CategorySexualität

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In der neuen Ausgabe der an.schläge haben wir ein schwieriges Thema bearbeitet: Suizid und Geschlecht. Ein spannendes Interview mit Eva Eichinger gibt es online zu lesen, für den Rest zahlt sich kaufen oder abonnieren aus. Ich habe in dieser Ausgabe außerdem Ex-ÖGB-Frauenvorsitzende Irmgard Schmidleithner zur SPÖ-Frauenpolitik interviewt.

Auf Migrazine.at gibt es im Rahmen des Klassismus-Schwerpunkt gemeinsam mit den an.schlägen einige lesenswerte Artikel, die nicht in den an.schlägen erschienen sind, z.B. ein Interview mit den LesMigraS und einen Text über die Hauptschule als Ort der Verachtung.

Die „Feministischen Studien“ haben ab sofort ein eigenes Blog! Ich habe mich noch nicht eingelesen – aber meine Erwartungen sind bereits hoch.

Für alle Leser_innen in Deutschland: Magda von der Mädchenmannschaft reist mit dem Vortrag „Mein Fett ist Politisch“ und einem Fat Empowerment Workshop durch mehrere Städte. Die Termine findet ihr hier.

Am 22. November findet die dritte Frauenenquete der Plattform 20000frauen gemeinsam mit der Frauenministerin statt. Diesmal nennt sie sich „Frauen.Bilden.Kritik“ und widmet sich der feministischen Bildung. Schnell anmelden, die Plätze sind beschränkt!

Ab 7. November startet in der Wiener Frauenhetz eine Vortragsreihe gemeinsam mit dem Verein österr. Juristinnen unter dem Titel „Frauen – Recht – Gerechtigkeit„, unter anderem wird Elisabeth Holzleithner zum Thema „Recht queer? Juristische Geschlechterdiskurse zwischen Normalisierung und Subversion“ sprechen, am 27. November ist Ute Gerhard zu Gast.

Der Österreichische Frauenring hat eine neu gestaltete Website – im Veranstaltungskalender sind viele interessante Veranstaltungen in ganz Österreich zu finden!

Berivan Aslan, Frauensprecherin der Grünen, hat kurdische Gebiete an der Grenze zu Syrien besucht. Laufend Neuigkeiten gibt es auf ihrem Twitter-Account.

Frauen- und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek macht sich für eine Neugestaltung der Sexualerziehung stark.

Alleinerziehende Mütter sind in Österreich besonders armutsgefährdet. Das ist lange bekannt, die politischen Konzepte – oder viel mehr Taten – fehlen leider nach wie vor. Auch in Deutschland sind laut aktueller Statistik Frauen, Alleinerziehende, Alleinlebende und Arbeitslose besonders armutsgefährdet.

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Hier einige Links zu Debatten der vergangenen Wochen:

Im Sigmund-Freud-Park wurde Ende November das Refugee Protest Camp Vienna errichtet. „Flüchtlinge sind am 24. November von Traiskirchen nach Wien marschiert, um auf ihre politische Anliegen aufmerksam zu machen. Seitdem haben sie ein Protestlager im Sigmund-Freud-Park errichtet. Mit ihrer Initiative machen sie darauf aufmerksam, dass im Asylverfahren sowie im System der Grundversorgung große Mängel herrschen. Obwohl sie einen prekären legalen Status haben und von Abschiebung bedroht sind, kämpfen sie für ihre grundlegenden Menschenrechte.“ Am 18.12., dem Internationalen Tag der MigrantInnen, laden die Protestierenden zum „Tag der offenen (Zelt)Türe„. Eine Liste mit Dingen, die vor Ort gebraucht werden, findet ihr hier.

