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Macho-Land Österreich

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„Macho-Land Österreich“ titelt das Nachrichtenmagazin „Profil“ in der aktuellen Ausgabe. Eva Linsinger und Edith Meinhart berichten, warum Österreich und Gleichberechtigung nicht zusammen passen: „Macho-Paradies Österreich: Die Gehaltsschere ist größer als im Rest der EU, die Zahl der Frauen in Führungsfunktionen sinkt, statt zu steigen. Das Land fällt immer weiter zurück – und niemand redet darüber.“
Armin Wolf merkt dazu per Twitter an: „Worüber dürfen die Frauen (im Profil) schreiben: Society (Raftl) und Frauen (Hammerl). Innen- u. Außenpolitik, Wirtschaft, Kultur: alles Männersache …“

Wie die Kronen Zeitung gestern berichtete, möchte der Verein „Arbeitslosenmafia“ bei der Wiener Wahl im Herbst antreten und seine Spitzenkandidatin angeblich per Miss-Wahl finden. Die „Miss Gemeinderat“ soll am 30. April gekürt werden. Das Anforderungsprofil: „Mindestens 20 Jahre alt, gute Umgangsformen, hohes Allgemeinwissen und österreichische Staatsbürgerschaft“.

Diestandard.at feiert am 8. März den 10. Geburtstag. Mit Podiumsdiskussion, Empfang und DJ-Kollektiv. Die Feier wird nicht öffentlich sein, diestandard verlost aber 10×2 Freikarten. Zum Gewinnspiel.

Veranstaltungshinweis

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Am Mittwoch, den 24. Februar 2010 veranstaltet Radio Ö1 die Diskussionsrunde „Im Klartext: Das Vermächtnis der Johanna D.
Zu Gast sind: Gabriele Heinisch-Hosek, Maria Rauch-Kallat, Elfriede Hammerl und Renée Schröder.
Beginn: 18.15 Uhr im Großen Sendesaal des RadioKulturhauses, Eintritt frei. Die Veranstaltung wird ab 18.30 Uhr live in Ö1 gesendet. Link

In der ORF-TVthek ist derzeit noch das „Menschen&Mächte“ Spezial zum Tod von Johanna Dohnal zu sehen. „In Memoriam: Johanna Dohnal“

Johanna Dohnal, 1939-2010

J

Johanna Dohnal – dieser Name steht in Österreich wie kein anderer für Frauenpolitik und den Kampf um Gleichberechtigung. Die ehemalige SPÖ-Frauenministerin ist heute im Alter von nur 71 Jahren in ihrem Haus in Niederösterreich verstorben – das Land hat eine große Persönlichkeit verloren.

Johanna Dietz wuchs als Kind einer Alleinerzieherin im 14. Wiener Gemeindebezirk auf. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte sie eine Lehre zur Industriekauffrau, für eine weitere Schulausbildung fehlte das Geld. Mitte der 50er Jahre trat sie der SPÖ bei und heiratete Franz Dohnal, 1959 wurde sie zum ersten Mal Mutter. 1969 wurde Dohnal SPÖ Bezirksrätin, 1971 Vorsitzende der SPÖ-Frauen des Bezirks. Johanna Dohnals politische Sozialisation erfolgte zu einer Zeit, als es in Österreich ein Heiratsverbot für geschiedene Frauen gab, eine „Folgepflicht“ für Ehefrauen (in die Wohnung des Ehemanns) bestand, ein Paß oder Lehrvertrag nur vom Vater eines Kindes unterzeichnet werden durfte und Vergewaltigung in der Ehe als Tatbestand nicht existierte.

