In diesem Semester habe ich ein Seminar belegt, in dem wir uns mit Männlichkeiten und Ethnizität auseinandersetzen müssen. Ich bin in der Werbungsgruppe gelandet und habe mich auf die Suche nach verschiedenen Spots mit sexualisierten Darstellungen gemacht. Fündig bin ich sogleich – wie könnte es anders sein – in der Welt des Fußballs geworden. Seht euch die beiden Spots mit Didier Drogba und Cristiano Ronaldo an. Und vergleicht die Musik, die Kamerapositionen, die Schnitte, die Kleidung, Bildausschnitte. Ich denke, sie sprechen für sich selbst (ohne dass weitere Erklärungen notwendig wären).
In den Medien
Interessante Artikel aus den vergangenen Wochen:
„Eine Chimäre stellt die traditionelle Theorie der Geschlechtsentwicklung infrage“ schreibt Robert Czepel auf science.orf.at. Neuer Stoff für Anne Fausto-Sterling: Biolog_innen suchen bei Hühnern jetzt nach der Geschlechtsidentität auf der Ebene der Zellen. Link
85 Prozent der abgelehnten Anträge auf Notstandshilfe in Österreich betreffen Frauen. Nachzulesen auf standard.at. Link
Tina Groll titelt in der „Zeit“: „Frauen müssen auf junge Väter setzen“ Link
Ebenfalls in der „Zeit“ berichtet Johanna Kutsche vom Männerkongress „Neue Männer – Muss das sein?“ Link
Im „Spiegel“ inspirierte der Kongress Jens Lubbadeh zum Text „Frau muss man sein!“. „Jungen müssen in der Schule ihre Körperlichkeit und Aggression einbringen können“ wird da unter anderem behauptet. Link
87 Prozent der Autor_innen auf Wikipedia sind Männer – darauf weist EMMA-Journalistin Susanne Patzelt in „Nichts wie rein ins Internet“ hin. Link
Die „taz“ lieferte zum Internationalen Frauentag Sonderseiten zum Thema Männer ab. Da wurde unter anderem vom „Neuen Mann“ als „scheues Reh“ berichtet. Link
„Richtige“ Männer, abwesende Väter und Johnny Depp, Teil 1
Gender Studies gehören in die Öffentlichkeit – unter diesem Motto steht die „Denkwerkstatt“. Um der Forderung gerecht zu werden, soll hier in Zukunft die Arbeit von Wissenschafter_innen, die sich mit Geschlechterforschung auseinander setzen, präsiert werden. Den Anfang macht ein Interview mit dem Filmwissenschafter und Amerikanistik-Professor Klaus Rieser. Klaus Rieser leitet das Institut für Amerikanistik an der Universität Graz, seine Habilitationsschrift hat er dem Thema Männlichkeiten im Film gewidmet. Neben der Kategorie Geschlecht interessiert er sich besonders für Ethnizität und die Darstellung von Migration im Film. Hier das Interview mit dem sympathischen Wissenschafter, Teil 1:
Du hast dich als Filmwissenschafter unter anderem auf Geschlecht und Ethnizität spezialisiert und zuletzt ein Buch zu Männlichkeiten im Film veröffentlicht. Wie ist es dazu gekommen, dass du dich für Geschlecht und Männlichkeit interessierst?
Ich habe einmal eine Aussage von einem Männlichkeitsforscher gelesen, dass es für Männer, die sich mit Feminismus bzw. Geschlechterforschung auseinandersetzen, zwei Königswege in diese Disziplin gibt: Entweder man ist schwul oder man hat eine feministische Freundin/Frau (lacht). Und das stimmt wohl wirklich zu 99,9 Prozent.
Bei mir ist es in gewissem Sinn beides. Also einerseits bin ich über verschiedene Frauen und dann eine langjährige Partnerschaft mit dem Thema in Berührung gekommen, es wurden bei mir selbst blinde Flecken zur Männlichkeit im Patriarchat aufgedeckt. Und andererseits habe ich mich schon davor im Privaten mit Männlichkeit auseinandergesetzt. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich in Männer verlieben kann, bin aber dadurch relativ schnell bei mir selbst auf eine Homophobie gestoßen – also es gab Verliebtheit auf einer emotionalen Ebene, aber Angst vor Homosexualität als Sexualität.
