CategoryEthnizität

Blue-Eyed

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Als die amerikanische Lehrerin Jane Elliott 1968 von der Ermordung  Martin Luther Kings in den Fernsehnachrichten erfuhr, überlegte sie, wie sie ihren 8-jährigen Schüler_innen davon berichten könnte. In einer weißen Community in Iowa nur über Rassismus zu sprechen, erschien ihr nicht ausreichend. Also entwickelte sie das „blue-eyed/brown-eyed“ Experiment, das vor allem Rassismus, aber auch andere Formen der Diskriminierung wie Sexismus oder Homophobie erlebbar machen sollte. Sie teilte ihre Klasse nach der Augenfarbe und ließ jede Gruppe einen Tag lag „superior“ sein. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sie ein (umstrittenes) Diversity-Training.

Die Dokumentation über Jane Elliotts erstes Projekt gibt es zwar nicht mehr in voller Länge auf Youtube zu sehen, allerdings gibt es verschiedene Berichte über ihr Experiment:

Interview: Binnen-I, Unterstrich und Sprachreinheit, Teil 2

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StudentInnen, Student_innen, Studierende – drei verschiedene Arten, um in einem Text nicht  ausschließlich Studenten anzusprechen. Was Anna Babka noch zur gendersensiblen Sprache zu sagen hat und warum sie SprachästhetInnen nicht traut, könnt ihr in Teil 2 des Interviews nachlesen.

Das Binnen-I wird gerne als Aufhänger verwendet, um gegen den Feminismus mobil zu machen oder ihn ins Lächerliche zu ziehen. Michael Fleischhacker schrieb etwa in der Presse: „All jenen, die mit Frauenrechten nicht wirklich etwas anfangen können (…), gilt Johanna Dohnal als Urheberin eines ins Grundvokabular der political correctness eingegangenen ‚linksgrünen Feminismus’, dem ein gendergerechtes Binnen-I wichtiger ist als die Rechte der Frauen in den muslimischen Mehrheitsgesellschaften.“

Das ist ein Ablenkungsmanöver, oder ein Zeichen von Dummheit und Borniertheit. Ich kann das überhaupt nicht ernst nehmen, Herr Fleischhacker hat offensichtlich seine Probleme mit dem Feminismus, nicht mit dem Binnen-I. Oder mit Gerechtigkeiten, wenn man so will. Das sind Scheingefechte. Wenn man mich mit so einer Aussage konfrontiert, würde ich erst einmal nachfragen, auf welche Informationen sich diese Person stützt, woher diese Erkenntnis stammt und was das Eine mit dem Anderen zu tun hat. Man muss den Menschen klarmachen, dass eben diese Formulierungen etwas bewirken.

Und was das jetzt mit der Sorge um unterdrückte Gruppierungen, um unterdrückte Frauen in welchen Ländern auch immer zu tun hat, ist mir nicht klar. Interessant ist, dass die muslimische Welt hier wieder herbeizitiert wird, das ist sehr typisch und auch sehr performativ, weil der Feind hier auf einer sehr simplen Ebene konstruiert wird und die Feministinnen quasi als Mithelferinnen dargestellt werden, die eigentlich keine anderen Sorgen haben. Also ja, es ist einfach ein Kampf zwischen – wenn man es vereinfacht – einer gewissen konservativen Schicht der Bevölkerung und ihren GegenspielerInnen.

Diese konservative Gruppe möchte Werte bewahren, ihr sind diese Differenzierungen wichtig. Wenn man eine Familienpolitik verfolgt, die die Frauen quasi noch immer an den Platz weist, dann hat man kein Interesse am Binnen-I. Das ist ganz eindeutig auch in bestimmten Kontexten verortet, diese Kritik oder dieses Unwohlsein, was geschlechtersensible Sprache betrifft.Auch bei so genannten SprachästhetInnen steckt dahinter meistens ein gesellschaftspolitisches Kalkül. Jemandem, der liberal denkt, ist die reine Sprache nicht wichtiger als der politische Effekt, den das Binnen-I hat. Das kann gar nicht sein.

Warst du schon an feministischen Themen interessiert, als du zu studieren begonnen hast?