In ihrem Einsatz für Frauenrechte fand sie 1979 in Bruno Kreisky einen Verbündeten, der sie zur Staatssekretärin für Frauenfragen machte. Im selben Jahr trat das Gleichbehandlungsgesetz in Kraft: Die Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerlöhnen in Kollektivverträgen wurde beseitigt. Dohnal machte sich auch für die Friedensbewegung stark, 1981 gründete sie einen Arbeitskreis „Frieden, Abrüstung, Dritte Welt“. In der Frauenpolitik kämpfte sie für eine rechtliche Gleichstellung und Gewaltschutz, 1989 fiel die Amtsvormundschaft, die unverheiratete Frauen benachteiligte, ein neues Gleichbehandlungsgesetz erfasste erstmals sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Unter Bundeskanzler Vranitzky wurde Johanna Dohnal 1990 schließlich die erste Frauenministerin Österreichs, das Amt übte sie bis 1995 aus. Auf Dohnals Initiative hin wurde die Väterkarenz möglich, sie betrieb aktives Lobbying für flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen und Frauenquoten und stieß damit auf Widerstand in konservativen Kreisen und auch innerhalb der eigenen Partei. 1995 wurde die Frauenpolitikerin auf Vranitzkys Wunsch hin  durch Helga Konrad ersetzt, die nur zwei Jahre im Amt blieb und mit ihrer Kampagne „Ganze Männer machen halbe/halbe“ im konservativen Österreich auf ganzer Linie scheiterte.

Johanna Dohnal setzte sich bis zuletzt für ihre Version einer gerechten Gesellschaft mit einer wirtschaftlich unabhängigen und gleichberechtigten Frau ein und wurde zum Vorbild für zahlreiche Politikerinnen. Viele ihrer Forderungen konnten bis heute nicht verwirklicht werden: Die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind in Österreich nach wie vor eklatant, Quotenregelungen und Frauenpolitik unpopulär. Ihre Nachfolgerinnen haben einen diffusen Kampf zu führen: Rechtlich gleichgestellte Frauen sehen sich mit strukturellen Ungerechtigkeiten konfrontiert, deren Ursachen sich äußerst komplex darstellen. Ein Kampf gegen Windmühlen. „Nur eine Frauenorganisation, die lästig ist, hat eine Existenzberechtigung“, sagte einst Johanna Dohnal.

Zitate Johanna Dohnal:

„Der Boden, auf dem sexuelle Ausbeutung und Versklavung von Frauen gedeihen, ist die rechtliche und ökonomische Benachteiligung von Frauen.“ (1984)

„Machtverhältnisse sind weder geschichtslos noch geschlechtsneutral.“

„Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“ (2004)

Links:

Website Johanna Dohnal
Interview Ö1
Interview Anschläge

Foto: Astrid Knie

Der schöne Karl-Heinz

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Wer sich mit der akademischen Männlichkeitsforschung auseinandersetzt, kommt an zwei einflussreichen Arbeiten nicht vorbei. „Die männliche Herrschaft“ von Pierre Bourdieu wird  ebenso wie das Konzept der „Hegemonialen Männlichkeit“ der australischen Soziologin Raewyn Connell (vormals: Robert Connell) häufig zitiert und bearbeitet (Ansätze der Literatur- und Sprachwissenschaft konnten sich hingegen bisher kaum durchsetzen…).

Und wovon sprechen die beiden Soziolog_innen? Das zentrale Konzept Connells zeigt sich in ihrem „Dreistufenmodell“, „über das sich das soziale beziehungsweise kulturelle Geschlecht im Sinne einer ‚hegemonialen Männlichkeit’ in der westlichen Welt herausbildet.“  Die zentralen Unterscheidungen, in denen Geschlechterverhältnisse organisiert sind, sind laut Connell Macht- und Produktionsbeziehungen und die emotionale Bindungsstruktur. Connell fokussiert dabei vor allem auf die heterosoziale Dimension der Macht:  In der westlichen Welt stelle die bedeutendste Achse der Macht in der Geschlechterordnung die männliche Dominanz und damit die Unterordnung von Frauen dar. In den Produktionsbeziehungen zeigt sich die materielle Macht, die auf einem auf geschlechtlicher Arbeitsteilung basierenden kapitalistischen Wirtschaftssystem beruht. Die emotionale Bindungsstruktur meint schließlich Begehren als geschlechtliche Praxis, die in Form einer Zwangsheterosexualität die Dominanz der Männer stützt. Hegemoniale Männlichkeit sei dabei jene Männlichkeit, die das Patriarchat am effektivsten aufrechterhält.