Und mein Interesse war dann diese Abgrenzung – was gibt es an real lebbarer und spürbarer Bisexualität, wie drücke ich meine Männlichkeit aus und wie will mich von bestimmten Modellen distanzieren. Darin liegt schon eine Chance für Männer, Männlichkeit ist ein ziemlich enges Korsett. Sicher liegt das Hauptproblem patriarchaler Männlichkeitskonstruktionen gegenüber Frauen und Homosexuellen, aber auch für heterosexuelle Männer ist für mich spürbar gewesen: Das schränkt mich ein. Ich war dann auch in Männergruppen, die sich ähnlich wie Frauengruppen in den 70er Jahren später in den 80er und 90er Jahren entwickelt haben. In der Literatur wird ja oft gesagt: Das ist ein konservatives Eck und progressive Männlichkeitsforschung ist etwas anderes, aber in meinem Erlebnis war das sehr durchmischt. Es gab das Bestreben, die eigene „ursprüngliche“ Männlichkeit zu finden, aber dadurch wurde hinterfragt, was das überhaupt sein soll.
Auf der wissenschaftlichen Ebene war es eben so, dass ich mich für Film interessiert habe und die feministische Filmtheorie das zentrale Paradigma in der Filmwissenschaft ist.
Warum ist der Einfluss feministischer Theorie in der Filmwissenschaft so stark? Was unterscheidet die Filmwissenschaft hier von anderen Disziplinen?
Das hat glaube ich damit zu tun, dass die Filmwissenschaften im Sinne einer Institutionalisierung ungefähr zeitgleich mit einer Akademisierung des Feminismus entstanden sind. Zu dieser Zeit waren feministische Theorien stark präsent, es gab innerhalb der feministischen Wissenschaft einen enormen Theoretisierungsschub. Und auch in der Filmwissenschaft hat man sich eher semiotischen und psychoanalytischen Konzepten zugewandt, man ist der Frage nachgegangen, wie Film auf Zusehende und damit auf Gesellschaft wirkt. Film reflektiert nicht nur Realität, zusammen mit anderen Diskursen kreiert er Realität. Bei der Analyse des Subjekts, das durch die Zuseher_innenposition geschaffen wird, liegt es nahe, sich anzusehen, wie diese Position im Sinne von Gender konstruiert wird. Und für diese Frage haben sich sehr viele Frauen interessiert.
Zu Beginn deines Buchs zu Männlichkeiten im Film schreibst du: „Films have a deep impact on gender reality.“ Wie kann man/frau sich das vorstellen?
Wenn wir annehmen, dass unsere Geschlechterrealität, so wie wir sie erleben, Praktiken sind – Alltagpraktiken: Bewegungen, wie wir unseren Körper empfinden, ob wir weinen können oder nicht und wenn, wann und wie wir uns kleiden… Diese Praktiken entnehmen wir wieder aus Repräsentationsformen wie dem Film. Diese sind dort natürlich extrem ideologisch geformt und gefiltert. Beim Film und anderen massenmediale Produkten, die sehr kapitalintensiv sind und die für eine große Menge an Menschen bestimmt sind, gibt es Überlegungen wie: Ist das der Gesellschaft zumutbar? Können sie da schon mitgehen? Und Interessen, die von Personen mit größerem Einfluss vertreten werden, schlagen sich stärker durch.
Deshalb sind Filme und andere Repräsentationsformen dann das, wo etwas, das sich gesellschaftlich vielleicht schon verändert hat, noch einen Prozess durchläuft, teilweise mit großem impact. Also weil ich das Plakat hier gerade sehe: „Brokeback Mountain“ ist zum Beispiel ein totales Mainstreamen von homosexueller Liebe und Sexualität, das plötzlich sehr viele Menschen erreicht.
Wie erklärst du dir den Erfolg von „Brokeback Mountain“?
