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Das Match

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Wer jemals  „Die männliche Herrschaft“ von Pierre Bourdieu gelesen hat, dem muss die ORF-Dokusoap „Das Match“ (ORF 1, Dienstags 21.o5 Uhr) wie eine lehrbuchhafte Verfilmung einiger Kapitel des wissenschaftlichen Klassikers erscheinen. Für alle, die das österreichische Sendungsformat nicht kennen: Hans Krankl und Herbert Prohaska trainieren jeweils eine (Fußball-)Mannschaft aus heimischen (mehr oder minder) Prominenten, die schlussendlich gegeneinander und gegen eine deutsche Mannschaft antreten (in der ersten Auflage vor zwei Jahren hat Hans Krankl das noch alleine gemacht).

Da treffen nun also Schlagersänger, Kabarettisten, ORF-Journalisten und Schifahrer aufeinander und werden von den österreichischen Legenden Krankl und Prohaska nach ihren Vorstellungen geformt. Wöchentlich können so die faszinierenden Prinzipien männlicher Vergemeinschaftung auf ORF 1 beobachtet werden. Das beginnt schon bei der Zimmereinteilung – die Hotelzimmer müssen nämlich zu zweit bezogen werden, noch dazu stehen da Doppelbetten. Angesichts dessen packt Promi-Winzer Leo Hillinger sogleich die Bettwäsche seines Zimmergenossens und verfrachtet sie auf die Couch. Mit einem Mann in einem Bett schlafen, das sei ausgeschlossen –  schließlich könne der ja „in der Nacht rübergreifen“. In anderen Zimmern belässt man es bei einigen Scherzen, die die eigene Heterosexulität spielerisch unter Beweis stellen sollen.

Auf dem Fußballplatz geht es dann an die Arbeit, an die „ernsten Spiele“, die „sich (…) am besten dazu eignen, die sichtbaren Merkmale der Männlichkeit hervorzubringen und die so genannten männlichen Eigenschaften unter Beweis und auch auf die Probe zu stellen.“ Hans Krankl bevorzugt  den militärischen Stil und lässt seine Schützlinge ohne Pause rennen und schwitzen – Widerworte strengstens verboten. Das gegnerische Team muss dabei ab sofort zum Feind erklärt werden, auch das getrennte Brüderpaar soll keine Sentimentalitäten mehr zeigen, wenn es um den Wettbewerb geht. Bei Prohaska steht die Technik im Vordergrund, Ballkünstler will er aus den Promis machen. Nach wenigen Minuten drückt dem angehenden Tormann Hillinger allerdings schon der Schuh. „Könnte das einzige Mädchen bitte wieder zurück zur Gruppe kommen?“, ruft Prohaska lautstark über den Platz. Hillinger beklagt seine Schmerzen und verliert sogleich seinen Status – ab sofort wird er von Trainer und Kollegen „Leonie“ gerufen. Seine Männlichkeit, die „vor und für die anderen Männer und gegen die Weiblichkeit konstruiert ist“, wird auch angezweifelt, als ihn ein Ball später mit voller Wucht zwischen die Beine trifft. „Da is ja nix, da kann dir nix wehtun!“

Bei der abendlichen „Challenge“ treten die beiden Mannschaften dann bei einem Geschicklichkeitstest gegeneinander an – die fehlende Ernsthaftigkeit des Teams Prohaska (da wird gesungen und getanzt) bringt Krankl auf die Palme. Nach kurzem Überlegen setzt er den stärksten Mann Österreichs auf das „Mädchen“ Leonie Hillinger an – die beiden wälzen sich vor versammelter Mannschaft am Boden, bis sich Hillinger nach heftigem Einsatz schließlich geschlagen gibt. („Wie die Ehre – oder ihre Kehrseite, die Scham, die bekanntlich im Unterschied zur Schuld vor den anderen empfunden wird – muß die Männlichkeit in ihrem wahren Wesen aktueller oder potentieller Gewalt von den anderen Männern bestätigt und durch die anerkannte Zugehörigkeit zur Gruppe der ‚wahren Männer‘ beglaubigt werden“).

