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Warum „die Hausverstand“ nichts mit Feminismus zu tun hat

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Immer wieder ist er – Pardon, sie – mir in den vergangenen Wochen begegnet: Der REWE-Konzern hat eine neue Werbekampagne gestartet, „Die Hausverstand“ ersetzt bei Billa nun den einst mänllichen Darsteller.

Ein feministisches Statment? Ähm, nein.

Erst einmal sorgt eine neue Werbelinie für Aufmerksamkeit (wie unter anderem mein Blogeintrag beweist). Und dann wären da noch die KundInnen. Rund zwei Drittel Frauen kaufen bei Billa ein. Trotz steigender Berufstätigkeit (ja, rund 50 Prozent Teilzeit) erledigen Frauen in Österreich nach wie vor den Großteil der Haus-, Pflege- und Erziehungsarbeit. Sie tätigen also auch die regelmäßigen Einkäufe im nächstgelegenen Supermarkt.

„Frauen würden eben eher Attribute wie Nähe, Achtsamkeit, Intuition und Leichtigkeit verkörpern“, sagt das Management. Und abseits dieser Geschlechterstereotype hat die Marktforschungsabteilung vielleicht auch herausgefunden, dass sich immer weniger Kundinnen von einem Mann um die 50 angesprochen fühlen, der ihnen erklärt, was beim Einkauf zu beachten ist.

Klassisches Gender-Marketing also.

Im neuesten Spot erklärt die Hausverstand, dass Frauen heute alles wollen: Erfolg im Beruf, Familie, Zeit für die Freunde. Um das alles in den Griff zu bekommen, eilt Billa zur Hilfe: Lebensmittel können jetzt auch online bestellt werden. Wir sehen: die Botschaft ist dann doch mehr eine reaktionäre als eine feministische. Dass auch der REWE-Konzern auf der Führungsebene männlich dominiert ist, muss da keineswegs als Widerspruch gelesen werden: Wahrscheinlich haben einfach noch nicht genug Frauen herausgefunden, wie die Sache mit der Vereinbarkeit effizient zu regeln ist. Online fürs Abendessen einzukaufen wäre da mal ein erster Schritt.

Verlinkt

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Die neuen an.schläge sind da und widmen sich dem Schwerpunkt Mädchenarbeit & emanzipatorische Erziehung. Ich habe unter anderem einen Kommentar zu Klassismus in antirassistischen Politiken beigesteuert. Und falls ihr noch ein Weihnachtsgeschenk sucht: Wie jedes Jahr gibt es eine Abo-Aktion, bei der ihr die an.schläge-Tasche kostenlos zu einem Jahresabo dazubekommt und zugleich feministischen Journalismus unterstützt!

Zum Nachhören: „Ob Kinder oder keine, entscheiden Frauen alleine“ – Brigitte Hornyik und eine langjährige feministische Aktivistin haben mit Radio Orange über den Schwangerschaftsabbruch, die österreichische Fristenregelung und Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen gesprochen.

Passend dazu: „Attacks on abortion providers have increased since the Planned Parenthood videos“ – Bericht auf Vox.com.

„Selbstbestimmt Fehlgebären“ – ein persönlicher und informativer Bericht auf umstandslos.com.

Der Frauenring hat eine Stellungnahme zur geplanten Änderung des Asylgesetzes abgegeben: „Frauenrechte sind nicht teilbar„!

Am 3. Dezember findet im Metalab in Wien der erste Netzpolitische Abend mit drei spannenden Kurzvorträgen statt. Link zum Blog

Ebenfalls am 3. Dezember wird das Erscheinen des 1. fiber-Buchs gefeiert! Im Werk in Wien erwarten euch eine Lesung, Live Acts, DJanes und eine Tombola!

Femme Fiscale ist ein Netzwerk von ExpertInnen und AktivistInnen, die sich für eine geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik einsetzen. Folgt ihnen auf Facebook und bleibt auf dem Laufenden!

Die Kampagne „GewaltFREI Leben“ präsentierte am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ihre Ergebnisse. Für JournalistInnen steht die sehr nützliche Publikation „Verantwortungsvolle Berichterstattung für ein gewaltfreies Leben“ zum Download.

Warum Klimapolitik ein Geschlecht hat – Artikel von Oona Kroisleitner auf derstandard.at.

Für Diestandard.at habe ich einen Artikel über die Situation geflüchteter Frauen und LGBTs in Österreich geschrieben.

Selber schuld, kein Mitleid!