Nicht gleich, aber bald. Ich habe Komparatistik studiert und bin im vierten Jahr für meine Diplomarbeit zum Thema Ingeborg Bachmann in Frankreich nach Paris gefahren. Dort habe ich dann Hélène Cixous getroffen, eine der bedeutendsten lebenden feministischen TheoretikerInnen. Sie hat mich wirklich beeindruckt. Ich bin ein Semester lang in ihrem Kurs gegessen und das war  eine Initialzündung. In mir wurde damals ein Denkprozess in Gang gesetzt, der bis heute nachwirkt. Natürlich hat das eine Weile gedauert, weil die Komparatistik in Wien absolut anti-feministisch organisiert war. Es gab drei Männer, die  die Komparatistik geleitet haben und feministische Forschung war ganz sicher nicht vorgesehen. Wir als Studienrichtungsvertretung haben das dann langsam etabliert. Seit damals leitet mich die feministische Theorie an und aus diesem Kontext heraus auch die Queer Studies und die Postcolonial Theory.

In meiner Dissertation habe ich mir dann die Intersexualität zum Thema gemacht und wie Sprache Geschlechter erzeugt – ganz vereinfacht gesagt. Mich interessiert außerdem, wie das in literarischen Texten passiert. Und welchen theoretischen Zugang man finden kann, um Geschlecht zu dekonstruieren, zu lesen, wie es sich selbst dekonstruiert im Text. Ich bin auch politisch aktiv und ich kann das Eine vom anderen überhaupt nicht trennen. Ich versuche das, was ich hier recht komplex erarbeite, runterzubrechen auf einen politischen Diskurs, der verständlich ist. Ich sehe absolut die Notwendigkeit, dass wir als WissenschafterInnen aktiv an politischen Prozessen teilnehmen. Das ist unsere Pflicht. Ich sehe mich als Wissenschafterin und als Mensch an einer Universität, mittlerweile in einer privilegierten Situation, als Assistenzprofessorin mit einem fixen Job. Nach vielen Jahren – aber doch. Und damit sehe ich mich absolut dazu verpflichtet, das, was ich jetzt denken darf – abgesichert denken darf – an die Gesellschaft zurückzugeben.

Du hast deinen Beitrag als Wissenschafterin zu politischen Diskursen erwähnt – hast du das Gefühl, dass das von Seiten der Gender Studies genügend passiert?

Ich finde es schwierig, wenn dauernd die Kritik kommt, dass die Gender Studies politische Handlungsfähigkeit verunmöglichen würden, weil sie nicht –  oder nicht mehr – auf Basis der biologischen Geschlechterdifferenz argumentieren. Ich würde sagen, es ist das Gegenteil der Fall. Ich glaube allerdings, dass es im Sinne eines strategischen Essentialismus notwendig ist, manchmal auf Basis der Biologie bzw. der vermeintlichen biologischen Differenz zu argumentieren. Das beste Beispiel dafür ist die Gehaltsschere. Was soll ich dazu sagen, wenn Frauen ein Drittel weniger verdienen aufgrund eines völlig irrwitzigen Unterschieds. Es ist ein Skandal.

Und da bin ich im Bereich der vermeintlich biologischen Geschlechterdifferenz, denn es ist ja nicht wirklich die Biologie. Es ist dieser Sprechakt am Anfang und die folgende Sozialisation – wie wir uns fühlen oder wer wir wirklich sind, das ist überhaupt nicht das Thema. Die Biologie ist einfach kein gutes Argument. Und trotzdem basieren auf ihr diese fürchterlichen Ungerechtigkeiten. Ich glaube, dass die Gender Studies und die Queer Studies aber genau das reflektieren und auf die Gesellschaft so zurückwirken können, um diesen biologischen Unterschied in Frage zu stellen. Es ist eine sinnlose Konstruktion, die nach wie vor nur zu Ausschlüssen und Ungerechtigkeiten führt. Es muss ja nicht jede Frau, die Gender Studies studiert, politisiert sein. Das kann man ja niemandem vorschreiben, aber es wäre wünschenswert, wenn ein Problembewusstsein vorhanden wäre.

Du hast in Österreich und den USA (Berkeley) studiert – kannst du in akademischer Hinsicht einen Vergleich zwischen den beiden Ländern ziehen?

