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Sex and the City

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Von Verallgemeinerungen kann man/frau durchaus profitieren: Mache ich auf einem Formular bei „Weiblich“ das Kreuz, wird mir vermutlich „soziale Kompetenz“ und Einfühlungsvermögen unterstellt, ohne dass ich derartiges tatsächlich unter Beweis gestellt hätte. In anderen Fällen macht es allerdings weniger Spaß, zur (undifferenzierten) Gruppe der „Frauen“ gezählt zu werden. Zum Beispiel, wenn frau in den vergangenen Tagen ferngesehen hat. „Sex and the City 2“ feierte Premiere und auf nahezu jedem Sender mischten sich Reporter_innen unter das Fanvolk in den Kinosälen. Zu Beginn wurde gleich einmal festgestellt: „Alle Frauen“ haben auf den Film gewartet und wollen so sein wie „Carrie“ oder wie Sarah Jessica Parker oder zumindest ihren „Look“ haben. Das bestätigten diverse Premieren-Besucher_innen, die in die Kamera lächelten und erzählten, dass sie sich einfach in den Darstellerinnen wiederfinden und gerade Geld sparen würden für ein Kleid um 6000 Euro.

Nun, jetzt könnte frau „Sex and the City“ einfach lustig finden und einfach nicht so ernst nehmen (Unterhaltung hat doch seine Berechtigung!), aber angesichts der (in den Medien präsentierten) Fangemeinde bleiben da doch einige Fragezeichen im Raum stehen. Wie haben es die Produzent_innen hinter der Serie bzw. der Filme geschafft, dass Menschen angeben, sich in den inszenierten Charakteren wiederzufinden? Wieviele Frauen gibt es tatsächlich, die sich eine Wohnung in Manhatten und 2000-Dollar-Schuhe leisten können und trotz steiler Karriere über sehr viel Tagesfreizeit verfügen? Oder ist es dieses Gefühl, in einer Louis Vuitton Handtasche die eigene Persönlichkeit zu entdecken? Konsum nicht nur als netten Zeitvertreib, sondern als Religion zu zelebrieren? (Wie oft erstarren die Charaktere doch vor Ehrfurcht vor einem Schrein der Modeindustrie – auch Schaufenster genannt).

Aber vielleicht steckt da ja doch ein guter Gedanke dahinter. Konsum verbindet Völker – Coca-Cola, McDonalds und Chanel haben schließlich weit mehr Grenzen nieder gerissen als irgendwelche internationalen Abkommen. Unter der Burka (oder dem Hijab) tragen arabische Frauen die heißesten Kollektionen der  New York Fashion Week, wird in „Sex and the City 2“ angeblich enthüllt. Stil kann nämlich auch ein unterdrückerischer Staat nicht unterdrücken. Das macht schon Hoffnung, irgendwie. Gespannt warten wir auf „Sex and the City 3“. Vielleicht reisen Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda dann ja nach China und finden heraus, dass die jungen Arbeiterinnen, die die heißbegehrte Markenbekleidung nähen, gar nicht mehr so unglücklich sind, wenn man sie die Fummel nur selbst tragen lässt. Mal ehrlich jetzt – in Fernsehreportagen sieht deren Styling doch so aus, als sei die freie Marktwirtschaft dort noch gar nicht angekommen.

Der Mann, ein hormongesteuertes Tier

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So in etwa lässt sich die Essenz der Profil Cover-Story „Testosteron: Was macht den Mann zum Mann?“ zusammenfassen. Und weil der im Iran geborene Rapper Nazar gleich zuschlägt und dicke Muskeln hat, im Gefängnis war und die „Bewegung im Blut hat“, laufen ihm die Frauen in Scharen hinterher, sagt Profil. Die viele unglaublichen Passagen möchte ich gar nicht alle einzeln kommentieren, aber wer hier die Postings zu „Alles über die Männer“ und „Alles über die Frauen“ und sonstige Einträge, die sich mit Hormonen und der „Wissenschaft“ vom Geschlecht gelesen hat, findet im Profil-Artikel den Beleg, dass sich solche Diskurse über Jahrhunderte und Jahrzehnte fortschreiben und lediglich ihr Gesicht verändern.