Pierre Bourdieu legt im Gegensatz zu Connell seinen Schwerpunkt auf die homosoziale Dimension – auf die Beziehungen zwischen Männern. Männlichkeit wird bei Bourdieu als ein relationaler Begriff beschrieben, der vor und für die anderen Männer und gegen die Weiblichkeit konstruiert ist, aus einer Angst vor dem Weiblichen. Männer müssen sich in „sozialen Spielen“ gegenseitig ihre Männlichkeit beweisen, die männliche Ehre sowie die Männlichkeit per se muss ständig neu hergestellt und verteidigt werden. Dies geschieht in sämtlichen Gesellschaftsbereichen, vor allem in den Handlungsfeldern der bürgerlichen Gesellschaft, die Domänen der männlichen Dominanz darstellen: Ökonomie, Politik, Wissenschaft, Militär, sowie Vereine, Clubs und Freundeskreise, in denen Männer unter sich sind.

Die beiden Autor_innen begreifen Männlichkeit beide als historisch und kulturell variables Konstrukt, das auf sozialer Ebene permanent hergestellt und verteidigt werden muss – „hegemoniale Männlichkeit“ stellt sich als äußerst komplex dar. Was theoretisch ein wenig sperrig klingt, lässt sich anhand konkreter Beispiele täglich beobachten. Da wäre etwa Karl-Heinz Grasser. Österreichs jüngster Finanzminister (2000-2007) hat schon vor drei Jahren der Politik den Rücken gekehrt, dennoch vergeht kaum ein Monat, in dem Grasser nicht in den heimischen Schlagzeilen auftaucht. Gegen den ehemaligen Minister wird in mehreren Fällen ermittelt, ihm wird unter anderem Amtsmissbrauch vorgeworfen. Grasser wird zunehmend mit dem Wort „Skandal“ in Verbindung gebracht – doch das war nicht immer so. Viele Jahre galt der politische Schützling Wolfgang Schüssels als Vorzeige-Erfolgsmensch. Mit 25 Jahren hatte Grasser bereits das Amt des Landeshauptmann-Stellvertreters in Kärntnen inne, als Finanzminister der schwarz-blauen Koalition prägte er die politische „Nulldefizit“-Kultur.

Karl-Heinz Grasser kann somit auf den ersten Blick einer „hegemonialen Männlichkeit“ zugeordnet werden: der österreichischen Mehrheitsgesellschaft angehörig, akademisch gebildet, heterosexuell, ökonomisch erfolgreich und Inhaber einer machtvollen gesellschaftlichen Position. Gekonnt spielte er auch auf der Klaviatur der männerbündischen Strukturen: über einflussreiche Freunde und Bekannte beteiligte er sich an zahlreichen wirtschaftlichen Unternehmungen und begünstigte langjährige Mitarbeiter und Freunde in seiner Personalpolitik. Während Grasser in der „Kronen Zeitung“ als Traum-Schwiegersohn der Nation in Szene gesetzt wurde, war er zugleich Ziel von Angriffen, die mit seiner geschlechtlichen Identität in Verbindung standen. Nicht nur Kabarettisten sprachen vom „schönen Karl-Heinz“ und machten sich über Haargel und Solarium-Bräune lustig, auch in journalistischen Texten waren immer wieder Seitenhiebe auf seine (unterstellte) Attraktivität und seine modischen Vorlieben zu finden. (Grasser ließ sich – oben ohne – sogar für „Vanity Fair“ ablichten.) Schönheitspflege – das ist nach wie vor eine weibliche Praxis. Männer, die (zu) offensichtlich Wert darauf legen, müssen sich nicht zuletzt „dem Verdacht der Homosexualität erwehren“.

