Ein kleiner Auszug aus meinem Semester: Marketing. Mit Geschlecht. „Diet Coke“ bzw. „Coca-Cola Light“ ist in den 80er Jahren auf den Markt gekommen und hat mit dem „Cola Light Mann“ geworben. Der war eher ein passives Objekt der Begierde, mit der Null-Kalorien-Schiene sollten (natürlich) Frauen angesprochen werden. „Durchschnittliche“ Frauen, die einen halb-entkleideten Mann begehren – das hat ganz gut in die 90er Jahre gepasst. Nachdem dann aber doch ziemlich viele Männer Null-Kalorien-Getränke trinken wollten, brauchte es eine neue Strategie. Coke Zero, schwarz, männlich. Mit Wayne Rooney statt verschwitzten Bauarbeitern und Liftboys. Und Männern, die sich ganz im Sinne des „new lad“ aus der Herrschaft der Frauen befreien. Seht selbst.
Sex sells
Woran denkt ihr, wenn ihr ein solches Bild auf einer Website entdeckt? Also ich dachte erstmal nicht, dass ich auf der Homepage einer „New Media Consulting“ Agentur gelandet bin. Das Unternehmen „MindTake“ mit Sitz in Wien versucht offensichtlich, die Aufmerksamkeit potentieller Kundinnen und Kunden mit (den eigenen?) Mitarbeiter_innen zu erregen. Und, was sagt ihr zu diesem Konzept?
Screenshots www.mindtake.com
Model, Topmodel
„Germany’s Next Topmodel“ läuft seit März bereits in seiner fünften Auflage auf „Pro 7“ und ist (vor allem bei der jungen, weiblichen Zielgruppe) so unglaublich erfolgreich, dass Verantwortliche anderer Sendeanstalten vor Neid erblassen. Abgesehen von den Top-Quoten wurde das Reality-Format nicht zuletzt aufgrund des zweifelhaften Frauenbilds, das in der Sendung präsentiert wird, in den vergangenen Jahren in den (Print-)Medien rauf und runter besprochen. Eine Kritik an der Model-Show holt also wahrscheinlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor, dennoch hat mich meine späte Annäherung zu einem Kommentar inspiriert.
Denn „Germany’s Next Topmodel“ hat mich unglaublich fasziniert. Nicht nur, dass die Sendung sehr unterhaltsam (wenn auch immergleich) gemacht ist, das Format sucht in der Welt des Reality-TVs wohl seinesgleichen. Vermutlich ist es falsch, „Germany’s Next Topmodel“ als Reality-TV-Show zu bezeichnen, wohl eher handelt es sich um einen Werbespot in der Endlosschleife. Und dabei wird nicht wirklich ein Produkt beworben, auch wenn die Sendungsblöcke nur Platzhalter für die vielen Hinweise auf Lippenstift, Fasten-Joghurt, Immunstärkungs-Drink und Frauenmagazine sind. Der Fortsetzungs-Spot stellt Werbung in seiner modernen Form dar. „Konsumentinnen und Konsumenten werden nicht mehr zum Kauf [eines Produkts] angeregt, sondern zur Übernahme eines bestimmten Lifestyles, zur Übernahme dominanter Rituale, wobei das Produkt als deren unabdingbarer Teil akzeptiert werden soll“, schreibt Matthias Marschik dazu in einem Sammelband zu Cultural Studies und Medienanalyse.
Und würde man/frau sich den vielzitierten „neoliberalen Mythos“ als Werk eines verschwörerischen Kreises brillianter Köpfe vorstellen, so könnte das Drehbuch zu „Germany’s Next Topmodel“ aus ihrer Feder stammen. Gebetsmühlenartig werden die immer gleichen Slogans wiederholt: Jede kann es schaffen, wenn sie es nur will, wenn sie sich nur (trotz Hakennase oder breiten Hüften) genügend anstrengt, wenn sie alles tut, was Produzent_innen und Kund_innen verlangen und dabei noch richtig Spaß hat. Disziplinierung, das steht dabei an erster Stelle. Brav aufgereiht stehen die Kandidatinnen in einer Schlange, wenn Übermutter Heidi Klum Anweisungen gibt, nach jedem Statement eines Stargasts oder angeblichen Auftraggeber_innen wird hingebungsvoll geklatscht. Die Bereitschaft, auch wirklich alles für den großen Erfolg (der greifbar nahe ist!) zu tun, wird demonstriert, wenn die Kandidatinnen mit Schlangen und Spinnen kuscheln, bei Minusgraden im Regen stehen und sich (fast) nackt fotografieren lassen. Der Kunde und die Kundin wollen es ja schließlich so. Und wer sich ganz ohne Tränen und Widerstand gleich zu Beginn die Haare abschneiden („umstylen“) lässt, die beweist ihren wahren Sinn fürs Große Ganze. Competition, Competition darf dabei nicht vergessen werden. „Ihr seid Konkurrentinnen!“, wird immer wieder ausgerufen. Nur Eine kann sich durchsetzen, nur Einer gehören bald Hollywood-Villa und Rolex-Uhr.