Nur eines sei erwähnt: „Diesen kleinen Unterschied wollen Männerforscher wieder stärker betonen, weil er in einer feministisch verblendeten Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund getreten ist. Sie wenden sich gegen Gleichmacherei der Geschlechter und plädieren dafür, dass Buben wieder Buben und Männer wieder Männer sein dürfen.“ Ein wenig Recherche-Arbeit dürfte man/frau sich in einem seriösen Nachrichtenmagazin doch erwarten. Wer wurde hier befragt? Barbara Rosenkranz?

Einen Eintrag dazu gibt es ebenso auf dem Mädchenblog.

Alles über die Männer, Teil 1

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„Es stimmt, daß Zeiten und Sitten sich wandeln; doch die Natur des Menschen ist nicht so wandelbar.“ Nachdem ich Joseph Pecks beeindruckendes Wissen über „die Frauen“ präsentiert habe, soll euch auch die Essenz aus dem Klassiker „Alles über die Männer“ nicht vorenthalten bleiben. Man tausche Passiv gegen Aktiv, und los geht es:

Im Gegensatz zu den Qualen der Geburt in „Alles über die Frauen“ beginnt „Alles über die Männer“ mit der Freude über das wunderbare Geschöpf Junge.
„Jeder Junge braucht einen Vater, von dem er mit Stolz sagen kann: ‚Das ist mein Alter.‘ Er braucht einen Vater, dessen Augen unmerkbar aufleuchten, wenn er nach einem harten Tag von Amt, Büro oder Fabrik heimkehrt und ein winziges Bündel voll Energie ihm entgegenstürzt mit dem Ruf: ‚Hallo Papps!‘.

Der frühe Moment der Erkenntnis: „Irgendwann, im Alter zwischen zwei und drei Jahren, beginnt das Kind nämlich zu begreifen, daß es männlichen Geschlechts ist, und fängt an, Männer als höhere Wesen zu betrachten.“

„Frauen verachten Kinder, die nicht von ihnen abhängig sind; Männer lieben Jungen, weil die freundlichen Erinnerungen an die eigene Jugend unversehens heraufbeschworen werden, sobald ein kleiner Kerl in der Nähe ist.“

„Wenn heute meine Jungen ihre Familie zu unserer kleinen Farm im Waldland herausbringen, pflegen wir Männer, ausgerüstet mit Beil und Säge, die Weiber und Kinder zu verlassen.

Was passiert, wenn der Junge beginnt, mit Mädchen auszugehen? „Nach Mitternacht lehne ich es ab, mir noch Sorgen zu machen – Die kann sich jetzt die Mutter des Mädchens machen.“

„Während Mädchen von Jahr zu Jahr bezaubernder und graziöser werden, wird ein Junge immer tölpelhafter – und er merkt immer mehr, daß er Tölpel ist.“

„… aber gib ihm eine ordentliche Tracht Prügel, wenn er dir nicht offen gehorcht. (…) Ein Junge, der ohne warme Bindung an den Vater aufwachsen muß, ist um sein Geburtsrecht betrogen worden.“

„Natürlich wird ein Junge später im Kreis der Freunde damit prahlen und angeben, wieviele Mädchen er verführt hat – genauso wie Mädchen sich der Liebhaber rühmen, von denen sie sich nicht verführen ließen.“

„Nur wenige Frauen wünschen sich einen Sklaventreiber wie jenen Simon Legree aus Onkel Toms Hütte, aber im Zweifelsfall würden sie ihn irgendeinem milchgesichtigen Waschlappen vorziehen.“

