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Der Mann, ein hormongesteuertes Tier

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So in etwa lässt sich die Essenz der Profil Cover-Story „Testosteron: Was macht den Mann zum Mann?“ zusammenfassen. Und weil der im Iran geborene Rapper Nazar gleich zuschlägt und dicke Muskeln hat, im Gefängnis war und die „Bewegung im Blut hat“, laufen ihm die Frauen in Scharen hinterher, sagt Profil. Die viele unglaublichen Passagen möchte ich gar nicht alle einzeln kommentieren, aber wer hier die Postings zu „Alles über die Männer“ und „Alles über die Frauen“ und sonstige Einträge, die sich mit Hormonen und der „Wissenschaft“ vom Geschlecht gelesen hat, findet im Profil-Artikel den Beleg, dass sich solche Diskurse über Jahrhunderte und Jahrzehnte fortschreiben und lediglich ihr Gesicht verändern.

Nur eines sei erwähnt: „Diesen kleinen Unterschied wollen Männerforscher wieder stärker betonen, weil er in einer feministisch verblendeten Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund getreten ist. Sie wenden sich gegen Gleichmacherei der Geschlechter und plädieren dafür, dass Buben wieder Buben und Männer wieder Männer sein dürfen.“ Ein wenig Recherche-Arbeit dürfte man/frau sich in einem seriösen Nachrichtenmagazin doch erwarten. Wer wurde hier befragt? Barbara Rosenkranz?

Einen Eintrag dazu gibt es ebenso auf dem Mädchenblog.

Für zwischendurch

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Angry Mouse berichtet auf „Dailykos“ über die Bestrebungen einiger Wissenschafter in den USA, neue „Male Studies“ zu gründen. Die Motivation von Lionel Tiger und Co: „The already existing men’s studies programs do not critique the irritating, self-righteous almighty feminists.“

Auf „Spiegel Online“ wird ein neues Männermagazin vorgestellt, das aus Brasilien importiert wurde. Redakteur Christoph Wickel kommt nach dem ersten Durchblättern zum Schluss, „dass sich ‚Trip‘ im doch recht vollgestellten Herrenmagazin-Markt womöglich ein Alleinstellungsmerkmal als Fachblatt für Post-Krisen-Maskulinität erarbeiten will.“ „Gang Bang“ statt teurer Escort-Girls – darüber wird in der ersten deutsprachigen Ausgabe berichtet.

Über die Seminare von „Herzenskrieger“ Björn Leimbach habe ich schon einmal berichtet. Nun kann man sich auf „MANNSEIN“ im Interview mit dem Autor anhören, warum Männer zu sehr vom „Weiblichen“ beeinflusst werden und wie Mann sich gegen Frauen durchsetzen kann. Gute Unterhaltung!

Und wieder mal ein Highlight auf ORF Science: Ein neu entwickelter Hormonspray soll Männer sensibel machen. Ein Stoß Oxytocin – schon denken sie „weiblicher“.

In den Medien

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Interessante Artikel aus den vergangenen Wochen:

„Eine Chimäre stellt die traditionelle Theorie der Geschlechtsentwicklung infrage“ schreibt Robert Czepel auf science.orf.at.  Neuer Stoff für Anne Fausto-Sterling: Biolog_innen suchen bei Hühnern jetzt nach der Geschlechtsidentität auf der Ebene der Zellen. Link

85 Prozent der abgelehnten Anträge auf Notstandshilfe in Österreich betreffen Frauen. Nachzulesen auf standard.at. Link

Tina Groll titelt in der „Zeit“: „Frauen müssen auf junge Väter setzen“ Link

Ebenfalls in der „Zeit“ berichtet Johanna Kutsche vom Männerkongress „Neue Männer – Muss das sein?“ Link

Im „Spiegel“ inspirierte der Kongress Jens Lubbadeh zum Text „Frau muss man sein!“. „Jungen müssen in der Schule ihre Körperlichkeit und Aggression einbringen können“ wird da unter anderem behauptet. Link

87 Prozent der Autor_innen auf Wikipedia sind Männer – darauf weist EMMA-Journalistin Susanne Patzelt in „Nichts wie rein ins Internet“ hin. Link

Die „taz“ lieferte zum Internationalen Frauentag Sonderseiten zum Thema Männer ab. Da wurde unter anderem vom „Neuen Mann“ als „scheues Reh“ berichtet. Link

Wien

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Was tut sich denn so in Wien? Kunst, Wissenschaft und Party aktuell:

Noch bis zum 14. Februar läuft im Wiener MUMOK die Ausstellung „Gender Check“ – Rollenbilder in der Kunst Osteuropas. Gezeigt werden mehr als 400 Arbeiten ab den 1960er Jahren, die sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzen.

Foto: MUMOK

„Noch unter dem Mikroskop finden sich Geschlechterhierarchien…“ Geschlechterideologien in Molekular-, Mikro- und Zellbiologie. Die deutsche Biologie Kerstin Palm referiert am 27. Jänner am Campus der Universität Wien.

Einen Newsletter des Gender Studies-Referat der Uni Wien gibt es ab sofort auch online als PDF abrufbar: Die Kehrseiten.

Die neue „fiber„, Zeitschrift für Feminismus und Popkultur, ist da. Diesmal geht es ums „Dazwischen„: „In der letzten fiber gab es noch klar benennbare Fronten, die stets einem binären Schema folgten: Frauen*, Männer*, links, rechts, usw. Die “Realität” hatte uns eingeholt, der Wut über hegemoniale und heteronormative Machtstrukturen und deren Verschärfungen wollte Raum gegeben werden.“ Gefeiert wird das Ganze am 29. Jänner in der Garage Theater X am Petersplatz.

