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Und sie dreht sich doch nicht oder Einblick in eine androzentrische Kosmologie

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Die aktuelle Profilausgabe nimmt die Freilassung von Strauss-Kahn, der Mitte Mai u.a. der versuchten Vergewaltigung angeklagt worden ist, zum Anlass für eine Coverstory mit dem Titel „Was den Mann treibt“, die sich, so die zusätzliche Information auf der Titelseite, damit befasst, warum Männer für Sex alles riskieren.

Dabei ist die sprachliche Aufbereitung der Titelgeschichte (die noch nicht gewonnene Schlacht des Angeklagten oder die Klägerin, die keine brauchbare Waffe mehr sei, der Charakter-Bankrott der Klägerin) das kleinere Übel. Vielmehr geht es um den darin befindlichen Grundton, der auch in Worten dargelegt wird: Denn weniger geht es in dem Artikel darum, was Männer dazu treibt Frauen zu vergewaltigen, sondern um Männer, denen „Frauen zum Verhängnis geworden“ sind (S. 68). Dieser Grundton realisiert sich auch in der Auswahl der die Titelgeschichte begleitenden Kurzartikel, wie jener Beitrag über das männliche und weibliche Gehirn und die damit verbundene Triebanatomie (Dieses Mal müssen Hormone wie Testosteron und Cortisol und die unterschiedliche Entwicklung des männlichen Gehirns als Erklärungsgründe herhalten.) und das Interview mit Catherine Millet, Autorin und Chefredakteurin einer Pariser Kunstzeitschrift.

Millet, die diese Klage als „feministisches Cinderella-Märchen“ bezeichnet, vertritt die Meinung, dass Frauen ein für alle Mal erklärt werden müsse, dass eine Vergewaltigung nichts sei, wobei frau zu Tode komme, sondern etwas, nach dem frau wieder aufstehen, sich waschen und ihr Leben wieder aufnehmen könne. Es sind unter anderem wohl Ansichten wie diese, die dafür sorgen, dass in Österreich so wenige Frauen, denen Männer sexuelle Gewalt antun, eine Anklage wagen.

Angesichts solcher Titelgeschichten ist meiner Meinung nach der Zweifel, ob sich die Erde tatsächlich dreht, ein durchaus angebrachter.

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Filmtipp: Die Frau mit den 5 Elefanten

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Gute Dokumentarfilme leben oft von der Nähe zu ihren Protagonist_innen. Ihnen nahe zu sein und sie doch nicht zu vereinnahmen oder sich von ihnen vereinnahmen zu lassen, ist ein Kunststück, das nur selten gelingt. Dem Filmemacher Vadim Jendreyko ist es gelungen. Er hat Swetlana Geier zweieinhalb Jahre lang mit der Kamera begleitet und ein eindrucksvolles Porträt der Übersetzerin geschaffen. Fünf große Romane des berühmten russischen Schriftellers Fjodor M. Dostojewski hat sie ins Deutsche übersetzt und sich dafür fünfzehn Jahre Zeit genommen. Geier wurde 1923 in Kiew geboren, als in den 1940er Jahren dort die Nazis einmarschierten, profitierte sie von dem Sprachunterricht, den sie schon als junges Mädchen genossen hatte und konnte als Übersetzerin nach Deutschland reisen.

Als sie 60 Jahre später in ihre Geburtsstadt zurückkehrt, begleitet sie Jendreyko auf dieser Reise. Neben diesen sehr emotionalen und persönlichen Szenen ist Swetlana Geier auch bei ihrer Übersetzungsarbeit zu sehen: Satz für Satz diktiert sie einer Freundin, die sich jeden Tag  in ihrem kleinen Haus einfindet und dabei stets auf Pünktlichkeit und Disziplin pocht. Jeder noch so banalen Situation verleiht Geier durch ihre klugen Kommentare einen philosophischen Anstrich, dabei wirkt es, als ob sie die Anwesenheit der Kamera längst vergessen hätte. Dass Swetlana Geier, die vergangenen November verstorben ist, erst durch diesen Film einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, liegt wohl auch daran, dass Übersetzer_innen ein Schattendasein führen; Autor_innen schaffen große Werke und werden berühmt, Übersetzer_innen leisten ihre Arbeit im Hintergrund – und sind häufig Frauen. Gerade dieser Umstand macht „Die Frau mit den 5 Elefanten“ (2009) so sehenswert:

Theaterland in Männerhand

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Wie die SP-Frauenvorsitzende in Oberösterreich, Sonja Ablinger, kürzlich vorrechnete, ist die Männerquote an österreichischen Theatern beschämend. Am Wiener Burgtheater findet sich etwa in der Saison 2010/2011 bei sieben Premieren keine einzige Regisseurin oder Autorin, auch in der darauffolgenden Saison schreiben und inszenieren ausschließlich Männer. Dass am Burgtheater, dem Aushängeschild der österreichischen Theaterszene, noch nie eine Direktorin waltete, erscheint da wenig verwunderlich. „Die Forderung nach einer Burgtheater-Direktorin klingt so exotisch wie die Forderung nach einer Päpstin“, meinte dazu Barbara Klein, Intendantin am KosmosTheater im Rahmen einer Pressekonferenz der 20000frauen.

Auch an anderen Theatern sieht es mit einigen wenigen Ausnahmen nicht viel besser aus, wie die Aufstellung von Sonja Ablinger zeigt. (Auffallend ist, dass an jenen Häusern, wo Frauen in Leitungsfunktionen arbeiten, vergleichsweise häufiger Autorinnen und Regisseurinnen zu finden sind.) Dieses Geschlechterverhältnis erscheint gerade deshalb unverständlich, da an künstlerischen Hochschulen und Ausbildungsstätten Frauen keineswegs unterrepräsentiert sind.


Das Burgtheater: Frauen bitte draußen bleiben (Foto)

Eine besonders absurde Note erhalten diese Strukturen durch den Umstand, dass an den meisten österreichischen Theatern mindestens 60 Prozent der Besucher_innen Frauen sind. Erst jüngst veröffentlichte die Fachhochschule Salzburg eine Studie, die Männer als „Kulturmuffel“ auswies. „Kultur sei aber auch eindeutig Frauensache. Frauen zeigen wesentlich stärkeres Interesse an Kino, Theater, Oper und an Klassikkonzerten als Männer“, ist auf orf.at zu lesen.

Die kulturinteressierten Österreicherinnen sehen dann im Theater nicht nur Stücke von Männern, die von Männern inszeniert wurden, sondern auch vielfach eine „männliche“ Geschichtsauffassung, in der Frauen häufig untergeordnete Rollen spielen. „Die Darstellung von Frauen als Opfer und Wahnsinnige – sprich: Gretchen und Ophelia – geht durch alle Bereiche. Da gibt’s sehr wenige heutige Vorbilder und zeitgenössische Kunst, die das aufbrechen könnte. Die werden viel zu wenig gefördert“, sagt Barbara Klein im Ö1-Interview. Ein Umstand, der vielen vermutlich gar nicht auffällt, schließlich sind wir es gewohnt, Geschichten von Männern erzählt zu bekommen, in denen Männer die Hauptrolle spielen (siehe auch: Frauen im Film).

Wie diese Situation zu ändern ist, sollte eigentlich auch die Politik beschäftigen, schließlich werden Theater massiv staatlich subventioniert. Auch das „Bundestheaterorgansiationsgesetz“ könnte spezifischer sein, was den kulturpolitischen Auftrag betrifft. „Gestaltung der Spielpläne in die Richtung, daß diese ein innovatives und pluralistisches Angebot in Form und Inhalt sowie auch künstlerisch risikoreiche Produktionen beinhalten und den Aspekt der Kunstvermittlung besonders bei Kindern und Jugendlichen berücksichtigen“, ist da zu lesen. Eines ist sicher: Pluralismus kommt ohne Frauen* nicht aus.