„Er versucht jetzt, jedes Mädchen zu bedrängen, dem er begegnet, immer in der halben Hoffnung, bei seinen amourösen Unternehmungen zurückgewiesen zu werden. Doch nur zu oft wird er nicht zurückgewiesen, und das führt zu erneuter Unzufriedenheit – mit sich und mit den Mädchen, die das Spiel so bereitwillig mitmachten. Seine Ideale sind erschüttert worden, sein Idol liegt im Staub. Doch die Gestalt der Mutter und die Gestalt jener Mädchen, die ihn zurückweisen, leuchten um so heller in dem Schrein seines Herzens.“

Alles über die Frauen, Teil 1

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Am vergangenen Wochende habe ich in der Bibliothek meiner Lieblings-Niederösterreicher_innen gestöbert und kurzerhand sind mir zwei Buchrücken ins Auge gesprungen: „Alles über Frauen“ und „Alles über Männer“ verstaubten da in der obersten Reihe eines Regals. Schon die Titel verhießen mir Schlimmes – aber es sollte noch schlimmer kommen. Weihnachten 1964 hatten sie die Bücher geschenkt bekommen, 1961 wurden sie von einem gewissen Joseph H. Peck, einem amerikanischen Gynäkologen, veröffentlicht. Nachdem dieser Mister Peck einige Jahrzehnte als „Arzt der Frauen“ praktiziert hatte, beschloss er also, sein umfassendes Wissen – da er die Frauen so liebe – der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Schon unglaublich, was so alles (straffrei) publiziert werden durfte und unsere Eltern / Großeltern als heitere Lektüre unter ihrem Weihnachtsbaum fanden. Das Buch ist eine schier unerschöpfliche Quelle von Vorurteilen, Stereotypen und Sexismen, die in den 60er Jahren noch sehr explizit ausformuliert wurden – aber im Grunde (in modifizierter Form) bis heute überlebt haben. Hier einige Auszüge aus „Alles über die Frauen“ (Originaltitel: „Life With Women – And How To Survive It„) – aus den ersten Kapiteln, die das Heranwachsen von Mädchen behandeln:

Um sich der „weiblichen Natur“ anzunähern, schlägt der Gynäkologe eine Entbindungsstation als geeigneten Ort vor, dort, wo sich die Frau „ihrer ureigensten Funktion hingibt“:

„Eine Frau, die diesem Gottgewollten zum erstenmal unterworfen ist und nun, mit tiefer liegendem Kopf, fest angeschnallt auf dem Entbindungstisch liegt, mag sich wohl wie ein Opfer vorkommen, das vom Hohenpriester und seinen Priesterinnen (…) dargebracht werden soll. Aber schon die Bibel sagt: ‚Mit Schmerzen sollst du Kinder gebären.'“

„Sie hat eine rasche Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis und nimmt es in bezug auf Bildungsfähigkeit mit jedem Mann auf. Doch je mehr sie lernt, desto mehr geht von ihren weiblichen Instinkten verloren, und es scheint, daß sie mit jedem Fortschritt in der Bildung auch an Weiblichkeit einbüßt. Die gelehrtesten Frauen sind deshalb oft die armseligsten Mütter.“

„Vom dritten Lebensjahr an bereitet sich das Mädchen auf die Mutterschaft vor, indem es mit Puppen und Puppenhäuschen spielt und die Katze mit ihren Jungen belauscht. Ihres Bruders Interessen um diese Zeit wenden sich möglichst weit von jeder Häuslichkeit ab. Er flitzt auf seinen Schlittschuhen auf dem Teich umher, (…) und wenn er schließlich doch einbricht, dann wahrscheinlich nur, weil ein Mädchen ihn geschubst hat.“

Dann folgen einige Anekdoten zur alt bekannten „Hinterlistigkeit“ der Frauen und er schildert die Geschichte eines 14-jährigen Mädchens, das seinen Eltern erzählte, es sei vergewaltigt worden, obwohl es nur die Zeit vertrödelt hatte und der Bestrafung entgegehen wollte: „Natürlich sind dies reichlich extreme Beispiele von der Heimtücke der Mädchen (…). Auf Grund solch alberner Anschuldigungen sind schon Männer ins Gefängnis gewandert.“