Dann kann endlich der eigentliche Wettbewerb beginnen, Team Prohaska gewinnt knapp, Team Krankl wird nachträglich disqualifiziert. Das will Krankl nicht akzeptieren, mitsamt seiner Mannschaft verlässt er unter dem Johlen der Gegner den Platz. Er „bleibt hart und verwehrt den Siegern jegliche Ehrerbietung“, so der Fernsehsprecher. Seine Schützlinge sehen das schließlich anders, „verweigern den Gehorsam“ und empfangen die Sieger applaudierend in der Hotellobby. Nach einigem männlichen Schulterklopfen herrscht wieder Harmonie – der „faire Kampf unter Männern“ wird in der nächsten Woche fortgesetzt.

Model, Topmodel

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„Germany’s Next Topmodel“ läuft seit März bereits in seiner fünften Auflage auf „Pro 7“ und ist (vor allem bei der jungen, weiblichen Zielgruppe) so unglaublich erfolgreich, dass Verantwortliche anderer Sendeanstalten vor Neid erblassen. Abgesehen von den Top-Quoten wurde das Reality-Format nicht zuletzt aufgrund des zweifelhaften Frauenbilds, das in der Sendung präsentiert wird,  in den vergangenen Jahren in den (Print-)Medien rauf und runter besprochen. Eine Kritik an der Model-Show holt also wahrscheinlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor, dennoch hat mich meine späte Annäherung zu einem Kommentar inspiriert.

Denn „Germany’s Next Topmodel“ hat mich unglaublich fasziniert. Nicht nur, dass die Sendung sehr unterhaltsam (wenn auch immergleich) gemacht ist, das Format sucht in der Welt des Reality-TVs wohl seinesgleichen. Vermutlich ist es falsch, „Germany’s Next Topmodel“ als Reality-TV-Show zu bezeichnen, wohl eher handelt es sich um einen Werbespot in der Endlosschleife. Und dabei wird nicht wirklich ein Produkt beworben, auch wenn die Sendungsblöcke nur Platzhalter für die vielen Hinweise auf Lippenstift, Fasten-Joghurt, Immunstärkungs-Drink und Frauenmagazine sind. Der Fortsetzungs-Spot stellt Werbung in seiner modernen Form dar. „Konsumentinnen und Konsumenten werden nicht mehr zum Kauf [eines Produkts] angeregt, sondern zur Übernahme eines bestimmten Lifestyles, zur Übernahme dominanter Rituale, wobei das Produkt als deren unabdingbarer Teil akzeptiert werden soll“, schreibt Matthias Marschik dazu in einem Sammelband zu Cultural Studies und Medienanalyse.

Und würde man/frau sich den vielzitierten „neoliberalen Mythos“ als Werk eines verschwörerischen Kreises brillianter Köpfe vorstellen, so könnte das Drehbuch zu „Germany’s Next Topmodel“ aus ihrer Feder stammen. Gebetsmühlenartig werden die immer gleichen Slogans wiederholt: Jede kann es schaffen, wenn sie es nur will, wenn sie sich nur (trotz Hakennase oder breiten Hüften) genügend anstrengt, wenn sie alles tut, was Produzent_innen und Kund_innen verlangen und dabei noch richtig Spaß hat. Disziplinierung, das steht dabei an erster Stelle. Brav aufgereiht stehen die Kandidatinnen in einer Schlange, wenn Übermutter Heidi Klum Anweisungen gibt, nach jedem Statement eines Stargasts oder angeblichen Auftraggeber_innen wird hingebungsvoll geklatscht. Die Bereitschaft, auch wirklich alles für den großen Erfolg (der greifbar nahe ist!) zu tun, wird demonstriert, wenn die Kandidatinnen mit Schlangen und Spinnen kuscheln, bei Minusgraden im Regen stehen und sich (fast) nackt fotografieren lassen. Der Kunde und die Kundin wollen es ja schließlich so. Und wer sich ganz ohne Tränen und Widerstand gleich zu Beginn die Haare abschneiden („umstylen“) lässt, die beweist ihren wahren Sinn fürs Große Ganze. Competition, Competition darf dabei nicht vergessen werden. „Ihr seid Konkurrentinnen!“, wird immer wieder ausgerufen. Nur Eine kann sich durchsetzen, nur Einer gehören bald Hollywood-Villa und Rolex-Uhr.