Unter dem Titel „Frauenquälen für die ganze Familie“ kommt FAZ-Journalist Jörg Thomann zu folgendem Schluss: „Sexismus, so glaubte man, ist heute kein Problem mehr. Doch das ist ein Irrtum. Der Unterschied zu früher: Viele Frauen machen bereitwillig mit.“ Doch abgesehen vom ersten Satz, in dem sich ein fast schon naiv-heiterer Irrglaube versteckt, täuscht sich der Autor meiner Ansicht nach, was die weibliche Exklusivität in Sachen freiwilliger Erniedrigung betrifft. Ich glaube kaum, dass nicht auch (wenn vielleicht auch nicht so viele) Männer Schlange stehen würden, um von Heidi Klum (oder Markus Schenkenberg?) geformt zu werden. Verhindert wird das wohl nur von der gigantischen Industrie im Hinter- bzw. Vordergrund, die Millionbeträge dafür ausgibt, um der konsumfreudigen Zielgruppe ganz nahe zu sein. Der Markt für den Herren-Abdeckstift ist einfach (noch) zu klein. Ansonsten stünde dem Gegenpart des Formats wohl nichts im Wege, schließlich leben Medien und Werbung von „Veränderungen und Flexibilität und nicht von Aufbau von Dichotomien, sie leben von Mythen und nicht von ‚Information‘ im weitesten Sinn“.
Morgen um 20.15 Uhr ist es wieder so weit. Da beweisen die angehenden Topmodels wieder, dass „Persönlichkeit“ ein Gesichtsausdruck, Glück ein Shopping-Gutschein, ethnische Identität ein Cappuccino-Teint und High-Heels die Werkzeuge einer Frau sind.
Link: Medienwissenschafterin Tanja Thomas zu „Germany’s Next Topmodel“ auf diestandard.at
Foto: CC ds1987
Was gibt’s Neues?
Interessante Links aus den vergangenen Tagen (bzw. Wochen):
Einen schockierenden Bericht über die Diskriminierung von Frauen in Indien gibt es auf diestandard.at: „Eine Tochter groß ziehen, das heißt, den Garten des Nachbarn bewässern“, lautet ein indisches Sprichwort. Die Folge: Weibliche Föten werden vermehrt abgetrieben.
Sadomasochismus ist nach wie vor Thema in der „EMMA„. Alice Schwarzer schreibt über neue wissenschaftliche Studien zu den Ursachen und Wirkungen sexueller Fantasien.
Sind Pornodarstellerinnen gewöhnliche Schauspielerinnen? Einen Beitrag dazu gibt es auf der Mädchenmannschaft.
„We are a sexually schizophrenic nation“ – Ein wie immer interessanter Kommentar auf „dailykos“.
Unter dem Titel „Fürsorge – Frauensache“ kommentiert Violetta Simon in der Süddeutschen Zeitung die Probleme bei der Alten- bzw. Krankenpflege in Deutschland.
Vorträge, Konferenzen, Seminare, Call for Papers – Vorbeischauen auf Salon 21 lohnt sich immer.
Und schon wieder ein sehenswerter Werbespot. (Auch in allen anderen „Old Spice“ – Spots ist das Männerbild sehr interessant…):
Ohne Worte
Die Oster-Kampagne der Tierrechtsorganisation „PETA“. Mit dem „Playmate des Jahrtausends“ Janine Habeck:
Foto: © Marc Rehbeck
Männliche Mythen und eine Gegendarstellung
Auf Hinweis von Fiber-Autorin Katrin hin hier eine weitere – sehr aufschlussreiche – Superbowl Werbung, diesmal von „Dodge“. Und dazu die commercial spoof.
Das „Eigene“ und das „Fremde“
In diesem Semester habe ich ein Seminar belegt, in dem wir uns mit Männlichkeiten und Ethnizität auseinandersetzen müssen. Ich bin in der Werbungsgruppe gelandet und habe mich auf die Suche nach verschiedenen Spots mit sexualisierten Darstellungen gemacht. Fündig bin ich sogleich – wie könnte es anders sein – in der Welt des Fußballs geworden. Seht euch die beiden Spots mit Didier Drogba und Cristiano Ronaldo an. Und vergleicht die Musik, die Kamerapositionen, die Schnitte, die Kleidung, Bildausschnitte. Ich denke, sie sprechen für sich selbst (ohne dass weitere Erklärungen notwendig wären).