Wer in Wien Alternativen zu den männerdominierten Theatern sucht, ist hier gut aufgehoben:
KosmosTheater
Theater Drachengasse

Aktionismus und Positionen

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Aktivistinnen der GRAS (Grüne & Alternative StudentInnen) haben heute Montag an der Uni Wien auf die Unsichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft aufmerksam gemacht. Im Arkadenhof der Universität gibt es 153 Büsten und Gedenktafeln, die an bedeutende Wissenschafter erinnern, jedoch keine einzige Büste einer Wissenschafterin. Die beiden Spitzenkandidatinnen der GRAS, Janine Wulz und Maria Clar, haben die Männerrunde mit einer Frauenbüste und einem Plakat, auf dem zahlreiche Namen von Wissenschafterinnen zu lesen sind, ergänzt. Link – GRAS, Link „Fancy Fem Week“ auf Facebook

Aktivistinnen der Plattform 20000frauen haben vergangenen Donnerstag eine feministische Muttertagsaktion veranstaltet. Einen ausführlichen Bericht zur Aktion gibt es auf diestandard.at, auf der Website der 20000frauen findet ihr Fotos und  Muttertagsgedichte und -lieder zum Download, auf Youtube ist ein Video von der Aktion zu sehen.

Verschiedene Organisationen und NGOs, darunter Amnesty International, haben vergangenen Freitag auf die nach wie vor dramatisch hohe Müttersterblichkeit weltweit hingewiesen. Auf der Rahlstiege in Wien legten sich AktivistInnen im Rahmen der Aktion auf „blutige“ Leintücher. Link  Bericht auf diestandard.at

In der Wochenendausgabe des „Standard“ wurde anlässlich des Muttertages ein Text von Marlene Streeruwitz veröffentlicht. „Wenn Sie mich fragen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die ganze Sache mit den Frauen und der Frage, wie sie leben sollen, ganz neu aufzurollen“, schreibt die Schriftstellerin und Feministin.

Wochenschau

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Die Historikerin und Vorkämpferin in Sachen feministischer Geschichtswissenschaft Edith Saurer ist verstorben. Einen Nachruf gab es unter anderem im Standard und auf science.orf.at.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hätte heute erneut mit Justizministerin Bandion-Ortner um eine mögliche gemeinsame Obsorge verhandeln sollen. Nachdem die Ablöse Bandion-Ortners aber als fix gilt, fehlt derzeit eine Verhandlungspartnerin bzw. ein Verhandlungspartner. Bei einer Diskussionsveranstaltung mit der Ministerin und dem Österreichischen Familienbund waren Aktivistinnen der 20000frauen von Sicherheitskräften aus dem Gebäude gebracht wurden. Nachzulesen auf diestandard.

Gemeinsame Obsorge
Foto: Bettina Frenzel

Der Spiegel berichtet von gezielter sexualisierter Gewalt im Libyen-Krieg: Ärzt_innen haben unzählige Vergewaltigungen durch die Soldaten Gaddafis dokumentiert.

Die Mädchenmannschaft hat die Übersetzung der „Revolutionserklärung der Frauen Saudi-Arabiens“ veröffentlicht. Die saudi-arabischen Aktivistinnen haben auch eine Facebook-Seite eingerichtet, auf Twitter könnt ihr sie unter dem Hashtag #SaudiWomenRevolution verfolgen.

Vergangene Woche fand in Berlin die re:publica 2011 statt. Viele deutschsprachige Bloggerinnen waren diesmal wieder mit dabei, die Mädchenmannschaft hat einige Berichte zu den verschiedenen Panels gesammelt. Einen Bericht mit weiteren Links findet ihr außerdem bei Nadine / Medienelite.

Sexismus und Männlichkeiten in der Politik

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Barack Obama hat heute seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als US-Präsident bekannt gegeben. Die Demokrat_innen rüsten sich bereits für den teuersten Wahlkampf aller Zeiten.

Welche Rolle gender und race in der amerikanischen Politik und in Wahlkämpfen spielen, analysiert Jackson Katz, Sozialwissenschafter an der University of Massachusetts und „one of America’s leading anti-sexist activists“, in einem Interview – ein pointiertes und anschauliches Lehrstück:

Link: Jackson Katz

Internationaler Frauentag – Eine Medienkritik

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„Starke Frauen hat das Land“ – unter diesen Titel stellte der ORF seinen Themenschwerpunkt zum 100. Internationalen Frauentag. Und wie der Titel schon zeigt, war es offensichtlich notwendig, das TV-Publikum an diese Tatsache zu erinnern. Im Nachtprogramm wurden Filme gezeigt, in denen Frauen Heldinnen sein oder hinter der Kamera stehen durften – warum das abseits des Frauentags nicht oder kaum möglich ist, bleibt da eine offene und dringende Frage. (Kürzlich zeigte „Feminist Frequency“ in einem Video , dass in den vergangenen 50 Jahren nur in 4 Filmen, die mit dem Oscar in der Kategorie „Best Picture“ ausgezeichnet worden sind, eine Frau im Zentrum des Films steht bzw. die Geschichte aus der Perspektive einer Frau erzählt wird).