Das ist schwierig zu beurteilen. Berkley ist natürlich anders. Es ist zwar eine staatliche Universität, aber eine sehr exklusive Universität, an der ganz andere Lehrbedingungen vorherrschen, die hier kaum möglich sind. Als ich dort war, hatte ich bereits ein Studium abgeschlossen und wusste genau, was ich wollte. Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich dort studiert hätte, weil es ein sehr verschultes Studium ist. Also die Betreuungsverhältnisse in Österreich sind natürlich katastrophal, aber als ich hier studiert habe, war die Situation an den Unis noch sehr viel entspannter und wir konnten uns richtig austoben. Retrospektiv kommt es mir jetzt so vor, als ob wir viel mehr Zeit hatten, um miteinander zu reden und Dinge zu reflektieren, es gab diesen Druck nicht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Scheine zu machen. Deshalb war für mich die Studienzeit sehr schön und das, was ich in Berkley erlebt habe, die absolute Draufgabe. Das war sozusagen das exklusive, elitäre Mitstudieren dürfen.

Ich bin aber für einen offenen Uni-Zugang, der in den USA nicht existiert. Ich bin auch sicher nicht für eine Elite-Uni. Was ich aber glaube, ist, dass wir mindestens doppelt so viel Budget brauchen, um hier gute Betreuungsverhältnisse herzustellen. Und vor allem müssen wir doppelt so viele Leute anstellen, damit dieses Prekariat ein Ende hat. Es ist natürlich vor allem eine Frage des Geldes und wenn sich ein Land wie Österreich leistet, mit so einem knappen Budget für den Bildungssektor dazustehen, dann braucht man sich eh nicht zu wundern. Also da wüsste ich ganz klar, was ich mir wünsche: Einen freien Uni-Zugang und natürlich Bildung für alle, so lange sie es wollen und so viel sie wollen. Weil auch ein unabgeschlossenes Studium Menschen verändert. Das ist etwas, das man mit Geld nicht aufwiegen kann. Also ich glaube, dass Bildung die Grundlage der Möglichkeit reflektierten Denkens ist und das ist wiederum enorm wichtig für eine politische Landschaft, die so wenig wie möglich polarisiert, Ausschlüsse erzeugt etc. Das gesamte Bildungssystem müsste besser ausgestattet werden, vom Kindergarten an bis zur Uni. Und vor allem auch geschlechtersensibel ausgestattet werden, schon sehr früh.

Zur Zeit ist die Diskussion um die angebliche Benachteiligung von Burschen in der Schule sehr populär…

Ja, das ist ganz interessant, und es gibt da ein Problem. Das mehrerlei Ursachen hat. Es ist fatal, dass es keine gescheiten Role Models für Jungen gibt. Geschlechterdifferenz hin oder her – aber wir brauchen unsere Role Models, so lange wir in diesem binären System leben müssen. Und wenn kleine Jungs nie mit männlichen Role Models zu tun haben, die ihnen vielfältige Handlungsmöglichkeiten vorleben, glaube ich, dass das nicht gut ist. Ich denke nicht, dass sie wirklich benachteiligt werden im Unterricht, aber sie entwickeln weniger Perspektiven, sie sind extrem einseitig, fixiert auf klischierte Vorstellungen von Männlichkeit. Während Mädchen alle Spektren durchspielen und das auch dürfen – ohne dass es peinlich ist. Also das erlebe ich bei meiner achtjährigen Tochter. Die Mädchen in ihrer Schule finden die Jungs total uninteressant, langweilig, engstirnig – öd irgendwie. Sie können nicht reden, können sich nicht unterhalten, spielen nur klischierte männliche Rollen. Das suchen sie sich ja nicht einfach aus, das wird vorgelebt, einstudiert, in den Familien und als Einfluss der gesamten Gesellschaft. Es ist alles viel enger in dieser Jungenkultur. Was man anschauen darf, welche Filme cool sind…