Extrem geschicktes Marketing (lacht). Also der Film basiert schon auf einer hervorragenden Kurzgeschichte. Und es gab dann Leute, die sich dahinter geklemmt haben, den Film zu produzieren – es wurde sehr lange niemand gefunden, der diesen Film machen wollte. Aber schließlich gab es dann ein gutes Drehbuch, einen sehr guten Regisseur – und der hat das äußerst geschickt angelegt.
Der Film ist ja einer der erfolgreichsten Filme im Western Genre. Und natürlich auch einer der erfolgreichsten Filme, die sich mit Gender und Queerness auseinander setzen. Aber eben auch im Western und im Genre der Romantischen Liebe. Auch in der Publikums-Zusammensetzung war er zum Beispiel bei älteren Frauen in konservativen Gegenden der USA sehr erfolgreich. Diese Geschichte der tragischen Liebe hat sie angesprochen – nur eben mit diesem neuen Aspekt. Natürlich wurde das aber auch sehr geschickt vermarktet. Der Regisseur hat in allen Interviews den schwulen Aspekt runtergespielt. Auch der Slogan „Love is a force of nature“ – „Liebe ist eine Naturgewalt“ ist sehr allgemein gehalten und da sind diese wunderschönen Naturaufnahmen – es gibt aber auch sehr viele Widersprüche, um diese geht es im Film ja auch.
Werden Männlichkeiten in Hollywood-Filmen differenzierter dargestellt als noch vor 30 Jahren?
Ja, differenzierter auf jeden Fall. Meine These zu der Funktion von Hollywood ist schon eine kritische – natürlich ist eine Differenzierung in Avantgarde-Filmen, in Experimentalfilmen, im weltweiten Kino viel früher passiert. Aber die erstaunliche Rolle von Hollywood ist eben das Mainstreamen von Neuem und von vorher noch als sehr subversiv geltenden Diskursen. Und da hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren in keinem Bereich so viel getan wie in der Darstellung von Homosexualität. Ich glaube, fünf Jahre vor „Brokeback Mountain“ hätte sich niemand zu sagen getraut, dass so ein Film – es kommt ja auch eine Analverkehr-Szene darin vor – zu den Oscars kommt, schon gar nicht, dass er als der große Oscar-Gewinner gehandelt wird. Und das passiert dann doch immer wieder.
Und das ist natürlich nur ein Beispiel. Also die Darstellung zum Beispiel von weicher Männlichkeit oder effeminierter Männlichkeit und von größeren Varianten von Männlichkeit hat zugenommen, würde ich sagen. Es war auch früher schon viel mehr da, als man jetzt vermuten würde. Es geht eher darum, wie sie jetzt ideologisch eingebunden sind und was Star-Status erreichen kann. Es wäre wahrscheinlich schwierig, einen Johnny Depp Charakter in älteren Filmen zu finden. Außer im komischen Bereich vielleicht, aber im Ernsthaften sind das neue Aspekte.
Was ist ein Johnny Depp Charakter?
In dem Sinne, dass es deutlich männliche und deutliche Queer-Aspekte gibt. Und auch deutliche Aspekte, die sonst als weiblich gegolten haben und vor allem den männlichen Aspekt unterwandert hätten. Das wäre nicht aufgegangen. Das wäre in diesem Sinne nicht akzeptiert worden, außer eben vielleicht bei einem Jerry Lewis, bei einer komischen Figur, wo aber die Komik darin liegt, dass das nicht zusammen passt. Bei Johnny Depp passt das aber mittlerweile zusammen. Und hinzu kommt eine Form der Selbstreferenzialität – es schwingt mit: Ich weiß, ich spiele jetzt mit diesen Elementen, ich bin diese zusammengesetzte Figur. Und anstatt einer Brüchigkeit wird es spielerisch. Diese Offenheit und Fluidität, die glaube ich grundsätzlich in allen Menschen und Genderformen ist – also dass sie performativ sind und nicht eingegrenzt werden können, obwohl sie medial so gezeigt werden – das spiegelt sich in der Figur Johnny Depp wider.