Alice Schwarzer hat am 3. Dezember ihren 70. Geburtstag gefeiert. Für Aufregung hat vorab unter anderem das Buch „Alice im Niemandsland: Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“ von Miriam Gebhardt gesorgt. Die Antwort auf diese und andere Kritik  liest sich auf Emma.de folgendermaßen: „Alice Schwarzer: Für immer Punk.“ Einige Bloggerinnen der Mädchenmannschaft haben sich den Debatten rund um Schwarzer angenommen: „Hallo, ich bin Feministin und mich gibt es nicht“, schreibt Charlott und analysiert das Bild, das von Feminismen in deutschen Medien gezeichnet wird. „Ich finde, dass Anti­rassismus, Anti­faschismus, Anti­heterosexismus, Anti­ableismus, … nicht optional für femi­nistische Be­wegungen sind, sondern un­verzicht­bare Bestand­teile“, schreibt Accalmie und meint abschließend: „Daher laufe ich lieber alleine.“ Eine ausführliche Analyse gibt es auch auf Medienelite.de: „Alice Schwarzer und der Personenkult„.

Der 25. November wurde der „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ begangen. In Österreich wurden in den vergangen Wochen mehrere Frauen von ihren
(Ex-)Partnern ermordet oder verletzt, zahlreiche Journalist_innen bezeichneten diese Taten wie so oft als „Familiendrama“ bzw. „Familientragödie“. Sandra Ernst Kaiser kritisiert diese Berichterstattung auf diestandard.at: „Die tickernde Geschmacklosigkeit„. Einen Blogbeitrag dazu gibt es auch von Niki Kowall von der Sektion Acht. Hinweis: Die kostenlose Frauenhelpline 0800/222 555 bietet auch während der Weihnachtsfeiertage rund um die Uhr anonyme Hilfe bei Gewalt.

Weitere interessante Blogbeiträge:

Ulli hat auf ihrem Blog den Film „Der lange Arm der Kaiserin“ über die Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich rezensiert.

Paul hat sich auf Puls 4 die Diskussion über die Aufklärungsbroschüre „Ganz schön intim“, die unter anderem von ÖVP und FPÖ skandalisiert wurde, angesehen.

Bei Fernseherkaputt findet ihr interessante TV-Empfehlungen.

Helga bietet einen Überblick über wissenschaftlichen Studien zu Doppelstandards in der Arbeitswelt.

Porrporr hat nicht nur einen Twitter-Account, sondern auch ein Blog – vorbeischauen lohnt sich.

 

Enquete – Körperpolitik

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Den heutigen Montag habe ich auf der zweiten Enquete der 20000frauen verbracht: Frauen.Körper.Politik lautete diesmal der Titel. Im Vergleich zur Auftaktveranstaltung (Arbeit.Neu.Denken – Arbeitsutopien) war der Fokus nicht ganz klar: Es wurde etwa über neoliberale Selbstregulierung, das Cyborg Manifesto und gesetzliche Bedingungen für Labien-Verkleinerung gesprochen – was wohl an den unterschiedlichen theoretischen Zugängen der Vortragenden und am heterogenen Publikum lag. Eigentlich mag ich das mit den verschiedenen Zugängen ja ganz gerne. Wenn ein Themenkomplex etwa von Medienwissenschafter_innen ebenso wie von Ökonom_innen betrachtet wird, schärft das zumeist doch den eigenen Blick für Zusammenhänge (so lange es in der Auseinandersetzung gelingt, eine „gemeinsame“ Sprache zu finden).

Diese produktiven Auseinandersetzungen auf außeruniversitären feministischen Veranstaltungen schätze ich besonders. Denn meiner Erfahrung nach gestalten sich die Diskussionen dort sehr spannend – was ich auf wissenschaftlichen Symposien an Unis nicht immer so empfinde. Erstens geht es da auch immer darum, sich vor den Peers zu beweisen und zweitens werden Vorträge oft so angelegt, dass es sehr schwierig ist, den Argumentationen zu folgen, wenn mensch die relevante Literatur nicht gelesen hat. Nicht, dass dieser Zugang keine Berechtigung hätte, aber die Diskussionen, die in solch einem Rahmen stattfinden, haben mich noch selten begeistert. Hier liegt meiner Meinung nach die Stärke von Veranstaltungen, die von Wissenschafter_innen und Aktivist_innen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen besucht werden: Es werden Fragen gestellt, die sich Expert_innen eines bestimmten Gebiets oft gar nicht mehr stellen. Und auch, wenn dabei (mitunter problematische) Verkürzungen entstehen, habe ich Vorträge von bestimmten Wissenschafter_innen schon als spannender erlebt, wenn sie nicht vor einem einschlägigen Fachpublikum stattgefunden haben.