Mädchen stehen da mehr Möglichkeiten offen. Und das hat sicher damit zu tun, dass die Frauen, die in diesem Bildungsbetrieb tätig sind, den Mädchen Perspektiven eröffnen. Bei aller Benachteiligung, die es nach wie vor in diesem Segment gibt. Warum gibt es keine Volksschullehrer? Weil es eben kein Prestige-Beruf ist und man nicht viel verdient – da braucht man sich eh nicht wundern. Jungs werden schon gefördert, weil man dennoch auf sie Rücksicht nimmt und sie auch noch immer mehr Gesprächszeit im Unterricht haben etc., aber es ist irgendwie nicht divers, es ist eine Einbahn und eben die Basis dessen, dass es so weitergeht. Also es ist nach wie vor viel zu eng, dieses Geschlechtermodell. Und es gibt noch viel zu tun, deshalb haben wir Akademikerinnen und Akademiker, die sich damit beschäftigen, noch sehr viel Arbeit vor uns.

Teil 1 des Interviews

Link zum Beitrag auf „Adrians Blog“

Anna Babka ist Literaturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik in Wien mit Schwerpunkten in Literaturtheorie, Gender Studies und Postcolonial Studies. Link zur Website

Wochenende

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Vormerken: Darwin ist the Newton of Biology? Am 3. November kommt Evelyn Fox-Keller nach Wien. Die Physikerin, die am MIT lehrt, „wird im deutschsprachigen Raum als ‚grande dame‘ des wissenschaftskritischen Feminismus wahrgenommen“. Im Christian-Doppler-Saal (Boltzmanngasse 5) wird sie darüber sprechen, „ob aktuelle gentechnische Forschungsergebnisse Kants Aussage ‚es werde nie einen Newton des Grashalms geben‘ Lügen strafen.“ 3.11. 2010, 17-19 Uhr. Link

Nachlesen: Wer den erfrischend klugen Kommentar von Andrea Roedig zum Thema Verschleierung noch nicht gelesen hat, sollte das nachholen. Unter dem Titel „Schleier der Wahrheit“ wägt die Philosophin feministische Positionen zu Burka, Niqab und Co ab: „Es kann durchaus sein, dass im arabischen Raum ein Widerstand gegen jede Form von Verschleierung die einzig richtige feministische Option wäre. Für Europa ist das – bis auf weiteres – nicht angemessen.“ Link zum Artikel auf diestandard.at

Mit mir freuen: In der Oktober-Ausgabe der „Anschläge“ ist ein äußerst netter Hinweis auf die Denkwerkstatt zu finden: „Der noch nicht einmal ein Jahr alte Blog behandelt zeitkritisch, akademisch und gut lesbar Gender Studies, Feminismus und Popkultur. Alle paar Tage finden sich hier neue Links, theoretische Überlegungen, politische Beiträge, (…) Veranstaltungstipps, Gewinnspiele und spannende Interviews zu Männlichkeitsforschung, Film und Frauenpolitik. Den Blog gibt es auch auf Facebook. We like!“ Außerdem in der Oktober-Ausgabe: Spannende Beiträge zum Thema Väterrechtsbewegung. Eine Vorschau auf die Inhalte im November findet ihr hier.

Gespannt sein dürft ihr auf Teil 2 des Interviews mit Anna Bakba. Den gibt es morgen.

Wien-Wahl: SPÖ und Grüne

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Die Wiener SPÖ hat bei der Gemeinderatswahl 2005 49 Prozent der Stimmen erreicht und bangt diesmal um die Absolute. Spitzenkandidat ist Bürgermeister Michael Häupl, unter den ersten zehn Kandidatinnen und Kandidaten auf der Liste finden sich fünf Frauen.

Auf der Website der Wiener SPÖ steht ein umfangreiches Programm für die Wahl zum Download, ebenso eine Kurzversion und ein eigenständiges Programm der Wiener SPÖ Frauen. Frauen- bzw. Geschlechterpolitik ist in allen drei Varianten enthalten, besonderen Wert wird dabei auf den Arbeitsmarkt und die unsägliche Einkommensschere gelegt – hier identifiziert die SPÖ (als regierende Partei) jedoch eine Wiener Erfolgsgeschichte: „Wien hat die höchste Erwerbsquote aller Bundesländer von Frauen und die geringsten Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen.“