„Wenn ihr liebes Töchterlein in den männlichen Sportarten allzu tüchtig ist, mag Ihnen, lieber Leser, sogleich der alte Reim in den Sinn kommen: ‚Mädchen, die pfeifen, und Hühern, die krähen, soll man beizeiten den Hals umdrehen‚. Lenken Sie deshalb ihre Aufmerksamkeit schleunigst auf Puppen und Puppenstuben, dann wird sie, indem sie der Mami zusieht, mit der Zeit dahinterkommen, daß ihre Rolle restlosen Einsatz erfordert.“

Mädchen wollen möglichst schnell erwachsen werden, schreibt der Autor weiter, doch so mancher Ehemann werde sich nach den Kindestagen der Frau sehnen, denn, im Gedanken: „damit ich sie verprügeln kann, bis sie mir die Wahrheit gesteht – und ohne daß mich anderntags gleich ihr Scheidungsanwalt anruft!“

Was passiert mit den herangereiften Mädchen, die keinen Ehemann finden? „Infolgedessen gibt es eine Menge später Mädchen und energisch berufstätiger Frauen, die einspännig herumlaufen, sich selber nicht leiden können und mit ihrem unerfüllten Leben die Ärzte plagen.“

Fortsetzung folgt…

Das Match

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Wer jemals  „Die männliche Herrschaft“ von Pierre Bourdieu gelesen hat, dem muss die ORF-Dokusoap „Das Match“ (ORF 1, Dienstags 21.o5 Uhr) wie eine lehrbuchhafte Verfilmung einiger Kapitel des wissenschaftlichen Klassikers erscheinen. Für alle, die das österreichische Sendungsformat nicht kennen: Hans Krankl und Herbert Prohaska trainieren jeweils eine (Fußball-)Mannschaft aus heimischen (mehr oder minder) Prominenten, die schlussendlich gegeneinander und gegen eine deutsche Mannschaft antreten (in der ersten Auflage vor zwei Jahren hat Hans Krankl das noch alleine gemacht).

Da treffen nun also Schlagersänger, Kabarettisten, ORF-Journalisten und Schifahrer aufeinander und werden von den österreichischen Legenden Krankl und Prohaska nach ihren Vorstellungen geformt. Wöchentlich können so die faszinierenden Prinzipien männlicher Vergemeinschaftung auf ORF 1 beobachtet werden. Das beginnt schon bei der Zimmereinteilung – die Hotelzimmer müssen nämlich zu zweit bezogen werden, noch dazu stehen da Doppelbetten. Angesichts dessen packt Promi-Winzer Leo Hillinger sogleich die Bettwäsche seines Zimmergenossens und verfrachtet sie auf die Couch. Mit einem Mann in einem Bett schlafen, das sei ausgeschlossen –  schließlich könne der ja „in der Nacht rübergreifen“. In anderen Zimmern belässt man es bei einigen Scherzen, die die eigene Heterosexulität spielerisch unter Beweis stellen sollen.

Auf dem Fußballplatz geht es dann an die Arbeit, an die „ernsten Spiele“, die „sich (…) am besten dazu eignen, die sichtbaren Merkmale der Männlichkeit hervorzubringen und die so genannten männlichen Eigenschaften unter Beweis und auch auf die Probe zu stellen.“ Hans Krankl bevorzugt  den militärischen Stil und lässt seine Schützlinge ohne Pause rennen und schwitzen – Widerworte strengstens verboten. Das gegnerische Team muss dabei ab sofort zum Feind erklärt werden, auch das getrennte Brüderpaar soll keine Sentimentalitäten mehr zeigen, wenn es um den Wettbewerb geht. Bei Prohaska steht die Technik im Vordergrund, Ballkünstler will er aus den Promis machen. Nach wenigen Minuten drückt dem angehenden Tormann Hillinger allerdings schon der Schuh. „Könnte das einzige Mädchen bitte wieder zurück zur Gruppe kommen?“, ruft Prohaska lautstark über den Platz. Hillinger beklagt seine Schmerzen und verliert sogleich seinen Status – ab sofort wird er von Trainer und Kollegen „Leonie“ gerufen. Seine Männlichkeit, die „vor und für die anderen Männer und gegen die Weiblichkeit konstruiert ist“, wird auch angezweifelt, als ihn ein Ball später mit voller Wucht zwischen die Beine trifft. „Da is ja nix, da kann dir nix wehtun!“