Während Karl-Heinz Grasser also auf ökonomischer Ebene seine Männlichkeit „beweisen“ konnte, geriet er zugleich aufgrund „unmännlicher“ sozialer Praktiken unter Beschuss. Diese Situation verschärfte sich, als Grasser 2005 Fiona Swarovski, Erbin der milliardenschweren Kristall-Dynastie, heiratete. Fiona Swarovski ist nicht nur um einige Jahre älter – ihr geschätztes Vermögen übertrifft jenes des Ex-Finanzministers bei weitem.
Wie Bourdieu schreibt, suchen Frauen sich meist einen größeren und älteren Partner, da dies allgemein akzeptierte Zeichen für Reife und Überlegenheit seien. Frauen befänden sich selbst in der paradoxen Situation, keine dominierende Position einnehmen zu können, die Heirat, „bei der sie in den männlichen Gesellschaften von unten nach oben zirkulieren“, biete „einen – oft den einzigen –  Weg zum sozialen Aufstieg“.

Die Ehe mit Fiona Swarovski, die den von Bourdieu geschilderten Strukturen zuwider läuft, bietet somit eine Angriffsfläche, um Grassers Männlichkeit in Frage zu stellen. „Karl-Heinz Grasser, die Frau von Fiona Swarovski“, hieß es unlängst in der Satire-Sendung „Willkommen Österreich“.  „Wer lebt schon gerne auf Dauer vom Vermögen seiner Frau?“, meinte dazu Andreas Mölzer in Anspielung auf die Causa Hypo Alpe Adria. Auch das Komiker-Trio „maschek“ widmete ihm eine Folge und unterlegte einen Auftritt Grassers mit den Worten: „Wuffi, uns geht es gut, wir müssen nichts arbeiten und unser Weibi finanziert uns das Leben.“

Am Beispiel Karl-Heinz Grasser zeigt sich nicht zuletzt, wie sich geschlechtliche Normen historisch verändern. Während der erfolgreiche Banker/Manager lange als Inbegriff von dominanter Männlichkeit galt, hat sich dieses Bild vor allem im Zuge der internationalen Finanzkrise verändert. Erfolg, Macht und Dominanz haben zunehmend den Beigeschmack der Rücksichtslosigkeit, der Gier und gar der Illegalität bekommen – sozial erwünschte „männliche“ Verhaltensweisen  werden somit (ansatzweise) einem Veränderungprozess ausgesetzt. „Hegemoniale Männlichkeit ist kein starrer, über Zeit und Raum unveränderlicher Charakter. Es ist vielmehr jene Form von Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende Position einnimmt, eine Position allerdings, die jederzeit in Frage gestellt werden kann“, schreibt Raewyn Connell.

Links:
Interview mit Raewyn Connell als Audio-Datei
maschek: Karl-Heinz Grasser mit neuem Job
Interview mit Karl-Heinz Grasser auf standard.at (Video)
Ein fescher Skandalminister“ auf sueddeutsche.de (2003)
Karl-Heinz“ – Song von Christoph&Lollo auf Youtube

Sind Frauen die besseren Menschen?

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Das Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur wirbt seit einigen Wochen für eine Bildungsreform – für den dazugehörigen TV-Spot durfte Christina Stürmer die österreichische Bundeshymne neu vertonen. Und hier wird nicht nur von den großen Söhnen („Heimat bist du großer Söhne„), sondern auch von großen Töchtern gesungen – die Aufregung war somit vorprogrammiert. Eine dementsprechende Änderung des Textes hatte 2005 schon Maria Rauch-Kallat gefordert und war am Koalitionspartner BZÖ (und dem Gegenwind aus der Bevölkerung) gescheitert. 2010 forderte nun der Sessler-Verlag, der die Erben der Dichterin Paula von Preradovic vertritt, eine Unterlassungserklärung von Stürmer und Bildungsministerin Schmied. Der Zusatz der „großen Töchter“ sei ein „Eingriff in das Persönlichkeitsurheberrecht“, begründete der Verlag.

Die folgende Medien-Resonanz wollte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek nutzen und startete ebenfalls den Versuch, eine Textänderung zu erreichen. Diesmal kam das „Nein“ von der ÖVP. „Momentan haben wir andere Probleme zu bewältigen“ und „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ ließen mehrere Personen aus ÖVP, BZÖ und FPÖ ausrichten. Schließlich gelte es, die Wirtschaftskrise zu bewältigen und die Konjunktur anzukurbeln.