Unter dem Titel „Frauenquälen für die ganze Familie“ kommt FAZ-Journalist Jörg Thomann zu folgendem Schluss: „Sexismus, so glaubte man, ist heute kein Problem mehr. Doch das ist ein Irrtum. Der Unterschied zu früher: Viele Frauen machen bereitwillig mit.“ Doch abgesehen vom ersten Satz, in dem sich ein fast schon naiv-heiterer Irrglaube versteckt, täuscht sich der Autor meiner Ansicht nach, was die weibliche Exklusivität in Sachen freiwilliger Erniedrigung betrifft. Ich glaube kaum, dass nicht auch (wenn vielleicht auch nicht so viele) Männer Schlange stehen würden, um von Heidi Klum (oder Markus Schenkenberg?) geformt zu werden. Verhindert wird das wohl nur von der gigantischen Industrie im Hinter- bzw. Vordergrund, die Millionbeträge dafür ausgibt, um der konsumfreudigen Zielgruppe ganz nahe zu sein. Der Markt für den Herren-Abdeckstift ist einfach (noch) zu klein. Ansonsten stünde dem Gegenpart des Formats wohl nichts im Wege, schließlich leben Medien und Werbung von „Veränderungen und Flexibilität und nicht von Aufbau von Dichotomien, sie leben von Mythen und nicht von ‚Information‘ im weitesten Sinn“.

Morgen um 20.15 Uhr ist es wieder so weit. Da beweisen die angehenden Topmodels wieder, dass „Persönlichkeit“ ein Gesichtsausdruck, Glück ein Shopping-Gutschein, ethnische Identität ein Cappuccino-Teint und High-Heels die Werkzeuge einer Frau sind.

Link: Medienwissenschafterin Tanja Thomas zu „Germany’s Next Topmodel“ auf diestandard.at
Foto: CC ds1987

Für zwischendurch

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Angry Mouse berichtet auf „Dailykos“ über die Bestrebungen einiger Wissenschafter in den USA, neue „Male Studies“ zu gründen. Die Motivation von Lionel Tiger und Co: „The already existing men’s studies programs do not critique the irritating, self-righteous almighty feminists.“

Auf „Spiegel Online“ wird ein neues Männermagazin vorgestellt, das aus Brasilien importiert wurde. Redakteur Christoph Wickel kommt nach dem ersten Durchblättern zum Schluss, „dass sich ‚Trip‘ im doch recht vollgestellten Herrenmagazin-Markt womöglich ein Alleinstellungsmerkmal als Fachblatt für Post-Krisen-Maskulinität erarbeiten will.“ „Gang Bang“ statt teurer Escort-Girls – darüber wird in der ersten deutsprachigen Ausgabe berichtet.

Über die Seminare von „Herzenskrieger“ Björn Leimbach habe ich schon einmal berichtet. Nun kann man sich auf „MANNSEIN“ im Interview mit dem Autor anhören, warum Männer zu sehr vom „Weiblichen“ beeinflusst werden und wie Mann sich gegen Frauen durchsetzen kann. Gute Unterhaltung!

Und wieder mal ein Highlight auf ORF Science: Ein neu entwickelter Hormonspray soll Männer sensibel machen. Ein Stoß Oxytocin – schon denken sie „weiblicher“.

Hörtipp

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Leider habe ich im Moment ganz wenig Zeit fürs Bloggen, aber immerhin mit einem Hinweis kann ich euch versorgen: Das ö1 Radiokolleg sendet die Reihe „Das vernachlässigte Geschlecht – Männer im Umgang mit ihren Gefühlen“. Teil 1 wird heute um 22.15 Uhr wiederholt, morgen Dienstag und am Mittwoch sind Teil 2 und Teil 3 jeweils um 9.05 Uhr und am Abend zu hören. Schon die Ankündigung lässt Spannendes im positiven und negativen Sinn erwarten: ”Wie geht ‚Mann sein‘ heute angesichts von Männlichkeitskritik, Entwertung, Vaterlosigkeit, Krankheit, Trennungserfahrungen, Rollenverschiebungen, Leistungsdruck und Beziehungsalltag? Welche Chancen haben die traditionellen und die ’neuen‘ Männer?“

Link – Ö1 ist auch online hörbar!