Unter „Wien ist die Stadt der Frauen“ ist weiters zu lesen: „Wien ist in Österreich führend, wenn es um Gleichbehandlung, Gleichberechtigung und Sicherheit von Frauen geht. Nirgendwo sonst in Österreich sind die Bildungs- und Berufschancen, die Chancen zur Selbstverwirklichung für Mädchen und Frauen größer als in Wien.“ Im selben Parteiprogramm sieht die SPÖ jedoch auch Handlungsbedarf: „Jede Frau und jedes Mädchen soll in Wien sicher, selbstbestimmt und unabhängig leben können. (…) Wir wollen, dass Frauen und Mädchen ihre Rolle selbst bestimmen können. Dass sie frei von Gewalt leben können. Dass Halbe/Halbe wirklich gelebt wird. Und dass Frauen in Arbeit und Wirtschaft gleiche Chancen und gleiches Einkommen wie Männer haben.“

Konkrete Pläne (die sowohl im allgemeinen, als auch im Programm der Frauen zu finden sind) umfassen unter anderem  den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Frauenföderung in Unternehmen, den Ausbau von Gewaltschutzmaßnahmen und die Förderung von gendersensibler Pädagogik.

Fazit: Frauenpolitik hat innerhalb der SPÖ traditionell ihren Platz, ebenso in der Wiener SPÖ. Die Partei schreibt sich eine lange Liste von entsprechenden Erfolgen auf ihre Fahnen und hat in den vergangen Jahren tatsächlich einige ambitionierte Projekte umgesetzt. Ebenso sind auf den Landes- und Bezirkslisten mehr als 50 Prozent Frauen vertreten, sämtliche Informationsmaterialien sind in geschlechtersensibler Sprache verfasst. Was (zumindest auf der Website) fehlt, sind ebenso ambitionierte Pläne im Bereich der Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Link zur Website

Die Grünen haben bei der Wahl 2005 rund 14,6 Prozent der Stimmen erreicht – damit lag die Partei knapp hinter der FPÖ. Nach der Wahl am kommenden Sonntag würden sich die Grünen gerne als dritt- (bzw. zweit-)stärkste Kraft wiederfinden, interne Streitigkeiten oder ein enormer Stimmen-Zugewinn der FPÖ könnten dem im Wege stehen. An der Spitze steht diesmal eine Frau: Maria Vassilakou; auf der Liste mit 20 Kandidatinnen und Kandidaten finden sich 11 Frauen.

Ebenso wie bei der SPÖ steht auf der Website der Grünen ein allgemeines Wahlprogramm und ein Frauenprogramm zum Download bereit. „Feministische, emanzipatorische Politik muss die notwendigen ökonomischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Bedingungen schaff en, damit sich Mädchen und Frauen nach ihre Bedürfnissen, Wünschen und Zielen entwickeln können. Gleich welcher ethnischen Herkunft , sexuellen Orientierung und/oder aus welcher sozialen Schicht, haben Mädchen und Frauen, ebenso wie auch Burschen und Männer, im Grünen Wien alle die gleichen Möglichkeiten der Teilhabe am politischen und gesellschaft lichen Leben“, ist unter dem Titel „Feministische Politik“ zu lesen.

Die Grünen haben als einzige Partei offensichtlich keine Angst davor, die Wörter „Feminismus“ bzw. „feministisch“ in ihr Wahlprogramm einzubauen, ebenso legen die Grünen die umfangreichsten frauen- und queerpolitischen Forderungen vor (diese können hier nachgelesen werden). Die Schwerpunkte liegen dabei auf dem Arbeitsmarkt, Frauenarmut, Bildung, Migrantinnen und Mädchenförderung. Um eine Gleichstellung von Männern und Frauen zu erreichen, setzen die Grünen auch auf die in Österreich noch unpopuläre Väterkarenz: „In der Gemeinde Wien wird Väterkarenz zur Pflicht und werden Betriebskindergärten zur Normalität.“

Auch Transgender Personen adressieren die Grünen als einzige Partei. Ein Eherecht für Lesben und Schwule wird ebenso wie die Finanzierung von Projekten zur Bekämpfung von Homophobie gefordert. „Vielfalt ist die Stärke einer offenen Gesellschaft. Das Grüne Wien ist eine Stadt, in der frei entschieden werden kann, wer wen liebt bzw. wer mit wem zusammenleben möchte“, ist hier zu lesen.