So habe ich das auch diesmal wieder bei den 20000frauen erlebt. Wenn etwa eine Medientheoretikerin mit einer Gesundheitsbeauftragten diskutiert, wird sofort sichtbar, welche Spannungen und Widersprüche es zwischen feministischer Theorie und institutionalisierter Frauenpolitik gibt. Wobei der Austausch hier natürlich nicht immer produktiv verläuft: Die Fokussierung auf tagespolitische Fragestellungen kann dem Andenken von Utopien durchaus im Weg stehen (Aber: auch gescheiterte Diskussionen empfinde ich als informativ). Wenn dann auch noch im Plenum über „notwendige“ Aktionen und die Entwicklung „der Frauenbewegung“ gesprochen wird, zeigen sich ebenso deutlich die Ausschlüsse und Ent_nennungen, die hierbei produziert und immer wieder aufs Neue be_nannt werden müssen.

Am Nachmittag habe ich übrigens den Workshop der Sexualpädagogin Bettina Weidinger besucht. Sie arbeitet hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen und verfolgt dabei das Anliegen, Basiswissen zu Sexualität zu vermitteln, was unter anderem das Enttarnen von Mythen und das Hinterfragen von Normen beinhaltet (wie weit diese Reflexion konkret in der Praxis geht, kann ich nicht beantworten, leider war die Zeit für dieses spannende Thema viel zu kurz). Im Zentrum steht schließlich die (gar nicht so einfache) Frage: Was will ich? (Mehr Infos gibt es auf der Website des Instituts für Sexualpädagogik) Dass solche Workshops eigentlich nicht nur für Kinder und Jugendliche interessant wären, sieht auch Weidinger so – allerdings fehlt es nicht zuletzt an Institutionen, die solche Veranstaltungen für Erwachsene fördern bzw. finanzieren.

„Wir reden seit 40 Jahren über dieselben Dinge“ – dieses Resümee wurde wie so oft im feministischen Kontext am Ende der Veranstaltung gezogen. Und ja, es ist tatsächlich äußerst deprimierend, wenn es in Österreich etwa seit Jahrzehnten nicht gelingt, bestimmte Forderungen in Bezug auf Abtreibung politisch durchzusetzen – aber gerade solche Beispiele zeigen, dass es notwendig ist,  dieselben Themen unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen immer und immer wieder zu diskutieren. Veranstaltungen wie diese sollte es diesbezüglich viel häufiger geben (Ich freue mich schon auf die FrauenSommerUni im Burgenland!).

Dirty Dancing

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„Dirty Dancing“ feiert seinen 25. Geburtstag. Habt ihr euch schon einmal gefragt, was der Film mit Feminismus zu tun hat? Als ich mir den Klassiker mit 14 das erste Mal angesehen habe, habe ich mir diese Frage nicht gestellt. Aber irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, dass da etwas anders ist und „Dirty Dancing“ sich von den üblichen Hetero-Hollywood-Schnulzen abhebt.

Pia Reisinger (FM4) und Julia Pühringer (Tele) haben den Film analysiert und erklären, warum „Dirty Dancing“ nicht nur ein öder Tanzfilm ist. „Dirty Dancing ist ein Glücksfall für eine ganze Generation von jungen Frauen, sage ich“, schreibt Julia Pühringer. Was meint ihr?

Turn Me On, Dammit!

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Alma ist 15 und möchte Sex haben. Am liebsten mit Artur, aber auch andere Bewohner_innen des kleinen Dorfs, in dem sie lebt, tauchen in ihren Phantasien auf. Der norwegische Film „Turn Me On, Dammit„! (Få meg på, for faen, 2011) erzählt die Geschichte einer jungen Frau und ihrer sexuellen Begierden, wie das (fast) nur skandinavische Filmemacher_innen können: Nah an der Protagonistin, aber niemals voyeuristisch und ohne die üblichen Klischees, die solche Filme üblicherweise mit sich bringen.