Nicht nur die Debatte um die Bundeshymne, auch die Argumente, wenn es um frauenpolitische Anliegen geht, kehren also immer wieder. Beim Verfolgen der verschiedenen Diskussionen und Medienbeiträge fallen drei spezifische Strategien auf, die dabei zur Anwendung kommen:

Das Lächerlich Machen
„Die Gender Mainstreaming Menschen sind erst zufrieden, wenn es BundeshymnIn heißt“ ist in diversen Foren österreichischer Medien zu lesen. Das Binnen-I wird gerne bei verschiedenen Gelegenheiten verwendet, um frauenpolitische Forderungen ins Lächerliche zu ziehen. Gerne auch bei der „QuotInnen-Regelung / RegelungIn“.

„Haben wir keine anderen Sorgen?“
Andere Sorgen gibt es immer: Da wäre die Wirtschaftskrise, die zunehmende Teilzeitquote, die Gehaltsschere, die Arbeitlosigkeit, die Umweltverschmutzung, die steigende Armut, der Klimawandel. Viele Politiker_innen sind permanent mit solch zentralen Dingen beschäftigt, dass keine Zeit für ein Handzeichen bei einer Abstimmung bleibt. Gerne wird das „Haben wir keine anderen Sorgen?“ auch mit dem Lächerlich Machen kombiniert. „Schön, dass die (Gender Mainstreaming) – Frauen keine anderen Sorgen haben.“

Die Überhöhnung
Die Überhöhung von Frauen ist schließlich eine der zentralsten Strategien, wenn es gilt, gegen frauenpolitische Forderungen zu argumentieren. Der österreichische TV-Sender „Puls 4“ veranstaltete vergangene Woche einen „Talk of Town“ zum Thema Töchter in der Bundeshymne und lud prominente Gäste zur Diskussion. Egal, wie man oder frau nun zu dieser Frage steht – es ist gar nicht so einfach, sachliche und schlagkräftige Argumente gegen den Text-Zusatz zu finden. Ein Gast der Sendung griff also zur emotionalen Überhöhung: Er sprach davon, dass Frauen doch „die viel besseren Menschen“ seien und es überhaupt nicht nötig hätten, durch diesen Zusatz in der Hymne erwähnt zu werden. Sie seien doch viel aufopfernder, würden jeden Tag so viel in den Familien leisten und seien wesentlich sensibler als Männer. Schließlich würde es jede Frau sofort bemerken, wenn ihr Mann sie betrügt – umgekehrt sei das nicht der Fall, so der Event-Manager.

Bei einer solchen Gelegenheit werden gerne vorbildliche Kämpferinnen für das Gute herangezogen und auf ein Podest gestellt – gleichzeitig werden damit alle anderen Frauen abgewertet: Eine Funktion der Überhöhung. Den Frauen wird dabei das Bild der guten, aufopfernden, emotionalen Mutter gezeigt – jede Abweichung von diesem wenig realen Idealbild weist die Einzelne somit auf ihren Platz der Unvollkommenheit. Wer sich dann auch noch laut für ein Anliegen in Sachen Gleichberechtigung ausspricht, bekennt sich sogleich schuldig, offensichtlich nicht zu den guten und tollen Frauen zu gehören, die jegliche (lächerliche) Forderung symbolischer Anerkennung „nicht nötig“ haben.

Auch dass den anbetungswürdigen Frauen gerne das Gegenbild der unsensiblen und unsozialen Männern gegenüber gestellt wird, scheint dabei niemanden zu stören. Und auch hier versteckt sich eine perfide rhetorische Strategie: Haben Sie schon einmal versucht, jemanden zu kritisieren, der ein Gespräch mit dem Satz: „Ja, ich weiß, ich bin eben nicht so toll / gut / moralisch / gescheit wie du“ beginnt?

