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CBS und die Super Bowl – Werbepause

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Das Recht auf Abtreibung erhitzt in den USA regelmäßig die Gemüter – die Haltung eines Präsidentschaftskandidaten / einer Präsidentschaftskandidatin zu diesem Thema ist im Wahlkampf meist ebenso zentral wie seine oder ihre steuerpolitische Vision. Im Vorfeld des gestrigen Super Bowls wurde schließlich bekannt, dass der TV-Sender CBS einen Spot von „Focus on the Family“, einer Gruppe konservativer ChristInnen ausstrahlen wird, nicht jedoch einen Werbefilm für eine Partneragentur für homosexuelle Männer. Ein Spot des Internetportals „Go Daddy“, das mit einem „betont schwulen“ Ex-Profisportler wirbt, ist ebenfalls der Zensur zum Opfer gefallen (siehe diestandard.at).

Macht euch selbst ein Bild – hier sind die umstrittenen Werbe-Spots:

„CatholicVote.com“ hat ebenfalls einen Anti-Abtreibungs-Spot produziert, der es nicht in die Super Bowl Pause geschafft hat. Die Botschaft „Life: Imagine the Potential“ ist gleich in mehrerer Hinsicht äußerst problematisch. Aber seht selbst:

Doing Gender am Frühstückstisch

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Welche unserer Alltagspraktiken sind eigentlich nicht vergeschlechtlicht? – Diese Frage stellten wir uns einst in einem Uni-Seminar und erst nach langem Überlegen brachte jemand den Vorschlag „Zähne putzen“ ein. Ja, schon im Kindergarten lernen wir, dass gesunde Zähne wichtig sind und diese drei Mal täglich geputzt werden sollen, von Männern und von Frauen. Und dabei gibt es keine bestimmten Verhaltensregeln, wie die jeweilige Geschlechtsgruppe ihre Zähne putzen müsste – Zähne haben anscheinend kein Geschlecht. Bisher ist (so weit ich weiß) auch noch kein Unternehmen auf die Idee gekommen, Zahnpasta für Männer (vielleicht mit „wildem Menthol“) oder für Frauen (mit „herrlichem Rosenblütenduft“) auf den Markt zu bringen.

Und wo wir schon bei der Zahnpflege wären, wie sieht es eigentlich mit dem Frühstück aus? Der Online-Müsliversand „MyMuesli“ zeigt, dass Müsli-Essen schon im Kindesalter nach Geschlechtern getrennt erfolgen kann. Das Unternehmen hat jüngst Kinder-Müslis in sein Sortiment aufgenommen und sogleich ein „Piratenmüsli“ und ein „Prinzessinnenmüsli“ kreiert. Der wesentliche Unterschied: Im „Piratenmüsli“ für die Jungs sind Kakao und Schokoladestückchen zu finden, im „Prinzessinnenmüsli“ viele rote Früchte.

So weit, so gut. Aber immer, wenn es um Geschlecht geht, sind Verhaltensnormen nicht weit. Das Jungs-Müsli gibt „Kraft für wilde Abenteuer“. Und natürlich schmeckt es richtig gut, denn sonst „fliegt es einfach über Bord“. Und was ist mit den wilden Abenteuern der Prinzessinnen los? „Das Müsli für Prinzessinen schmeckt auch anspruchsvollen Frühstückerinnen und bietet zur Freude der Eltern ein vollwertiges und ausgewogenes Frühstück für jeden Tag.“ Wozu sie die gelieferte Energie benötigen? „Prinzessinnen müssen schließlich pünktlich in die Schule kommen.“

Fotos: mymuesli.com, sagespot

Werbung: „Best“ of 2009

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Der 31. Dezember 2009 naht – Zeit für  Jahresrückblicke. Diesmal: Werbung. Werbungen aller Art sind eine schier unerschöpfliche Quelle für (nicht ganz so kreativ) inszenierte Geschlechterstereotype, Sexismen und normatives Zelebrieren von Heterosexualität. Auch im Jahr 2009 haben wieder einige Unternehmen gezeigt, wie das richtig gemacht wird:

Technik an potentielle Kundinnen zu verkaufen, das trauen sich nach wie vor einige Konzerne nicht zu. Warum sollte eine Frau schon einen LCD-Fernseher kaufen? Samsung hat die Lösung: „Edles Design für SIE, Technik für ihren Mann“, so bewirbt das Unternehmen eines ihrer Modelle. (Fernseher werden wohl offensichtlich auch nur von Paaren gekauft….)

(www.samsung.com)

Beim Thema „Frauen und Technik“ hat auch Dell 2009 einen beachtlichen Treffer gelandet. Ihre Notebooks, dezent in rosa und lila gehalten, wollte der Konzern mit solchen Mitteln an Frauen verkaufen (die Kampagne wurde mittlerweile geändert):

„Seven Unexpected Ways a Netbook Can Change Your Life
2. Get healthier: Track your exercise and food intake at free online sites like Fitday. Use your mini to track calories, carbs and protein with ease, watch online fitness videos, map your running routes and more.
3. Eat better: Find recipes online, store and organize them, and watch cooking videos.“ (www.dell.com)

Aber nicht nur Elektronik-Konzerne, auch die Kosmetikindustrie vergeschlechtlicht ihre Werbung immer wieder gerne auf interessante Art. So auch bei BIPA, der österreichischen REWE-Handelskette, die zuletzt während der Fußball-EM 2008 mit ihrem „EM-Anti-Missverständnis-Set“ auf sich aufmerksam machte. „Wie lange rasieren sich Frauen in einer Beziehung die Beine? Kommt auf die Geschenke an.“ Mit diesem Slogan sollte in diesem Jahr das Weihnachtsgeschäft angekurbelt werden.  BIPA weiß schließlich, was Frauen (Männer) wollen. (Foto: www.bipa.at)

Mit der heterosexuellen Paarbeziehung und ihren Mythen wollte auch Bruno Banani ins Weihnachtsgeschäft einsteigen. Auf www.maenner-baeckerei.de kann frau „die Realität vergessen“ (den wenig muskulösen Freund, der nie mehr Blumen mitbringt…) und sich den eigenen Traummann backen. Der kann dann „böser Junge“, „Macho“ oder „Romantiker“ sein. Interessant auch die „Eigenschaften“, die da zur Auswahl stehen. „Fährt ein teures Auto“ und „Im Restaurant zahlt immer er“ zum Beispiel. (www.maenner-baeckerei.de)

Das „Glanzstück“ des Jahres 2009 kommt jedoch aus einer ganz anderen Ecke. Bei der vergangenen österreichischen Hochschüler_innenschafts-Wahl kanditierte die „Junge Europäische Studenteninitiative“ und wollte unter anderem gegen das Binnen-I in Diplomarbeiten ankämpfen. „Erreichen wir durch weiblichen Charme nicht mehr, als durch frustriertes Emanzentum ?“ fragte „JES“ und warb dafür mit diesem Sujet (www.jes.or.at):

Wie heißt es so schön? Jeder weitere Kommentar überflüssig.

Link: „Rosa hat einen infantilen Charakter“ – Interview auf sueddeutsche.de

Frauengold

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Hausfrauen-Zeitschriften aus den 70er Jahren könne man nur als „Gruselkabinette“ bezeichnen, meinte gestern mein Professor in einem Forschungsseminar. Wo wir schon beim Thema wären:  Sehen Sie sich bitte diese Werbespots aus den frühen 60er Jahren an. Lebensfroh mit „Frauengold“.