Einen äußerst schalen Nachgeschmack hinterließ auch das ORF-„Bürgerforum“ am 2. März – „Halbe-Halbe – wer hat hier die Hosen an?“. Neben Politikerinnen und Politikern war unter anderem Ioan Holender eingeladen worden, der seine kruden, biologistischen Thesen vor laufender Kamera ausbreiten durfte. Frauen könnten aufgrund eines geringeren Lungenvolumens niemals so gute Musikerinnen sein wie Männer, meinte Holender. Und auch Flugzeuge sollten sie nicht steuern. Dass zuständige Redakteur_innen beim Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ Gäste mit derartigen Standpunkten einladen, zeigt, wie salonfähig Sexismus nach wie vor ist.

(Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass die ORF-Berichterstattung zum Frauentag  auch Lichtblicke zu bieten hatte. Ö1 sendete mehrere gut recherchierte Beiträge zur Geschichte des Frauentags und der Unterrepräsentanz von Frauen in Kunst und Kultur und auch auf FM4 wurde das Thema dank Redakteurin Irmi Wutscher ausführlich diskutiert.)

Die Tageszeitung „Der Standard“ sorgte rund um den 8. März für gut kalkulierte Aufregung: Der Soziologe und Maskulinist Walter Hollstein skizzierte in einem ausführlichen Kommentar seine Vision einer „vaterlosen Gesellschaft“ mit kriminellen Kindern alleinerziehender Mütter, die vermutlich selbst Barbara Rosenkranz als zu radikal einstufen würde. Auch hier stellt sich nicht die Frage nach inhaltlichen Standpunkten Hollsteins (oder möchte sich jemand ernsthaft auf diesem Niveau mit diesen Thesen auseinandersetzen?), sondern der Veröffentlichung durch den „Standard“. Wenige Tage später wurde mit einer „Genitalquote„, die die Wirtschaft ruiniere, nachgelegt. Die Macher_innen des „Standard“ wollten damit eigentlich eine feministische Botschaft aussenden, meinte Robert Misik dazu lakonisch. „Weil sie damit zeigen wollten, wenn man heute jemanden sucht, der gegen die Frauenemanzipation schreibt, da findet man dann nur noch Leute, die auf dem geistigen Level eines Elfjährigen sind und gerade noch das sprachliche Niveau von Pennäler-Witzen erreichen.“


19. März – Am Schwarzenbergplatz

Die Berichterstattung zur größten österreichischen Frauendemonstration seit vielen Jahrzehnten fiel ebenfalls recht spärlich aus. Die Tageszeitungen widmeten der Veranstaltung das eine oder andere Foto und einige Zeilen aus der entsprechenden APA-Meldung, die Oberösterreichischen Nachrichten wollten gar nur 600 Frauen auf dem Ring gesehen haben. Die Kronen Zeitung berichtete von „1500 Damen“ (die Polizei sprach von 5.000 , die Veranstalterinnen von bis zu 10.000 TeilnehmerInnen). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den 20000frauen passierte im Grunde nur auf diestandard.at, in Spartenprogrammen und in Freien Medien. Weitaus mehr Beachtung fand da schon ein Video der Tiroler ÖVP-Frauen, die zum Weltfrauentag eine grausame Darstellung ihres Frauenbildes boten.

In diesem Video ist unter anderem eine Frau zu sehen, die im roten Spitzen-BH die Füße ihres Mannes passiert – ein Bild, das es auch in die „ZIB 1“ schaffte und zugleich den Bericht über die Frauen-Demonstration rettete. „Wir filmen für die Zeit im Bild, aber ich weiß eh nicht, ob das überhaupt gesendet wird, es gibt ja noch Japan und es gibt Gaddafi“, hatte die Redakteurin bei der Demo am Ring ihren Interviewpartnerinnen erklärt. Am Abend wurden Bilder von der Demo schließlich gesendet – im Anschluss an die ÖVP-Superwoman in Unterwäsche.

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