Listige Frauen

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In der letzten Vorlesungseinheit zum Thema „Wie sozial ist wissenschaftliches Wissen?“ haben wir uns über die Erforschung des weiblichen Gehirns unterhalten. Und da wurde etwa im 19. Jahrhundert festgestellt, dass Frauen besonders „listig“ seien (wenn schon nicht schöpferisch und genial). Im 21. Jahrhundert sind dafür offensichtlich die Hormone verantwortlich:

Männer sind wegen des höheren Testosteronspiegels generell leichter zu reizen als Frauen, diese bleiben viel länger besonnen. Ein Mann benutzt viel leichter rohe Gewalt, Frauen agieren hingegen gerne mit List, erläutert Kriminalpsychologe Hauptmann.“
Das ist heute unter dem Titel „Männliche“ und „weibliche“ Verbrechen auf orf.at zu lesen. Link

Was gibt’s Neues?

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Interessante Links aus den vergangenen Tagen (bzw. Wochen):

Einen schockierenden Bericht über die Diskriminierung von Frauen in Indien gibt es auf diestandard.at: „Eine Tochter groß ziehen, das heißt, den Garten des Nachbarn bewässern“, lautet ein indisches Sprichwort. Die Folge: Weibliche Föten werden vermehrt abgetrieben.

Sadomasochismus ist nach wie vor Thema in der „EMMA„. Alice Schwarzer schreibt über neue wissenschaftliche Studien zu den Ursachen und Wirkungen sexueller Fantasien.

Sind Pornodarstellerinnen gewöhnliche Schauspielerinnen? Einen Beitrag dazu gibt es auf der Mädchenmannschaft.

We are a sexually schizophrenic nation“ – Ein wie immer interessanter Kommentar auf „dailykos“.

Unter dem Titel „Fürsorge – Frauensache“ kommentiert Violetta Simon in der Süddeutschen Zeitung die Probleme bei der Alten- bzw. Krankenpflege in Deutschland.

Vorträge, Konferenzen, Seminare, Call for Papers – Vorbeischauen auf Salon 21 lohnt sich immer.

Und schon wieder ein sehenswerter Werbespot. (Auch in allen anderen „Old Spice“ – Spots ist das Männerbild sehr interessant…):

In den Medien

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Interessante Artikel aus den vergangenen Wochen:

„Eine Chimäre stellt die traditionelle Theorie der Geschlechtsentwicklung infrage“ schreibt Robert Czepel auf science.orf.at.  Neuer Stoff für Anne Fausto-Sterling: Biolog_innen suchen bei Hühnern jetzt nach der Geschlechtsidentität auf der Ebene der Zellen. Link

85 Prozent der abgelehnten Anträge auf Notstandshilfe in Österreich betreffen Frauen. Nachzulesen auf standard.at. Link

Tina Groll titelt in der „Zeit“: „Frauen müssen auf junge Väter setzen“ Link

Ebenfalls in der „Zeit“ berichtet Johanna Kutsche vom Männerkongress „Neue Männer – Muss das sein?“ Link

Im „Spiegel“ inspirierte der Kongress Jens Lubbadeh zum Text „Frau muss man sein!“. „Jungen müssen in der Schule ihre Körperlichkeit und Aggression einbringen können“ wird da unter anderem behauptet. Link

87 Prozent der Autor_innen auf Wikipedia sind Männer – darauf weist EMMA-Journalistin Susanne Patzelt in „Nichts wie rein ins Internet“ hin. Link

Die „taz“ lieferte zum Internationalen Frauentag Sonderseiten zum Thema Männer ab. Da wurde unter anderem vom „Neuen Mann“ als „scheues Reh“ berichtet. Link

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