Wieder lieben

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„Mit Karin und mir lief alles gut –  bis ich eines Tages Erektionsprobleme bekam.“ Mit diesen Worten beginnt der TV-Spot für die Online-Plattform „wiederlieben.at“, der in den vergangenen Wochen auf österreichischen Kanälen zu sehen war. Hinter der Website, die über Erektionsstörungen informiert, steht die „Eli Lilly Gesellschaft m.b.H.“, die heimische Niederlassung eines Global Players der Pharmaindustrie. Werbung für Mittel und Wege bei Erektionsproblemen kennt man bzw. frau eingentlich eher aus den täglichen Spam-Mails zum Thema Potenz. „Bestellen Sie jetzt und vergessen Sie Ihre Enttäuschungen, anhaltende Versagensängste und wiederholte peinliche Situationen“ oder aber „Gar nicht mehr zu frueh kommen und die Frau gut und hart voegeln!“ steht da mitunter geschrieben.

Anders auf „wiederlieben.at“. Dort versucht die Pharmaindustrie, die „Standhaftigkeit des Penis“ nicht als ultimative Quelle „männlicher Versagensangst“, als Flaggschiff des Selbstwertgefühls zu präsentieren, sondern Erektionsstörungen als häufiges und behandelbares „Problem“ zu erklären. „Ist ein Mann müde, überlastet oder hat zu viel getrunken, ist es ganz normal, dass keine ausreichende Erektion erfolgt“, werden die Leser_innen aufgeklärt.

Der Mann im TV-Spot spricht schließlich mit Karin, erkundigt sich im Internet und entschließt sich für einen Arztbesuch. Und da wird es interessant. Zu Beginn des Spots, als noch alles gut läuft, sind Karin und ihr Liebster in einer klassischen hetereosexuellen Paar-Pose zu sehen: Karin im Bett, er beugt sich über sie. Doch dann kommen die Erektionsstörungen ins Spiel. Und so darf sogleich Karin am Steuer sitzen: Während sonst in gefühlten 90 Prozent der Werbespots ein Mann den Wagen lenkt (wie z.B. hier), wird der Mann mit den Erektionsstörungen von seiner Frau abgeholt und auf dem Beifahrersitz liebevoll getätschelt. Aber nicht nur im Auto, auch im Schlafzimmer darf er jetzt die klassisch weibliche Pose einnehmen: Er liegt „unten“, sie beugt sich über ihn und darf den aktiven Part übernehmen. So einfühlsam und „emannzipiert“ der Spot auf den ersten Blick wirkt – so viele Stereotpye eines klassischen Männerbildes spiegeln sich hier wieder.

Und auch auf der Website werden gängige Rollenklischees bedient. „Oft ist die Frau die treibende Kraft, ein Gespräch in die Wege zu leiten. Seien Sie – liebe Frau – behutsam“, sagt „wiederlieben.at“. Überhaupt scheinen nur heterosexuelle Männer (in einer Paarbeziehung) Erektionsstörungen zu kennen – es ist nur von der „betroffenen Frau“ die Rede. Und die „gibt sich gerne die Schuld, den Mann nicht mehr ausreichend erregen zu können.“ Und wo wir schon beim Thema Normalisierung wären: Die Website bietet auch einen Selbsttest an, um die eigene Potenz richtig einschätzen zu können. Und hier erfährt man/frau, wozu eine Erektion benötigt wird: „Wenn Sie bei sexueller Stimulation eine Erektion hatten, wie häufig war diese ausreichend für eine Penetration (Einführen des männlichen Gliedes in die weibliche Scheide)?“  – Hier sprechen die Queer Studies von „Heteronormativität“: Heterosexualität erscheint als „natürlich“, als Norm, Sexualität passiert auf „wiederlieben.at“ ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau, wobei die Frau „pentriert wird“ – so werden nicht-heterosexuelle Formen des Begehrens ausgrenzt.

Karin und dem Mann mit den Erektionsstörungen geht es aber schon wieder „viel besser“. Dank wiederlieben.at. (www.wiederlieben.at)

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