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Der berüchtigte Pensionsbrief ist vor wenigen Wochen auch bei mir ins Haus geflattert. Und ja, es war deprimierend. Immerhin habe ich studiert (2 Studienfächer) und während der ersten Arbeitsjahre hatte ich kaum reguläre Dienstverhältnisse. Das rächt sich, wissen auch Elisabeth Stögerer-Schwarz, Leiterin des Fachbereichs Frauen und Gleichstellung im Land Tirol, und Christine Baur, Landesrätin für Frauen und Gleichstellung (Grüne). Der Fachbereich hat nämlich eine Ausgabe seiner Zeitschrift („Gleichstellung kompakt“) dem Thema Frauen und Pension gewidmet – und die ist ebenfalls bei mir ins Haus geflattert (eigentlich in die an.schläge-Redaktion).

Die harten Fakten: Die Pensionshöhe richtete sich in Österreich einst nach den 15 besten Erwerbsjahren, dieser sogenannte Durchrechnungszeitraum wurde nun auf das gesamte Erwerbsleben ausgedehnt. Für Frauen ist das bitter: Die ohnehin niedrigen Frauen-Pensionen werden noch einmal ordentlich gedrückt.

Pensionistinnen sind schon heute häufig unter den armutsgefährdeten Menschen in Österreich zu finden – was ist hier politisch also zu tun? Die Pensions-Broschüre aus Tirol liefert die entsprechenden Tipps, nur richten sich diese an uns Arbeitnehmerinnen. Gerne möchte ich sie mit euch teilen.

„Auszeiten für Kinder oder die Pflege von Angehörigen, Teilzeitarbeit oder schlecht bezahlte Jobs, fehlende Versicherungsjahre und prekäre (geringfügige) Arbeitsverhältnisse – es gibt viele Gründe für Altersarmut. Und sie betreffen besonders oft Frauen. Umso wichtiger ist es für Frauen, sich rechtzeitig zu informieren, um für die Pension optimal vorsorgen und auch im Alter gut leben zu können.“

Puh, und ich habe mir schon Sorgen gemacht – ich muss mich also nur ordentlich informieren.

„Was sind die wichtigsten Aspekte im Erwerbsleben, damit es dann in der Pension auch für Frauen rosig aussieht?“ Ulrike Ernstbrunner, Vorsitzende der ÖGB-Frauen Tirol: „Gut bezahlte Arbeit, ob in Voll- oder Teilzeit, keine Versicherungslücken im Erwerbsverlauf.“

Da haben wir das Informationsdefizit: Ich Dummkopf arbeite schlecht bezahlt!

„Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass unsere Pension gesichert ist. Das ist natürlich für viele ein schwieriger Lernsprozess. Man empfindet das berechtigterweise als unfair. Als persönlichen Trost kann ich allen nur mitgeben: Die Generation nach uns wird es noch viel schlimmer treffen“, sagt Zukunftsforscher Harry Gatterer.

Haha, ihr Zwölfjährigen, in eurer Haut möchte ich nicht stecken!

Der Zukunftsforscher weiß noch mehr: „Die Gesellschaft muss sich neu organisieren. Zusammenhalt und gemeinsames Schaffen von Werten wie früher in der traditionellen Familie wird wieder wichtiger werden.“

Sagt euren (Groß)müttern schon mal: Das mit der Kreuzfahrt in der Rente können sie vergessen. Ihr zieht bei ihnen mit den Kindern ein.

„Was vom Eheglück blieb, waren Schulden, die ihr Mann ihr hinterlassen hatte. Seit 2005 arbeitet Martina wieder im Drogeriefachhandel und hat sich zur Trainerin weitergebildet. Dass sie von ihrer Pension nicht wird leben können, ist ihr mittlerweile klar. Sie hofft darauf, ihr Haus – wenn es denn in etwa acht Jahren schuldenfrei ist – gut verkaufen zu können, um so ihr Auskommen im Alter zu sichern.“

Merke: Immobilienbesitzer_innen sind im Vorteil. Eine Ehe ist heutzutage auch keine gute Vorsorgeoption mehr. Und soziale Absicherung gibt es in Österreich offensichtlich nicht.

„Melanie ist Erziehungswissenschaftlerin und systemische Familientherapeutin. Ihrer Ausbildung hat sie viel Zeit gewidmet und demnach auch auf viele Einkommensjahre verzichtet. Heute hat sie zwei Teilzeitjobs und glaubt nicht mehr daran, dass sie im Alter einmal eine ausreichende staatliche Pension kommt. 70 Euro zahlt Melanie jedes Monat in eine private Pensionsvorsorge ein.“

Erst Lebenszeit mit Ausbildung verschwenden und dann Teilzeitjobs? Mädchen, Mädchen. (Diese Information widmete Ihnen Raiffeisen Versicherung?)