Bei der abendlichen „Challenge“ treten die beiden Mannschaften dann bei einem Geschicklichkeitstest gegeneinander an – die fehlende Ernsthaftigkeit des Teams Prohaska (da wird gesungen und getanzt) bringt Krankl auf die Palme. Nach kurzem Überlegen setzt er den stärksten Mann Österreichs auf das „Mädchen“ Leonie Hillinger an – die beiden wälzen sich vor versammelter Mannschaft am Boden, bis sich Hillinger nach heftigem Einsatz schließlich geschlagen gibt. („Wie die Ehre – oder ihre Kehrseite, die Scham, die bekanntlich im Unterschied zur Schuld vor den anderen empfunden wird – muß die Männlichkeit in ihrem wahren Wesen aktueller oder potentieller Gewalt von den anderen Männern bestätigt und durch die anerkannte Zugehörigkeit zur Gruppe der ‚wahren Männer‘ beglaubigt werden“).

Dann kann endlich der eigentliche Wettbewerb beginnen, Team Prohaska gewinnt knapp, Team Krankl wird nachträglich disqualifiziert. Das will Krankl nicht akzeptieren, mitsamt seiner Mannschaft verlässt er unter dem Johlen der Gegner den Platz. Er „bleibt hart und verwehrt den Siegern jegliche Ehrerbietung“, so der Fernsehsprecher. Seine Schützlinge sehen das schließlich anders, „verweigern den Gehorsam“ und empfangen die Sieger applaudierend in der Hotellobby. Nach einigem männlichen Schulterklopfen herrscht wieder Harmonie – der „faire Kampf unter Männern“ wird in der nächsten Woche fortgesetzt.

Model, Topmodel

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„Germany’s Next Topmodel“ läuft seit März bereits in seiner fünften Auflage auf „Pro 7“ und ist (vor allem bei der jungen, weiblichen Zielgruppe) so unglaublich erfolgreich, dass Verantwortliche anderer Sendeanstalten vor Neid erblassen. Abgesehen von den Top-Quoten wurde das Reality-Format nicht zuletzt aufgrund des zweifelhaften Frauenbilds, das in der Sendung präsentiert wird,  in den vergangenen Jahren in den (Print-)Medien rauf und runter besprochen. Eine Kritik an der Model-Show holt also wahrscheinlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor, dennoch hat mich meine späte Annäherung zu einem Kommentar inspiriert.

Denn „Germany’s Next Topmodel“ hat mich unglaublich fasziniert. Nicht nur, dass die Sendung sehr unterhaltsam (wenn auch immergleich) gemacht ist, das Format sucht in der Welt des Reality-TVs wohl seinesgleichen. Vermutlich ist es falsch, „Germany’s Next Topmodel“ als Reality-TV-Show zu bezeichnen, wohl eher handelt es sich um einen Werbespot in der Endlosschleife. Und dabei wird nicht wirklich ein Produkt beworben, auch wenn die Sendungsblöcke nur Platzhalter für die vielen Hinweise auf Lippenstift, Fasten-Joghurt, Immunstärkungs-Drink und Frauenmagazine sind. Der Fortsetzungs-Spot stellt Werbung in seiner modernen Form dar. „Konsumentinnen und Konsumenten werden nicht mehr zum Kauf [eines Produkts] angeregt, sondern zur Übernahme eines bestimmten Lifestyles, zur Übernahme dominanter Rituale, wobei das Produkt als deren unabdingbarer Teil akzeptiert werden soll“, schreibt Matthias Marschik dazu in einem Sammelband zu Cultural Studies und Medienanalyse.