Father and Son

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„Das Ende der Väter-Diskriminierung“, titelt der SWR Online. Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das in den vergangenen Wochen für Aufsehen gesorgt hat. Ein deutscher  Vater kämpfte viele Jahre für ein gemeinsames Sorgerecht für seine uneheliche Tochter und hat vom Europäischen Gerichtshof schließlich Recht bekommen: Unverheiratete Väter dürfen in Sachen gemeinsames Sorgerecht verheirateten Vätern gegenüber nun in Deutschland nicht mehr benachteiligt werden.

Auf den ersten Blick ein notwendiger Schritt: Dass unverheiratete Väter jenen mit Trauschein nicht gleichgestellt sein sollten, mutet realitätsfremd an. Der Weg zum Standesamt ist heute für viele Paare nicht mehr die logische Konsequenz einer Liebesbeziehung. In Österreich ist die rechtlige Lage eine andere. „Eheliche und uneheliche Väter sind in Österreich gleich gut – oder schlecht – gestellt“, sagt die Familienrechtsexpertin Deixler-Hübner im „diestandard„-Interview. Seit 2001 gelten für außereheliche Eltern bei einer gemeinsamen Obsorge die selben Bestimmungen wie für einst verheiratete Paare. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat also keine unmittelbare Bedeutung für den österreichischen Rechtsbereich.

Dennoch liegt in Österreich einiges im Argen. Es ist versäumt worden, Vaterschaft ganz grundsätzlich zum Thema zu machen, zur Diskussion zu stellen. Sowohl politisch, als auch gesellschaftlich. Die traditionellen Väter, die vornehmlich eine Rolle als Familienernährer erfüllen, haben ausgedient, sie entsprechen häufig nicht mehr der Lebensrealität junger Menschen. Männer und Frauen absolvieren eine Ausbildung, finden (im besten Fall) einen Arbeitsplatz und entscheiden sich vielleicht eines Tages für Nachwuchs. Und das Kind nennt sich für eine Frau dann „Karriereknick“, bemerkte ein Kabarettist unlängst. Kinderbetreuung ist in Österreich nach wie vor ein Frauen-Thema. Im Sommer 2007 forderte der ehemalige  Sozialminister Erwin Buchinger erstmals einen staatlich bezahlten „Papamonat“, um Männer in Österreich in die Erziehungsarbeit nach der Geburt einzubinden. Die ÖVP ruderte draufhin sogleich zurück und forderte einen „Sonder-Urlaub“ nach der Geburt.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat schließlich nicht für einen Papamonat, sondern für eine neue Variante des Kindergelds gekämpft und nach längerem Ringen eine Einigung mit der ÖVP erzielt. Das Kindergeld kann nun in fünf Varianten bezogen werden, darunter befindet sich eine einkommensabhängige Variante. Eltern, deren Kinder ab 1. Oktober 2009 geboren wurden, können das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bis zum 14. Lebensmonat in Anspruch nehmen, wenn sich die Eltern die Zeit mit dem Kind teilen. Damit sollen auch Väter motiviert werden, mindestens zwei Monate bei ihrem Nachwuchs zuhause zu bleiben.

Österreich hat hier reichlich Aufholbedarf, derzeit nehmen nur rund 3,5 Prozent der Väter eine Karenzzeit in Anspruch. Während in Island und Schweden Väter 2005 im Durchschnitt 10,4 bzw. 9,2 Wochen Vaterschaftsurlaub nutzten, waren es in Österreich nur 0,4 Wochen. Laut einem aktuellen OECD-Bericht liegt Österreich bei Geburtenrate, Karenzurlaub und der Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen gar unter dem Durchschnitt der dreißig untersuchten Länder. Die Väterkarenz kann in Österreich seit dem Jahr 1990 in Anspruch genommen werden, wobei der (niedrige) Anteil der Karenzväter in den vergangenen Jahren nur langsam angestiegen ist (zum Vergleich 1999: 1,6 Prozent).