Fazit: Die Wiener Grünen berücksichtigen Frauen- und Geschlechterpolitik sehr umfangreich in ihrem Wahlprogramm. Ebenso wird an die Verschränkung von Geschlecht, Ethnizität und Sexualität gedacht. Auch wenn einige Forderungen wenig konkret bleiben, sind die Grünen die mit Abstand ambitionierteste Partei, was Frauenpolitik betrifft. Fazit: Platz 1 für die Grünen.

Wien-Wahl: ÖVP und FPÖ

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Die Wiener ÖVP hat bei der Wahl 2005 rund 18,8 Prozent der Stimmen erreicht und tritt diesmal mit Spitzenkandidatin Christine Marek an. Den besten Platz auf der Landesliste hat somit eine Frau inne, unter den ersten zehn Kandidatinnen und Kandidaten finden sich fünf Frauen (Platz 1, 5, 7, 8 und 10). Ziel der ÖVP ist es, die Absolute der SPÖ zu brechen, Marek sieht sich selbst als zukünftige Vizebürgermeisterin.

Die Analyse des Parteiprogramms der Wiener ÖVP gestaltet sich schwierig: Zwar steht ein umfangreiches (und geschlechtersensibel formuliertes) Programm für die Wien-Wahl auf der Website zum Download bereit, allerdings wird Frauen- oder Geschlechterpolitik nicht wirklich berücksichtigt. Die Forderung nach ganztägigen Schulangeboten wird folgendermaßen begründet: „Die Lebensrealitäten der Eltern sind heutzutage ganz andere als noch vor 20 Jahren. Immer mehr Frauen sind berufstätig, immer mehr Frauen haben hohe Bildungsabschlüsse, die sie auch im Beruf einbringen möchten. 68 Prozent der Frauen in Wien gehen einer außerhäuslichen Arbeit nach.“

Als konkrete Forderung findet sich: „Mehr Sicherheit für Frauen“ im Programm. „Viele Frauen in Wien fühlen sich unsicher, wenn sie in der Dunkelheit alleine auf der Straße unterwegs sind. Deshalb ist es wichtig, für eine noch bessere Ausleuchtung von Parks und Straßenzügen zu sorgen. Zusätzlich muss die frauenspezifische Beratung der Polizei ausgeweitet werden. Und wir wollen ein eigenes Frauen­Nachttaxi für Wien“, ist hier zu lesen.

Im Chat mit Standard.at antwortet Christine Marek auf die Frage, wie sie zu Schwangerschaftsabbruch und Homo-Ehe stehe, folgendermaßen: „Ich habe mich immer massiv für die eingetragene Partnerschaft eingesetzt, auch zu einer Zeit wo dies in der ÖVP noch denkunmöglich war. Das jetzige Gesetz ist dabei ein wichtiger und grosser Schritt in die richtige Richtung. Zum Schwangerschaftsabbruch: ich bekenne mich absolut zur Fristenregelung, bin aber der Überzeugung, dass wir bei der Beratung von Schwangeren – ergebnisoffen!!! – noch viel mehr tun müssen. Ich finde es ehrlich gesagt unerträglich, dass es im Verzeichnis der Stadt Wien ‚Schwangerschaftsberatung‘ nicht (!!) gibt, sehr wohl aber ‚Schwangerschaftsabbruch‘.“

Nachdem ein User nachfragt, warum sie zwar eine eingetragene Partnerschaft, nicht jedoch ein Adoptionsrecht für Homosexuelle unterstützt, kontert Marek: „Es geht nicht darum hier zu werten wer bessere oder schlechtere Eltern sind. Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass es dzt. keine Mehrheit für weitreichendere Schritte als im Partnerschaftsgesetz vorgesehen gibt.“

Fazit: Nachdem Frauen- bzw. Geschlechterpolitik im Parteiprogramm der Wiener ÖVP kaum vorkommt, kann angenommen werden, dass es sich bei diesen Themen um keine zentralen Anliegen der Partei handelt. Christine Marek definiert sich selbst als „liberal denkenden“ Menschen, eine Befürwortung der Fristenregelung und der eingetragenen Partnerschaft dürfte aber mittlerweile auch innerhalb der Volkspartei auf breite Zustimmung stoßen. Im allgemeinen Parteiprogramm der ÖVP wird die Förderung von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in Bildung, Arbeitswelt und bei der Verteilung unbezahlter Tätigkeiten als erstrebenswertes Ziel erwähnt. Link zur Website