Und würde man/frau sich den vielzitierten „neoliberalen Mythos“ als Werk eines verschwörerischen Kreises brillianter Köpfe vorstellen, so könnte das Drehbuch zu „Germany’s Next Topmodel“ aus ihrer Feder stammen. Gebetsmühlenartig werden die immer gleichen Slogans wiederholt: Jede kann es schaffen, wenn sie es nur will, wenn sie sich nur (trotz Hakennase oder breiten Hüften) genügend anstrengt, wenn sie alles tut, was Produzent_innen und Kund_innen verlangen und dabei noch richtig Spaß hat. Disziplinierung, das steht dabei an erster Stelle. Brav aufgereiht stehen die Kandidatinnen in einer Schlange, wenn Übermutter Heidi Klum Anweisungen gibt, nach jedem Statement eines Stargasts oder angeblichen Auftraggeber_innen wird hingebungsvoll geklatscht. Die Bereitschaft, auch wirklich alles für den großen Erfolg (der greifbar nahe ist!) zu tun, wird demonstriert, wenn die Kandidatinnen mit Schlangen und Spinnen kuscheln, bei Minusgraden im Regen stehen und sich (fast) nackt fotografieren lassen. Der Kunde und die Kundin wollen es ja schließlich so. Und wer sich ganz ohne Tränen und Widerstand gleich zu Beginn die Haare abschneiden („umstylen“) lässt, die beweist ihren wahren Sinn fürs Große Ganze. Competition, Competition darf dabei nicht vergessen werden. „Ihr seid Konkurrentinnen!“, wird immer wieder ausgerufen. Nur Eine kann sich durchsetzen, nur Einer gehören bald Hollywood-Villa und Rolex-Uhr.

Unter dem Titel „Frauenquälen für die ganze Familie“ kommt FAZ-Journalist Jörg Thomann zu folgendem Schluss: „Sexismus, so glaubte man, ist heute kein Problem mehr. Doch das ist ein Irrtum. Der Unterschied zu früher: Viele Frauen machen bereitwillig mit.“ Doch abgesehen vom ersten Satz, in dem sich ein fast schon naiv-heiterer Irrglaube versteckt, täuscht sich der Autor meiner Ansicht nach, was die weibliche Exklusivität in Sachen freiwilliger Erniedrigung betrifft. Ich glaube kaum, dass nicht auch (wenn vielleicht auch nicht so viele) Männer Schlange stehen würden, um von Heidi Klum (oder Markus Schenkenberg?) geformt zu werden. Verhindert wird das wohl nur von der gigantischen Industrie im Hinter- bzw. Vordergrund, die Millionbeträge dafür ausgibt, um der konsumfreudigen Zielgruppe ganz nahe zu sein. Der Markt für den Herren-Abdeckstift ist einfach (noch) zu klein. Ansonsten stünde dem Gegenpart des Formats wohl nichts im Wege, schließlich leben Medien und Werbung von „Veränderungen und Flexibilität und nicht von Aufbau von Dichotomien, sie leben von Mythen und nicht von ‚Information‘ im weitesten Sinn“.

Morgen um 20.15 Uhr ist es wieder so weit. Da beweisen die angehenden Topmodels wieder, dass „Persönlichkeit“ ein Gesichtsausdruck, Glück ein Shopping-Gutschein, ethnische Identität ein Cappuccino-Teint und High-Heels die Werkzeuge einer Frau sind.

Link: Medienwissenschafterin Tanja Thomas zu „Germany’s Next Topmodel“ auf diestandard.at
Foto: CC ds1987

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