Solche Zahlen spiegeln sich auch in der Lohnstatistik wider. Frauen verdienen in Österreich noch immer rund 20 Prozent weniger, die Teilzeitbeschäftigung steigt kontinuierlich. Zwischen 1975 und 2000 hat sich die Teilzeitquote von Frauen gar von 14 Prozent auf 29 Prozent verdoppelt. Die Teilzeitquote der Männer wuchs lediglich von 1 auf 3 Prozent an. Bei weiblichen Teilzeitbeschäftigten ist der Anteil von Frauen mit Kindern dabei besonders hoch. Mehr als die Hälfte geht einer Teilzeitbeschäftigung nach, Frauen ohne Kinder machen nur ein Viertel aus.

Während in Ländern wie Schweden oder Frankreich ein gut ausgebautes System der öffentlichen Kinderbetreuung selbstverständlich ist, bleibt man im katholischen Österreich skeptisch. Wenig verwunderlich, dass es auch an männlichen Vorbildern fehlt, was eine engagierte Vaterschaft betrifft. Junge Männer mit Kleinkindern auf dem Arm – das ist in Österreich nach wie vor kein selbstverständliches Bild. Im Zuge von Recherchearbeiten für einen Dokumentarfilm hat mir ein junger Lehrer erzählt, dass er regelmäßig von Fremden angesprochen wird, wenn er mit seinem fünf Monate alten Sohn um den Bauch geschnallt auf die Straße geht. Die neugierigen Blicke in der Straßenbahn fallen ihm dabei kaum noch auf. Christoph hat ein Jahr in Elternteilzeit gearbeitet, um Zeit für seinen Sohn zu haben. „Was tust du denn dann zuhause? Da wird dir ja langweilig werden!“, meinte sein Vater dazu. Christoph war sich bewusst, dass ihm als Lehrer eine Auszeit recht leicht fiel. „Ich weiß nicht, ob ich das gemacht hätte, wenn ich in der Privatwirtschaft gearbeitet hätte“, erzählte er mir.

Und hier beißt sich die Katze wieder in den Schwanz. Frauen verdienen weniger, dann bleiben sie auch beim Kind zuhause. Zwei gut verdienende Menschen mit sicheren Jobs wie Christoph und seine Frau sind eher der Ausnahmefall. „Männerrolle und Vaterrolle stehen sich in unserer Gesellschaft immer noch gegenseitig im Wege. So kann sich auch kein neues, für eine Mehrheit der Männer greifbares Vatervorbild entwickeln, an dem sie sich sozial einvernehmlich orientieren können. Dieses aber ist überfällig, denn viele Männer wollen und können sich nicht mehr an ihren Vätern orientieren, finden aber auch wenig gesellschaftliche und institutionelle Resonanz auf ihrer Bedürftigkeit“, schreibt der Soziologe Lothar Böhnisch zudem in seiner Publikation zur „Männlichen Sozialisation“.

Daneben sei der steigende Externalisierungs- und Verfügbarkeitsdruck der Arbeitswelt ebenso schwierig mit engagierter Vaterschaft zu vereinbaren. Während fortschrittliche Unternehmen wie etwa „AVL List“ in Graz insbesondere für ihre Angestellten auf mittlerer und höherer Führungsebene flexible Arbeitsmodelle entwicklen, sieht die Realität für den durchschnittlichen Arbeiter oder Angestellten meist anders aus. Ein Elektriker in einem Klein- oder Mittelbetrieb in Karenz? Nach wie vor schwer vorstellbar.

In diesem Sinne braucht es eine Politik, die die Zeichen der Zeit erkennt und entsprechend handelt. Es geht darum, Elternschaft und Kinderbetreuung als gesamtgesellschaftliches Thema mit all seinen Verstrickungen wahrzunehmen. Es geht um Rechte und Pflichten, um persönliche Freiheiten und gerechte Verhältnisse, es geht um jeden einzelnen Vater –  nicht nur um Scheidungsväter.

PS. Aufruf! Du bist ein (junger) Vater und hast Lust, mir von deinem Alltag, seinen Herausforderungen und Problemen zu erzählen und lässt dich vielleicht auch von mir ablichten? Dann melde dich bitte unter denkwerkstattblog@gmail.com!

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