„ÖsterreicherInnen legen im Schnitt pro Monat 60 Euro auf die hohe Kante. Und der Blick ins Pensionskonto dürfte den Vorsorgegedanken noch gefördert haben. Die heimischen Versicherungen meldeten 2014 eine Steigerungsrate von sagenhaften 40 Prozent beim Abschluss von Lebensversicherungen.“

Diese Information widmete Ihnen die Allia… Moment, haben Versicherungsunternehmen nicht eh schon unser Steuergeld bekommen? Wo kann ich meine Gutschrift einsehen?

„Mit dem Bild der traditionellen Klassenkämpferin hat Verena Steinlechner-Graziadei wenig gemein: Da ist nichts Verbohrtes, Verhärmtes, Hartes. Wo immer die quirlige Mittfünfzigerin auftaucht, geht es rund.“

Ich muss sagen, diese Broschüre macht Lust auf Klassenkampf.

PS. Ich habe nichts gegen Informationen, auch nicht über die harte Realität. Aber eine solche Zeitschrift, die zu gut bezahlten Jobs rät (die es nicht unbedingt für alle Menschen gibt), zu Vollzeitstellen (die immer weniger werden), zu privater Vorsorge (die sich nicht alle leisten können und das Spekulationsvermögen mehrt), die die „traditionelle Familie“ bewirbt und zugleich die Wichtigkeit der Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen betont und so gar keine politischen Ideen, Konzepte, Visionen enthält, wie eine Grundsicherung von Menschen erreicht werden kann, macht mich wütend.

Bücherkauf in Wien

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An dieser Stelle habe ich im Sommer gerne Romane von großartigen Autorinnen empfohlen, nachdem ich im letzten halben Jahr aber viel getan habe, nur nicht Romane gelesen, stelle ich euch stattdessen meine liebsten Buchläden in Wien vor. Ihr wisst ja: Amazon ist nicht unbedingt empfehlenswert und überhaupt haben Buchläden (wenn es nicht gerade große Ketten sind) doch richtig Flair.

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ChickLit
Diesen Laden muss ich wohl wenigen meiner Leser_innen noch vorstellen. Die einzige feministische Buchhandlung Wiens besticht durch ein tolles Sortiment und ebenso tolle Laden-Inhaberinnen, außerdem finden regelmäßig Lesungen, Buchpräsentationen und Diskussionsveranstaltungen statt. Mittlerweile könnt ihr Bücher auch im Online-Shop bestellen.

Frick International
In diesem Geschäft gibt es ein breites Sortiment englischsprachiger Literatur, außerdem russische, spanische, französische und italienische Literatur (auch weitere Sprachen, leider kann ich nicht alle aufzählen). In der Abteilung Politik und Philosophie findet ihr viel linke Literatur, außerdem hat der Laden ein wirklich gutes Sortiment an Zeitschriften, die mensch anderswo nicht findet.

Orlando
Hier trefft ihr auf eine belesene und sympathische Buchhändlerin, die euch gerne Empfehlungen gibt. Tolles Belletristik-Sortiment.

Löwenherz 
In der Löwenherz Buchhandlung liegt der Schwerpunkt auf lesbischer/schwuler/queerer Literatur, auch das Film-Sortiment kann sich sehen lassen. Die Inhaber sind sehr nett und helfen auch bei schwierigen Bestellungen.

ÖGB Buchhandlung 
Hier findet ihr vor allem politische/wissenschaftliche/linke Literatur, der Tisch mit
(queer-)feministischer Literatur ist stets gut gefüllt. Außerdem könnt ihr hier ungestört stöbern.

Kuppitsch
In dieser sehr großen Buchhandlung ist ein umfangreiches Sortiment an wissenschaftlicher Literatur lagernd, zudem gibt es Belletristik, Reiseliteratur, Zeitschriften und viele Angebote.

Bücherbörse im NIG
Hier gibt es gebrauchte Bücher zu einem sehr günstigen Preis, die vor allem für ein Studium an der Uni Wien nützlich sind. Literatur, die ihr nicht mehr benötigt, könnt ihr hier weiterverkaufen. Leider ist das Sortiment in manchen Sparten oftmals dürftig – also los, packt eure Bücher ein und bringt sie ins NIG (sharing is caring)!

