Taten – fehlen leider nach wie vor. Auch in Deutschland sind laut aktueller Statistik Frauen, Alleinerziehende, Alleinlebende und Arbeitslose besonders armutsgefährdet.

30 Jahre an.schläge – Party!

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Die an.schläge sind 30 Jahre alt. Und nachdem die an.schläge das einzige deutschsprachige feministische Monatsmagazin sind, ist das eine großartige Leistung. Also muss gefeiert werden! Lesung und Party:

8. November, ab 20 Uhr
brut im Künstlerhaus/Foyer/Bar
30 Jahre an.schläge – 3 Jahre Club FIORUCCI
PARTY LIKE IT’S 1983!

Das feministische Magazin an.schläge und die Partyreihe Club Fiorucci feiern gemeinsam Geburtstag und lassen es krachen!

In Kooperation mit dem Freischwimmer Festival lesen ab 20 Uhr Redakteurinnen und Friends passend zum thematischen Festivalschwerpunkt INTIM private, politische und pikante Artikel und Kolumnen aus den an.schlägen. An diesem Abend kann man mit den Macherinnen ins Gespräch kommen und alte und neue FreundInnen treffen.

Es lesen: Denice Bourbon, Sonja Eismann, Ina Freudenschuß, Nadine Kegele, Mieze Medusa, Squalloscope, Claudia Unterweger und Helen Zangerle.

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Rotherham

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Im aktuellen „Spiegel“ ist ein ausführlicher Bericht (der mich zu weiteren Recherchen motivierte) aus Rotherham zu lesen, jener Stadt im Norden Englands, in der eine unglaubliche Häufung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder (großteils Mädchen) aufgedeckt wurde. Zwischen 1997 und 2013 wurden mindestens 1.400 Kinder und Jugendliche jahrelang ausgebeutet und gehandelt, vergewaltigt und erpresst. Die Schilderungen der einzelnen Fälle und das Versagen der Behörden treiben einem Tränen der Wut in die Augen.

In den Medien (vor allem den deutschsprachigen) wurde der Fall vor wenigen Wochen häufig auf einen Umstand reduziert: Behörden hätten von den Verbrechen gewusst und sie aus Gründen der political correctness vertuscht. Da es sich bei den Tätern großteils um pakistanische Migranten handelte, wäre die Angst zu groß gewesen, als Rassist_in zu gelten. „Wenn politische Korrektheit Missbrauch ermöglicht„, titelt etwa der Focus online, „Rotherham: Angst vor Rassismusvorwürfen ermöglichte Missbrauch„, schreibt auch der Standard. Wäre organisierte sexualisierte Gewalt für die Täter tatsächlich aus Angst vor Rassismusvorwürfen folgenlos geblieben, so würde diese Perversion von political correctness wohl zu Recht für Fassungslosigkeit in allen Reihen sorgen.

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Verkürzung jedoch – wenig überraschend – als falsch. Alexis Jay, Universitätsprofessorin und frühere Sozialarbeiterin, hat im Auftrag der Bezirksverwaltung Rotherham einen unabhängigen Bericht erstellt und dafür Ermittlungsakten und Berichte analysiert und unzählige Interviews mit Involvierten geführt (er steht hier zum Download). Der Bericht macht auf 159 Seiten klar, dass nicht political correctness für das Versagen der Behörden verantwortlich ist, es sind vielmehr die sexistischen, frauenverachtenden und klassistischen Strukturen, gesellschaftliche Bedingungen, die mit dem Begriff der rape culture beschrieben werden.

Eine Analyse der vielen Fälle zeigt, dass die Täter gezielt Beziehungen zu 11- bis 14-jährigen Mädchen aufbauten, viele von ihnen hatten bereits Gewalterfahrungen in der Familie und/oder wurden in sozialen Einrichtungen betreut, es waren oftmals Kinder aus Working-Class-Familien. „Die Beamten hörten die Kinder selten an und stellten, statt zu ermitteln, die Glaubwürdigkeit der Opfer infrage. (…) Da war die Haltung von Polizisten bis hinauf in die Führung: Kindesmissbrauch sei ein Problem des Pöbels, das sich nie lösen lasse“, ist im Spiegel zu lesen.