Kurzbio von Klaus Rieser:
Klaus Rieser ist ao. Univ. Prof. am Institut für Amerikanistik der Universität Graz. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte umfassen Film, Gender, Ethnizität und Cultural Studies. Speziellere Forschungsschwerpunkte innerhalb dieser Gebiete umfassen die Darstellung von Migration im Film und deren kulturelle Signifikanz; Männlichkeit im Film (Habilitation 2006), sowie derzeit US-Amerikanische Ikonen. Er ist Leiter des Instituts für Amerikanistik, Vorstandsmitglied der österreichischen Gesellschaft für Amerikastudien, und Mitherausgeber der Reihe „American Studies in Austria“.
Online-Visitenkarte von Klaus Rieser
Morgen: Teil 2 des Interviews. Klaus Rieser spricht darüber, warum Männer sich nicht gerne selbst beforschen, warum man/frau Postings nicht lesen sollte und über Modelle für positive Vaterschaft.
Skispringen und Eierstöcke
Aktuell kämpfen Sportler_innen aus 82 Nationen in Vancouver um die begehrten Medaillen der Olympischen Spiele. Nicht so die Skispringerinnen – Skispringen der Frauen ist nicht olympisch. Warum das so ist, hat eine Blogautorin auf „Daily Kos“ zusammengefasst und brilliant kommentiert: Link
Auch im Jahr 2010 werden noch immer Argumente ins Feld gebracht, die schon im 19. Jahrhundert beliebt waren, um Frauen aus bestimmten Bereichen auszuschließen: XXX (bitte einsetzen) sei schädlich für die weiblichen Fortpflanzungsorgane.
A****f*** im Hauptabendprogramm
Bushido ist in der „gesellschaftlichen Mitte“ angekommen. Der Rapper war bereits in unzähligen Talkshows zu Gast, lacht von der „Bravo“-Titelseite und wird auf Jugendsendern mit Preisen überhäuft; zuletzt entschied sich Bernd Eichinger dafür, seine Lebensgeschichte in Spielfilmlänge zu erzählen. Nach der Wiener Filmpremiere des entstandenen Werks „Zeiten ändern dich“ wurde Bushido vergangenen Freitag auch in der österreichischen „ZIB 24“ als „Deutschlands bester Rapper“ im Nachrichtenstudio begrüßt. Politiker wolle er werden, erzählte Bushido und gab sich wie gewohnt höflich und sachlich. „Sie haben Recht, natürlich sind die Sachen, die ich mir in der Vergangenheit geleistet habe, nicht glorreich gewesen. Und wir brauchen nicht darüber reden, dass Körperverletzung oder auch Drogenkonsum natürlich illegal und auch nicht vertretbar sind“, erklärte er seine Vergangenheit und verwies auf sein Bemühen, Jugendliche vor seinen eigenen Fehlern bewahren zu wollen.
Dieses Bild des netten, biederen jungen Mannes – wie passe das überhaupt zum Image des Skandalrappers mit den deftigen Texten, fragte Moderatorin Lisa Gadenstätter gespielt provokant. Auf die „deftigen“ Texte ging sie dabei nicht näher ein, vermutlich könnte sie Zeilen wie diese gemeint haben (damit auch alle wissen, wovon hier die Rede ist, gebe ich die Songtexte hier wieder): (Inhaltswarnung: sexualisierte Gewalt)
„Wie du in deinem Bett sitzt, halbnackt du Dr**ks***k
ich wusste das du so bist, und jeden Dreck f***t
weil du eine Frau bist und man dir in den Bauch f***t
heisst es nicht dass ich dich nicht schlage bis du blau bist.“
Oder aber:
„Ein Sch***z in den Arsch, ein Sch***z in den Mund
Ein Sch***z in die F***e, jetzt wird richtig geb***t.“
Zugegeben, abgesehen von solchen Inhalten in (bereits etwas älteren) indizierten Songs wie „Dreckstück“ fallen Bushidos Texte im Hinblick auf sexualisierte Gewalt und Frauenverachtung fast schon gemäßigt aus – im Vergleich zu seinen Rap-Kollegen. „Aggro-Berlin“ Mann Sido, der gerne bei Stefan Raab auf der Couch sitzt und vom Jugendsender VIVA mit verschiedenen Awards ausgezeichnet wurde, singt in seinem „Arschficksong“:
„Katrin hat geschrien vor Schmerz
mir hats gefallen
ich hab gelernt man kann ne Hand reinschieben
und dann ballen
ich hab experimentiert
Katrin war schockiert
sie hat nich gewusst dass der N***rdildo auch vibriert
ihr Arsch hat geblutet
und ich bin gekommen.“
Oder da wäre noch Kool Savas, der in der Bertelsmann-Kampagne „Du bist Deutschland“ für ein neues Nationalgefühl wirbt und unter anderem gegen Massentierhaltung auftritt. Auf der Bühne singt er über „Ticke Titten Enge Muschi“:
„Ich mach auf künstlich interessiert und N****n denken ich bin nett,
doch wenn ich fertig bin mit rammeln, sieht dein Loch aus wie Kotelette, F****e!