Überhaupt gibt es kaum Filme, die das sexuelle Begehren von Frauen zum Thema machen. „Turn Me On, Dammit“ ist da ein echter Lichtblick:

Bechdel Test: natürlich bestanden.

Medienkritik – biber

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Eigentlich mag ich biber, das Gratismagazin für „neue Österreicher“. Immer, wenn es vor U-Bahn-Stationen verteilt wurde, war es für mich eine willkommene Alternative zu „Heute“ und „Österreich“,  mittlerweile habe ich es auch abonniert. „biber“ ist  unterhaltsam, zuweilen auch ernsthaft. Gut gemachtes Infotainment – diese Beschreibung trifft es wohl am ehesten. Und gerade, weil ich es eigentlich gerne lese, nervt mich das Magazin gewaltig. Der Grund: natürlich die Darstellung von Männern* und Frauen*.

Männer* sind im Magazin meist coole Rapper, abgebrühte Sportler, Politiker, Türsteher, Ladenbesitzer und Fleischesser. In der Oktober-Ausgabe 2011 wurden da etwa serbische Fußballfans porträtiert (und ihren homophoben Parolen ein großflächiges Foto gewidmet), die Geschichte zweier politischer Aktivisten aus Syrien erzählt und „Serbiens Bushido“ interviewt. Ebenfalls zu lesen gab es eine Story über den ehemaligen Box-Staatsmeister Biko Botowamungo und eine Fotoreportage vom Wiener Fußballplatz. Aber auch Frauen* kommen im Oktober-Heft vor: von Seite drei lacht die rumänische Miss Austria und bei einem Artikel über Fernbeziehungen und Cybersex darf ein Model ihre Brüste in Richtung Kamera pressen.

Klischees sind im „biber“ überhaupt sehr präsent. Was an manchen Stellen vielleicht als Selbstironie durchgehen mag, schlägt schnell in die immergleiche Reproduktion von Geschlechterstereotypen um. Da sind etwa die „Bibericas“, die folgendermaßen charakterisiert werden: „Die typische Biberica ist  selbstbewusst, hat was am Kasten – und viel im Kleiderschrank. Style und Schönheit sind ihr sehr wichtig. Wöchentliche Shoppingtouren gehören neben ihrer Karriere und kulinarischen Zaubereien für die Großfamilie selbstverständlich dazu.“ Außerdem plant sie in Gedanken stets ihre Traumhochzeit, wie immer wieder zu lesen ist, sie will einen Mann, der sich gut kleidet, aber auf keinen Fall mehr Zeit im Bad verbringt als die Biberica. Und sie ärgert sich, wenn der „Schwabo-Mann“ (Österreicher) im Restaurant getrennte Rechnungen verlangt.

Männer* sind hingegen im „biber“ meist verdammt hart und verdammt lässig. Wenn über Rapper berichtet wird (und das kommt ziemlich häufig vor), bekommen diese schon mal die Frage „Ist Sido schwul?“ gestellt (Ausgabe November 2011). In der aktuellen Ausgabe erzählen Türsteher, die „Macht der Nacht“, aus ihrem Berufsalltag. Und weil die aber so richtige Männer* sind, braucht es natürlich eine ordentliche Portion Sexismus und deutlich artikulierte Homophobie. „Trotzdem bleibt der Job gefährlich: ‚Du darfst keine Schwuchtel sein‘, meint der 27-Jährige Ramzee auf die Frage, was die Voraussetzungen für diesen Beruf seien.“ Und an anderer Stelle: „Ein bekannter Moderator, der angeblich heterosexuell ist und eine Freundin hat, macht jedes Wochenende mit einem anderen Typen rum‘, erzählt Mehmet angewidert und wechselt schnell das Thema.“ Was den Türsteher nicht anwidert, ist klar: „Bist du ein geiles Weib, kommst du rein.“

Spätestens bei solchen Stories vergeht mir das Lachen gründlich. Die Redaktion sollte sich wirklich dringend mit den Geschlechterbildern im eigenen Magazin (inklusive Bildsprache) und offensichtlicher und latenter Homophobie auseinandersetzen. Oder gehört das etwa zum Konzept?