Im Oktober 2013 verfasste der zuständige Staatsanwalt ein Rundschreiben an die ermittelnden Behörden, in denen falsche Mythen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt erklärt werden. „The victim invited sex by the way they dressed or acted“, „The victim used alcohol or drugs and was therefore sexually available“ und „The victim is in a relationship with the alleged offender and is therefore a willing partner“, ist da zu lesen. Alexis Jay schreibt dazu im Bericht: „All of the above elements have been referred to at some point in historic files we read, usually as reasons given by the Police or the CPS for not pursuing suspected perpetrators.“

Es sind Fälle, in denen die Polizei eine 12-Jährige festnahm, weil sie betrunken war, ihr Vergewaltiger wurde nicht belangt. Hinweise von besorgten Eltern wurden ignoriert, viele Opfer schwiegen aus Scham und Angst. In einigen Fällen wurden Behörden erst bei wiederholten Selbstmordversuchen aktiv. Einzig die Organisation „Risky Business“ wird vielfach positiv hervorgehoben, der Jugendhilfeverein versucht seit den 1990er-Jahren, Kinder und Jugendliche über sexuelle Ausbeutung und mögliche Handlungsstrategien aufzuklären.

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Gockelhafte Welt

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Dieser Text ist in der Juni-Ausgabe der an.schläge erschienen.

Susanne Riegler ist eine der wenigen Aufdeckungsjournalistinnen in Österreich. Ein Porträt.

In den 1980er-Jahren war Österreich noch etwas enger als heute. Provinzieller, kleinbürgerlicher – und vor allem patriarchaler. Wenngleich Johanna Dohnal gemeinsam mit der sozialistischen Regierung Kreisky bereits eine frauenpolitische Wende eingeläutet hatte, wurde das Land immer noch von alten, mächtigen Männern regiert. Im Burgenland war es Landeshauptmann Theodor Kery, der von 1966 bis 1987 – länger als jeder andere – ein Bundesland mit absoluter Mehrheit regierte. Ähnlich wie Reformkanzler Bruno Kreisky stand er für Modernisierung und Aufschwung. Doch ganz im Gegensatz zum Kanzler frönte er eigenwilligen Leidenschaften: In seinem Haus lagerten rund vierzig Waffen: Pistolen und sogar Maschinengewehre. Kery, einst NSDAP-Mitglied, verband zudem eine Freundschaft mit Tobias Portschy, Nationalsozialist und ehemaliger Gauleiter. „Das muss man sich einmal vorstellen“, sagt Susanne Riegler, die den Waffenbesitz aufdeckte. „Ein sozialistischer Landeshauptmann trifft sich regelmäßig mit dem ehemaligen Gauleiter in dessen Wirtshaus, und alle wissen das“, erinnert sich Riegler im Gespräch.

Die damalige Jungjournalistin arbeitete zu dieser Zeit als Freie für das monatlich erscheinende Fellner-Magazin „Basta“, angetrieben vom Wunsch, soziale Missstände aufzudecken. Ihre ersten Texte hatte sie beim 1982 eingestellten „Extrablatt“ veröffentlicht, eine Art linkes Gegenprojekt zum bürgerlichen Profil, wo auch Elfriede Jelinek und Christoph Ransmayr publizierten. „Während meines Publizistikstudiums bin ich nach Südafrika gereist. Die Eindrücke, die das Apartheitsregime bei mir hinterlassen hat, haben mich so bestürzt, dass ich danach meinte, über solche Missstände informieren und aufklären zu müssen – eigentlich ein sehr naiver Zugang damals“, erzählt Susanne Riegler über den Beginn ihrer Karriere als eine der ersten und sehr wenigen investigativen Journalistinnen Österreichs.

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