Die FPÖ hat 2005 14,8 Prozent der Stimmen erreicht, bei der kommenden Wahl ist ein deutlicher Zugewinn sehr wahrscheinlich. Spitzenkandidat ist FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache, der gerne als Bürgermeister ins Rathaus einziehen würde. Unter den ersten neun Kandidatinnen und Kandidaten finden sich drei Frauen auf der Landesliste.

Frauenpolitik ist traditionell keine zentrale Kompetenz der FPÖ, mitunter, da eine größere Anzahl von Männern der Partei bei verschiedenen Wahlen ihre Stimme geben. Das Parteiprogramm für Wien ist kurz und bündig gehalten, Frauen- oder Geschlechterpolitik ist darin nicht enthalten. Auf geschlechtersensible Formulierungen wurde gänzlich verzichtet.

Im aktuellen Wahlkampf plakatierte die FPÖ den Slogan: „Wir schützen freie Frauen. Die SPÖ den Kopftuchzwang“. Dabei handelt es sich jedoch kaum um ein frauenpolitisches, sondern islamophobes bzw. xenophobes Statement.

Im allgemeinen Parteiprogramm der FPÖ ist zu lesen: „Die Familie beruht auf einer Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, deren besondere gesellschaftliche Anerkennung durch das Institut der Ehe ausgedrückt wird. Die Familie ist eine natürliche Lebensgemeinschaft mit Kindern, wobei die Lebensgemeinschaft eines alleinerziehenden Elternteiles mit Kind ebenfalls als Familie anzusehen ist. Bestrebungen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften Familien gleichzustellen, werden abgelehnt.“

Ebenso findet sich folgender Absatz: „Chancengerechtigkeit heißt auch gleiche Einstufungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bei gleicher Qualifikation für Frauen im Berufsleben sowie Beseitigung der Lohnunterschiede von Frauen und Männern bei gleichwertiger Arbeit.“

Fazit: Frauen- bzw. Geschlechterpolitik kommt im Programm der Wiener FPÖ nicht vor. Grundsätzliche Bekenntnisse zur Gleichberechtigung in der Arbeitswelt sind vorhanden, insgesamt werden sehr konservative Ansichten vertreten. Im Wahlkampf werden immer wieder Kopftuch tragende Frauen als Symbol für Unterdrückung und einer negativ besetzten Zuwanderung im allgemeinen missbraucht. Link zur Website

Postcards from America #5

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Naechster Stop: Boston, die Hauptstadt von Massachusetts. Etwas mehr als 600.000 Menschen leben in der „europaeischsten“ Metropole der Ostkueste. Wenn New York Berlin ist, dann waere Boston Hamburg. Sauber, in gewisser Hinsicht ueberschaubar, der Hafen, die vielen wohlhabenden Bewohner_innen. Und natuerlich: die Universitaeten. Unzaehlige Colleges und Schools haben sich in der Regi0n angesiedelt, die mit Abstand beruehmteste Universitaet ist wohl die Harvard University in Cambridge, das westlich an Boston anschliesst (sic). Harvard belegt nicht nur in Uni-Rankings regelmaessig (sic) einen der vordersten Plaetze, sie ist auch die aelteste Hochschule in den Vereinigten Staaten (1636 gegruendet).

Von den Studienbedingungen an der „Ivy League“ Kaderschmiede (rund 10 Prozent der Bewerber_innen werden aufgenommen) koennen oesterreichische und deutsche Studierende wohl nur traeumen, doch die Privatuniversitaet hat abgesehen vom elitaeren und ausschliessenden (sic) Charakter des amerikanischen Hochschulsystems auch andere Schattenseiten. Obwohl rund 48 Prozent der Studierenden Frauen sind, existierten bis 1977 Zugangsbeschraenkungen fuer Frauen, die am seperaten „Radcliffe College“ unterrichtet wurden. Erst 1999 erfolgte die endgueltige Zusammenlegung der beiden Bildungseinrichtungen. Sieht man/frau sich die Liste beruehmter Absolvent_innen an (Al Gore, Bill Gates, Henry Kissinger, Barack Obama, Natalie Portman…), so faellt auf: 90 Prozent Maenner. Zudem studieren nur rund 6 Prozent Afroamerikaner_innen in Harvard, fast 45 Prozent stellen Amerikaner_innen europaeischer Herkunft.