Alles Porno

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Auf der Mädchenmannschaft wurde heute ein Link zu einer Umfrage über Pornografie-Konsum gepostet. Ein Thema, das auch mich gerade sehr beschäftigt. Eigentlich bin ich (noch) gar nicht dazu in der Lage, meine Befürchtungen und Kritikpunkte strukturiert zu artikulieren, es sind vielmehr unzählige Fragen, die sich mir stellen. Pornografie, Pornografisierung und Sexualisierung sind zwar Schlagworte, die seit ungefähr zehn Jahren immer wieder in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion auftauchen, aber meist wird da recht oberflächlich diskutiert. Gerade von feministischen Wissenschafter_innen werden diese Themen meiner Ansicht nach vernachlässigt – obwohl sie uns doch alle betreffen. Ja, wir sollten etwas dazu zu sagen haben.

Aber einerseits sind da der 80er Jahre Feminismus und die psychologische Medienwirkungforschung, mit der wir uns nicht identifizieren möchten und die auch zu Recht kritisiert werden. Pornografie per se als Frauenunterdrückung zu definieren, wie das etwa Dworkin und Mac Kinnon getan haben, kann nicht die Antwort auf dieses komplexe kulturelle Phänomen sein. Und im Rahmen von Medienwirkungsstudien werden oft die falschen Fragen gestellt. „Werden Pornografiekonsumenten zu Vergewaltigern?“ – diese Frage beinhaltet bereits äußerst problematische Vorannahmen, sodass sie wohl kaum dazu geeignet ist, brauchbare bzw. differenzierte Forschungsergebnisse hervorzubringen.

Auf der anderen Seite kann ich auch mit vielen kulturwissenschaftlichen Zugängen nicht viel anfangen. Wenn da etwa der aktive Umgang von (aktiven!) Rezipientinnen mit pornografisierter Kultur untersucht und herausgefunden wird, dass junge Mädchen ihre eigenen Wege entwickelt haben, damit umzugehen und nicht als „Opfer“ definiert werden können, dann frage ich mich: Und was nun? Was tun mit diesen Erkenntnissen? Ist hier Systemkritik zu finden?

Irgendwie muss es auch ein Dazwischen geben – zwischen totaler Ablehung und „anything goes“. Mir selbst bereiten verschiedene Entwicklungen Unbehagen. Zum Beispiel der Porno Chic in der Popkultur. Diese Pimp-Kultur, die sich in Musikvideos, Perfomances, Bühenshows, Filmen und Werbung durchgesetzt hat, vermittelt ein Bild, das (sprachlose) Frauen im Bikini oder knappen Outfit fast schon als unerschöpfliche Ressource darstellt. Egal, was da über den Bildschirm flimmert, wer etwas auf sich hält, wird von einem Tross von fünf bis zehn weiblichen Models begleitet. Wachsen diese Frauen eigentlich auf den Bäumen? Wer sind diese Frauen? Wissen wir irgendetwas über die Frauen, die sich in den Musikvideos des Porno-Regisseurs Snoop Dogg räkeln?

Sie waren wohl schon immer da. Normal. Mainstream. Deshalb finden es junge Frauen und Männer wahrscheinlich auch nicht mehr ungewöhnlich und erfreuen sich an den pornografisierten Videos von Britney Spears und Co. „Die Frauen machen es doch freiwillig“ ist ein Argument, das mir häufig begegnet. Für mich ein Null- Argument. Abgesehen davon, dass ich trotzdem nicht jeden Tag von (heterosexistischer) Pornografie umgeben sein möchte, gibt es sehr viel, das von Menschen freiwillig gemacht wird und nicht alles, was Frauen machen, ist toll. Oder wollen wir etwa, dass Eva Herman und Barbara Rosenkranz politisch einflussreich agieren können?