Genug gesabbelt, lass uns fi***n bis es knallt.
Steck‘ die Zunge in mein Ar******h und ich scheiss dir in den Hals.
Hoes die sagen, ich bin träge, animiere ich durch Schläge.“
Nicht nur Bushido – sexistischer Rap ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Musiker wie Bushido, Sido oder Kool Savas werden von den Medien hofiert, sie treten im Hauptabendprogramm auf, diskutieren bei Johannes B. Kerner und predigen an deutschen Schulen gegen Gewalt und Gesetzesbruch. Und daran scheint sich kaum jemand zu stören. Darauf angesprochen, dass er Frauen in seinen Songtexten häufig als „Nutte“, „Pussy“ oder „Fotze“ bezeichnet, erklärt Bushido Johannes B. Kerner, dass er die Frauen doch eh lieben würde, schließlich sei auch seine Mutter eine Frau. „Aber Herr Kerner, wenn ich ein Konzert gebe stehen neben der Bühne zehn Frauen, die mich noch nie gesehen haben und Sex mit mir wollen, die sind doch nicht zu respektieren“, ergänzt der Rapper. Alle lachen, niemand kontert.
Bushidos Liebe zu seiner Mutter widmete sich nun auch eine erklärte Gegnerin des Musikers – Alice Schwarzer. In einem offenen Brief wendet sie sich auf ihrer Website an den Rapper. Der Hintergrund: Bushido hatte vor einigen Jahren die Einladung zu einer Talkshow, in der Alice Schwarzer Sandra Maischberger vertrat, kurzfristig abgesagt. In einem aktuellen Interview erklärte er nun noch einmal, warum er nicht mit Schwarzer sprechen wolle. „Hey, Bushido, wie waren denn die Titten damals von deiner Mutter? Als du als kleiner Junge daran gesaugt hast“, könnte ihn Schwarzer fragen und damit seinen wunden Punkt treffen. „Ey, Fotze! Fick dich ins Knie!“ – so würde Bushidos Antwort lauten.
In ihrem Brief bedient sich Schwarzer der Sprache des Rappers, bezeichnet ihn als „Muttersohn“ und spielt auf die tunesische Herkunft seines Vaters an. „Indem Schwarzer die Herkunft der Eltern betont, schafft sie es auch implizit, Gewalt zu kulturalisieren“, kritisiert Blog-Autorin Magda die Frauenrechtlerin auf mädchenmannschaft.net. Schwarzer würde Bushidos Sexismus mit Xenophobie begegnen und sich dabei selbst einer diskriminierenden Rhetorik bedienen. Es stellt sich tatsächlich die Frage, was Alice Schwarzer mit ihrem wütenden Text erreichen möchte. Macht es Sinn, sich mit Bushido auf eine Schlammschlacht einzulassen? Wohl kaum. Auch wenn sie es vielleicht tatsächlich geschafft hat, „Deutschlands Rapper Nr.1“ persönlich zu treffen, indem sie auf seine nicht ganz so „harte“ Männlichkeit, die enge Beziehung zu seiner Mutter und seinen Migrationshintergrund zielt. Ändert das etwas am Sachverhalt? Texte, die Frauen erniedrigen und sexualisierte Gewalt verherrlichen, sind (besonders in Hinblick auf die minderjährige Fangemeinschaft) inakzeptabel – egal, von wem sie vorgetragen werden.