Deutsch-Mann, Mann-Deutsch

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Weihnachten naht, da wird es dem/der einen oder anderen unter euch nicht erspart bleiben, ein so tolles Buch wie Langenscheidt’s „Deutsch-Mann Mann-Deutsch“ unter dem Baum zu finden. Ich wurde bereits (bestimmt in guter Absicht) mit dem genannten Buch und anderen Klassikern wie „Männer essen Fleisch, Frauen essen Gemüse“ beschenkt. Auf Geschlechter-Stereotype hat sich mittlerweile eine ganze Industrie konzentriert: „Männer sind anders. Frauen auch“, „Wie Frauen ticken“, „Warum die nettesten Männer bei den schrecklichsten Frauen bleiben“ – diese Liste ließe sich nahezu endlos fortführen. Einen weltweiten Bestseller landeten zuletzt Barbara und Allan Pease mit „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“, in dem sie „ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen“ liefern.

Das Frauenbild, das in solchen Publikationen skizziert wird, lässt sich schnell zusammen fassen: Frauen gehen gerne Einkaufen (am liebsten Schuhe), wollen dauernd reden, haben eine Schwäche für Weiches, Pinkes und Schönes und keinen Sinn für Technik oder die Attraktivität von großen Fleischstücken. Männer schneiden in der Regel noch viel schlechter ab: Sie sind ohne Frauen kaum überlebensfähig (zumindest würden sie dann nicht mehr Duschen, Kochen, Aufräumen oder Familienmitgliedern zum Geburtstag gratulieren), haben keinen Geschmack, was Kleidung oder Inneneinrichtung betrifft, denken dauernd an Sex und lesen im besten Fall eine Sportzeitschrift auf dem Klo.

Nun gut, das Ganze könnte man als (mehr oder weniger) amüsante Lektüre ad akta legen und nicht weiter darüber nachdenken. Aber der explosionsartige Anstieg der Veröffentlichungen zu Geschlechter-Unterschieden kann natürlich kaum als „zufällig“ eingestuft werden. Geschlecht, das ist die relevante Unterscheidung unserer Zeit. Und deshalb suchen die Wissenschaft, die Populär-Wissenschaft und die Kabarettszene nach den Unterschieden zwischen den männlichen und weiblichen Gehirnen und Verhaltensweisen. Das spiegelt sich auch in der Naturwissenschaft, die gerne als objektiv und frei von Ideologie präsentiert wird, wider. Das produzierte Wissen der verschiedenen Fachgebiete  ist jedoch stark historisch und gesellschaftlich verankert – war es im 19. Jahrhundert etwa noch „normal“, nach Unterschieden zwischen verschiedenen „Rassen“ zu suchen, hat eine solche Forschung mittlerweile (zum Glück) völlig an Bedeutung und gesellschaftlicher Legitimation verloren.

Die amerikanische Biochemikerin Anne Fausto-Sterling, die Wissenschaftskritik zu ihrem Spezialgebiet erklärt hat, sieht sich in ihrer Forschungsarbeit die Biologie genauer an und fragt nach den Forschungsdesigns und den Vorannahmen und Erwartungen, mit denen Naturwissenschafter_innen ins Feld gehen. In „Sexing the Body“ zeigt sie zum Beispiel, wie die Erforschung des „corpus callosum“ im menschlichen Gehirn, wo verschiedene Wissenschafter_innen die „weibliche Intuition“ und diverse andere vergeschlechtliche Merkmale lokalisiert sehen, von zahlreichen Ungereimtheiten begleitet wird und einst dazu gedient hat, die Unterschiedlichkeit von Europäer_innen und Afrikaner_innen zu beweisen. Nicht zuletzt sind auch in den Naturwissenschaften Methoden und Ergebnisse äußerst umstritten und weichen mitunter stark voneinander ab – davon ist in diversen Büchern jedoch wenig zu lesen.

Die Denkweise, dass Männer und Frauen unterschiedliche Gehirne haben und deshalb auch über unterschiedliche Fähigkeiten und Interessen verfügen, erfüllt nebenbei auch ein menschliches Bedürfnis: einfache Erklärungen für sehr komplexe Sachverhalte. „Nicht umsonst ist die Pantomime eine von Männern dominierte Kunst. Denn statt vieler Worte benutzen Männer lieber ihren Körper als Medium. Das erspart ihnen erstens den – in ihren Augen unfairen – Kampf mit der bekanntlich verbal überlegenen Frau. (…) Bisweilen hilft es dann, sich den Mann als Tierchen vorzustellen, weil sein Verhalten oft nicht sehr weit von dem entfernt ist, was man sich im Zoo anschauen kann“, schreiben Susanne Fröhlich und Constanze Kleis in „Deutsch – Mann, Mann – Deutsch“. Weil Männer „tief im Inneren“ eben doch Höhlenmenschen sind.

Als Fazit aus einer solchen Lektüre postet ein Leser auf Amazon: „Wer einsieht, dass Mann und Frau nicht nur verschieden aussehen, sondern auch verschieden denken, wird erkennen, dass sie zwei Teile vom gleichen Ganzen sind!!“ Und diese These wird von verschiedenen Autor_innen (und auch Politiker_innen) immer wieder gerne aufgegriffen: Frauen sind anders, Männer sind anders – deshalb müssen sie sich gegenseitig suchen, finden und ergänzen, um glücklich zu werden. Womit auch die hierarchische Ordnung der Sexualitäten wieder erklärt und begründet wäre…

Link: Reader „Gender, Science and Technology“, Referat Gender Studies Wien

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