Ich möchte auf keinen Fall den Begriff des „falschen Bewusstseins“ bemühen, aber da gibt es doch zum Beispiel die Theorien von Pierre Bourdieu, die sich damit auseinandersetzen, wie Menschen soziales Kapital erwerben und sich um Aufstieg und Ansehen in einem System bemühen und dazu die Mittel nützen, die in diesem System zu Belohnung führen. Aber vielleicht mögen wir auch in einem System der unzähligen „Post-…“-Phänomene explizite Kritik nicht so gerne. Und wir sind gerne zynisch und decodieren kulturelle Codes auf ironische Weise. Pornographie kann ganz schön cool sein.


Clinique Werbung. Oh, right, I get it.

In Österreich ist etwa Renee Pornero eine Zeit lang von den Medien recht hofiert worden. Über die ehemalige Pornodarstellerin und Pornoproduzentin kann und möchte ich nichts sagen, aber den Umgang mit ihr finde ich doch ziemlich symptomatisch. Pornero bloggt (als eine der wenigen Frauen) auf dem beliebten österreichischen Blog „ZiB21“ und wird dort folgendermaßen vorgestellt: „Als ‚Ösimösi‘ anfangs nur der deutschen Szene ein Begriff, eroberte sie vor wenigen Jahren auch den für Porno relevanten Stadtteil von Los Angeles, was in Filmen wie ‚Throat Gaggers‘ (Rachenputzer) bis heute eindrucksvoll dokumentiert wird. Ihr Markenzeichen war von Anfang an ihre bemerkenswerte Kehrseite und ihre Haltung war stets von den zwei Worten ‚No Limits‘ geprägt.“

Nun, ich habe diesen Pornotitel in eine Suchmaschine eingegeben und bin auf ein Video gestoßen, in dem zwei Frauen würgen, um Luft ringen, weinen und spucken. Währenddessen werden sie von zwei Darstellern beschimpft, deren Gesichter (wie so oft in „Gonzo“-Pornos) nicht zu sehen sind. Was dort also „eindrucksvoll dokumentiert“ wird, erzeugt bei mir eher Übelkeit. Wenn ich deshalb „sexualitätsfeindlich“ sein soll, dann läuft mit den Begrifflichkeiten meiner Meinung nach etwas falsch. Auch viele andere Dinge in Mainstream-Pornos gefallen mir nicht. Zum Beispiel die Darstellung von lesbischem Sex. Wobei hier „lesbisch“ wohl das falsche Adjektiv ist, denn Sex zwischen Frauen gehört in den meisten Mainstream-Pornos zum Standard-Repertoire und dient eher zur Belustigung der Pornodarsteller, die den Frauen dann geben, was sie „wirklich“ brauchen.

Und um doch noch einmal auf mögliche Medienwirkungen zurückzukommen – mir sind schon viele Männer begegnet, die beim Wort „Lesbe“ an zwei nackte Models mit künstlichen Fingernägeln denken. Was Pornofilme Männern erzählen, an die sich zu 99 Prozent richten, ist ebenfalls ein eigenes Kapitel. Sie scheinen ausschließlich aus einem dauerharten Penis zu bestehen, der von (mehreren) Frauen bearbeitet wird, andere Bedürfnisse scheinen erst gar nicht zu existieren.

Und wenn ein Großteil der Pornofilme nach diesem Rezept produziert werden, dann ist es auch ziemlich egal, dass es „so ziemlich alles“ auf dem Markt gibt. Die Tatsache, dass es anspruchsvolle Kunstfilme gibt, hat die Qualität von Action-Streifen auch nicht verbessert. Ganz im Gegenteil, die Konsument_innen sind zunehmend abgestumpft, neue Reize müssen her.

Und worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Ich denke, dass wir neue (theoretische) Zugänge zu diesem Themenkomplex brauchen,  gezielte Aufmerksamkeit, neue Begrifflichkeiten, eine andere Sprache. Und eine breite öffentliche Debatte, die über Kinderschutz, Sexualitätsfeindlichkeit und Pornosucht hinausgeht. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass da gerade etwas an uns vorbeizieht. Was meint ihr dazu? Ich werde erst mal weiter nachdenken…

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