Dennoch hat hier offensichtlich ein Prozess der Normalisierung stattgefunden – Kool Savas – Lyrics schockieren nicht mehr, sie sind zum „Style“ der „Rüpel-Rapper“ geworden. „Extrem populär, ein echtes Jugendidol“, so nennt Sony-Chef Berger Bushido. Nur dass die eigene 13-jährige Tochter sich auf den Konzerten der Rapper vergnügt – das wollen die meisten dann doch lieber nicht.
Werbung: „Best“ of 2009
Der 31. Dezember 2009 naht – Zeit für Jahresrückblicke. Diesmal: Werbung. Werbungen aller Art sind eine schier unerschöpfliche Quelle für (nicht ganz so kreativ) inszenierte Geschlechterstereotype, Sexismen und normatives Zelebrieren von Heterosexualität. Auch im Jahr 2009 haben wieder einige Unternehmen gezeigt, wie das richtig gemacht wird:
Technik an potentielle Kundinnen zu verkaufen, das trauen sich nach wie vor einige Konzerne nicht zu. Warum sollte eine Frau schon einen LCD-Fernseher kaufen? Samsung hat die Lösung: „Edles Design für SIE, Technik für ihren Mann“, so bewirbt das Unternehmen eines ihrer Modelle. (Fernseher werden wohl offensichtlich auch nur von Paaren gekauft….)
(www.samsung.com)
Beim Thema „Frauen und Technik“ hat auch Dell 2009 einen beachtlichen Treffer gelandet. Ihre Notebooks, dezent in rosa und lila gehalten, wollte der Konzern mit solchen Mitteln an Frauen verkaufen (die Kampagne wurde mittlerweile geändert):
„Seven Unexpected Ways a Netbook Can Change Your Life
2. Get healthier: Track your exercise and food intake at free online sites like Fitday. Use your mini to track calories, carbs and protein with ease, watch online fitness videos, map your running routes and more.
3. Eat better: Find recipes online, store and organize them, and watch cooking videos.“ (www.dell.com)
Aber nicht nur Elektronik-Konzerne, auch die Kosmetikindustrie vergeschlechtlicht ihre Werbung immer wieder gerne auf interessante Art. So auch bei BIPA, der österreichischen REWE-Handelskette, die zuletzt während der Fußball-EM 2008 mit ihrem „EM-Anti-Missverständnis-Set“ auf sich aufmerksam machte. „Wie lange rasieren sich Frauen in einer Beziehung die Beine? Kommt auf die Geschenke an.“ Mit diesem Slogan sollte in diesem Jahr das Weihnachtsgeschäft angekurbelt werden. BIPA weiß schließlich, was Frauen (Männer) wollen. (Foto: www.bipa.at)
Mit der heterosexuellen Paarbeziehung und ihren Mythen wollte auch Bruno Banani ins Weihnachtsgeschäft einsteigen. Auf www.maenner-baeckerei.de kann frau „die Realität vergessen“ (den wenig muskulösen Freund, der nie mehr Blumen mitbringt…) und sich den eigenen Traummann backen. Der kann dann „böser Junge“, „Macho“ oder „Romantiker“ sein. Interessant auch die „Eigenschaften“, die da zur Auswahl stehen. „Fährt ein teures Auto“ und „Im Restaurant zahlt immer er“ zum Beispiel. (www.maenner-baeckerei.de)
Das „Glanzstück“ des Jahres 2009 kommt jedoch aus einer ganz anderen Ecke. Bei der vergangenen österreichischen Hochschüler_innenschafts-Wahl kanditierte die „Junge Europäische Studenteninitiative“ und wollte unter anderem gegen das Binnen-I in Diplomarbeiten ankämpfen. „Erreichen wir durch weiblichen Charme nicht mehr, als durch frustriertes Emanzentum ?“ fragte „JES“ und warb dafür mit diesem Sujet (www.jes.or.at):
Wie heißt es so schön? Jeder weitere Kommentar überflüssig.