Boston laesst sich gut zu Fuss (sic) erkunden, rund um den „Freedom Trail“ befinden sich die wichtigsten Sehenswuerdigkeiten der Stadt. Wer abseits der touristischen Pfade wandeln moechte, kann dabei ein Stueck Frauengeschichte lernen. Der Verein „Boston Women’s Heritage Trail“ hat sieben Spaziergaenge durch Boston zusammengestellt, an deren Weg entlang man/frau die Geschichte von mehr als 200 bedeutenden Frauen Bostons kennenlernen kann: „Women’s lives and achievements have enriched the history of Boston for almost four centuries, yet the significance of their stories is often overlooked. Patriots, intellectuals, abolitionists, suffragists, artists, and writers – Boston women have always played an integral role in shaping history.“ Am Weg durch Jamaica Plain liegt unter anderem das Geburtshaus von Sylvia Plath. Das unscheinbare Haus im italienischen North End traegt kein Schild, das darauf hinweist, Boston erinnert Vorbeigehende nicht an seine beruehmte Tochter.

Was das North End ansonsten zu bieten hat: unzaehlige italienische Restaurants (wenn auch die amerikanische Version italienischer Kueche etwas gewoehnungsbeduerftig ist) und herrliche Baeckereien. Wie „The Modern Pastry“ oder „Mike’s Pastry“, die in der Hanover Street von Weitem zu sehen sind, da die Menschen davor Schlange stehen, um Cheese Cake, Lime Tartes und Chokolade Fudge Cupcakes zu ergattern. Ein himmliches Vergnuegen.


Beacon Hill – Huegel der Wohlhabenden


Boston Common / Skyline

Postcards from America #3

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Tag 2 in New York, Manhattan, die „eigentliche“ Stadt. Die Strassen stets ueberfuellt mit Tourist_innen und Leben, etwas das mir in Wien gelegentlich fehlt (nein, ich meine nicht die Tourist_innen). Wer in Manhattan lebt, der/die hat es angesichts der Mietpreise geschafft. John, der fuer die Regierung arbeitet, wohnt in Brooklyn und bezahlt 1300 Dollar monatlich fuer sein (recht gerauemiges) Single-Appartement. Seine Freudin Sarah und ihr Partner bezahlen fuer 20 Quadratmeter weniger den selben Preis. Und zwar, weil das Appartement eine Metro-Station naeher an Manhattan liegt.

 

Was New York so lebendig macht, sind wohl auch die Bewohner_innen aus ganz unterschiedlichen Laendern und Kulturen. Ein internationales Flair, das auf den ersten Blick idyllisch wirkt. Doch Ethnizitaet ist hier wohl weitaus entscheidender als Geschlecht, wenn es um die Verteilung von Arbeit geht. Tuersteher_innen, Hot Dog Verkaeufer_innen, Reinigungspersonal – in diesen Positionen arbeiten Schwarze, Latin Americans und Menschen aus dem Nahen Osten. Maenner wie Frauen.

Eine durchwegs charmante, wenn auch ebenfalls gentrifizierte Gegend ist Greenwich Village. Bevor die Mieten unbezahlbar wurden, siedelten sich  viele Kuenstler_innen an (die Beat Generation versammelte sich hier einst), heute ist das Viertel ein Zentrum der New Yorker Gay Communinity und der (Upper Middleclass) „Latte Sipping Liberals“. Durch Greenwich Village verlauft die Christopher Street, jene Strasse, die dem deutschen „Christopher Street Day“ ihren Namen verleiht. Erinnert wird an einen Aufstand von Homosexuellen im Jahr 1969, als diese sich gegen zunehmende Polizeigewalt zur Wehr setzten. In New York wird diesem Ereignis am letzten Samstag im Juni gedacht, dem Christopher Street Liberation Day.

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