Link: „Rosa hat einen infantilen Charakter“ – Interview auf sueddeutsche.de
Wieder lieben
„Mit Karin und mir lief alles gut – bis ich eines Tages Erektionsprobleme bekam.“ Mit diesen Worten beginnt der TV-Spot für die Online-Plattform „wiederlieben.at“, der in den vergangenen Wochen auf österreichischen Kanälen zu sehen war. Hinter der Website, die über Erektionsstörungen informiert, steht die „Eli Lilly Gesellschaft m.b.H.“, die heimische Niederlassung eines Global Players der Pharmaindustrie. Werbung für Mittel und Wege bei Erektionsproblemen kennt man bzw. frau eingentlich eher aus den täglichen Spam-Mails zum Thema Potenz. „Bestellen Sie jetzt und vergessen Sie Ihre Enttäuschungen, anhaltende Versagensängste und wiederholte peinliche Situationen“ oder aber „Gar nicht mehr zu frueh kommen und die Frau gut und hart voegeln!“ steht da mitunter geschrieben.
Anders auf „wiederlieben.at“. Dort versucht die Pharmaindustrie, die „Standhaftigkeit des Penis“ nicht als ultimative Quelle „männlicher Versagensangst“, als Flaggschiff des Selbstwertgefühls zu präsentieren, sondern Erektionsstörungen als häufiges und behandelbares „Problem“ zu erklären. „Ist ein Mann müde, überlastet oder hat zu viel getrunken, ist es ganz normal, dass keine ausreichende Erektion erfolgt“, werden die Leser_innen aufgeklärt.
Der Mann im TV-Spot spricht schließlich mit Karin, erkundigt sich im Internet und entschließt sich für einen Arztbesuch. Und da wird es interessant. Zu Beginn des Spots, als noch alles gut läuft, sind Karin und ihr Liebster in einer klassischen hetereosexuellen Paar-Pose zu sehen: Karin im Bett, er beugt sich über sie. Doch dann kommen die Erektionsstörungen ins Spiel. Und so darf sogleich Karin am Steuer sitzen: Während sonst in gefühlten 90 Prozent der Werbespots ein Mann den Wagen lenkt (wie z.B. hier), wird der Mann mit den Erektionsstörungen von seiner Frau abgeholt und auf dem Beifahrersitz liebevoll getätschelt. Aber nicht nur im Auto, auch im Schlafzimmer darf er jetzt die klassisch weibliche Pose einnehmen: Er liegt „unten“, sie beugt sich über ihn und darf den aktiven Part übernehmen. So einfühlsam und „emannzipiert“ der Spot auf den ersten Blick wirkt – so viele Stereotpye eines klassischen Männerbildes spiegeln sich hier wieder.
Und auch auf der Website werden gängige Rollenklischees bedient. „Oft ist die Frau die treibende Kraft, ein Gespräch in die Wege zu leiten. Seien Sie – liebe Frau – behutsam“, sagt „wiederlieben.at“. Überhaupt scheinen nur heterosexuelle Männer (in einer Paarbeziehung) Erektionsstörungen zu kennen – es ist nur von der „betroffenen Frau“ die Rede. Und die „gibt sich gerne die Schuld, den Mann nicht mehr ausreichend erregen zu können.“ Und wo wir schon beim Thema Normalisierung wären: Die Website bietet auch einen Selbsttest an, um die eigene Potenz richtig einschätzen zu können. Und hier erfährt man/frau, wozu eine Erektion benötigt wird: „Wenn Sie bei sexueller Stimulation eine Erektion hatten, wie häufig war diese ausreichend für eine Penetration (Einführen des männlichen Gliedes in die weibliche Scheide)?“ – Hier sprechen die Queer Studies von „Heteronormativität“: Heterosexualität erscheint als „natürlich“, als Norm, Sexualität passiert auf „wiederlieben.at“ ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau, wobei die Frau „pentriert wird“ – so werden nicht-heterosexuelle Formen des Begehrens ausgrenzt.
Karin und dem Mann mit den Erektionsstörungen geht es aber schon wieder „viel besser“. Dank wiederlieben.at. (www.wiederlieben.at)