Adressen und Öffnungszeiten findet ihr auf den jeweiligen Websites.

PS. Ich würde mich sehr über Roman-Empfehlungen von eurer Seite freuen!

Dynamisch, flexibel, belastbar

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Dieser Artikel ist bereits in der März-Ausgabe der an.schläge erschienen.

Bettina Haidinger und Käthe Knittler verknüpfen in ihrem Einführungsband in die feministische Ökonomie ökonomisches Basiswissen mit emanzipatorischen politischen Forderungen.

Auf dem „wirtschaftspolitischen Datenblatt“, das auf der Website des österreichischen Wirtschaftsministeriums heruntergeladen werden kann, reihen sich Zahlenkolonnen und Kurven feinsäuberlich aneinander. Investitionsbestände und Abgabenquoten können dort nachgelesen werden, Wirtschaftspolitik lässt sich in Formeln fassen, so der Eindruck. Ökonomie als Formalwissenschaft, die sich komplexer mathematischer und statistischer Methoden bedient, ist jedoch eine historisch junge Erscheinung: Im Zuge der Ablösung der Klassik durch die Neoklassik gegen Ende des 19. Jahrhunderts trat der „homo oeconomicus“ auf die Bühne: das rationale, unabhängige und geschichtslose Individuum, stets darauf bedacht, seinen Nutzen zu maximieren.

It’s all about the money. Welche Folgen dieser Wandel nach sich zog, skizzieren Bettina Haidinger und Käthe Knittler in ihrer Einführung in die Entwicklung und Strategien der feministischen Ökonomie. In neun thematisch gegliederten Kapiteln zeichnen sie kontroverse (innerfeministische) Debatten um ausgeblendete Macht- und Ausbeutungsstrukturen nach. Denn die systemerhaltende unbezahlte Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird, findet meist keinen Eingang in wirtschaftliche Kennzahlen, in den Mainstream der Volkswirtschaftslehre. Diesem Umstand setzen feministische Ökonominnen seit vielen Jahrzehnten (mehr oder weniger erfolgreich) Initiativen entgegen, um die „blinden Flecken“ der Ökonomie aufzudecken und sich gegen die Trennung in Markt und Privathaushalt zu stellen. Am Beginn ihres Buches widmen die Autorinnen Pionierinnen der Ökonomie ein Kapitel, so etwa Harriet Taylor Mill und der Österreicherin Käthe Leichter, die bereits in den 1930er Jahren Reproduktionsarbeit und Freizeit – und nicht nur Lohnarbeit – in ihren empirischen Studien berücksichtigte.

X mal 100 = Ausbeutung. Mittlerweile – wenn auch nicht in allen Bereichen – gibt es differenzierte Statistiken zur Lohnschere, Zeitbudgetstudien und andere Untersuchungen, die Diskriminierungen sichtbar machen und damit die notwendige quantitative Basis für die Arbeit feministischer/kritischer Ökonom_innen. Doch das umfangreiche Zahlenmaterial ist ambivalent zu sehen, wie Haidinger und Knittler schildern. Nicht nur wird in (durchaus sinnvollen) statistischen Erhebungen entlang der Kategorisierung in Männer und Frauen Zweigeschlechtlichkeit reproduziert und einzementiert, auch werden komplexe Macht- und Abhängigkeitsstrukturen vielfach nicht erfasst bzw. weiter erforscht. „Das Patriarchat ist keine auf Zahlen basierende Formel“, bringen es die Autorinnen auf den Punkt. Auch die Debatte rund um Care-Ökonomie und den Care-Begriff und die Haushaltsarbeitsdebatte der 70er-Jahre zeichnen Haidinger und Knittler ausführlich nach, im Kapitel „Makroökonomie und Geschlechterverhältnisse“ werden volkswirtschaftliche Grundbegriffe bzw. -probleme knapp erklärt.

Empört euch! Den Autorinnen gelingt es, mithilfe von inhaltlichen und historischen Querverweisen eindrücklich darzustellen, dass Wirtschaft bzw. Kapitalismus keine ahistorische Gegebenheit, sondern ein von Menschen gestaltetes politisches Feld ist. Und, dass es dringend feministische Aufmerksamkeit für ökonomische Fragestellungen braucht. Schließlich ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die Ökonomie angesichts eines kulturwissenschaftlichen Fokus an den Rand gedrängt worden, auch sind „unheilige Allianzen“ zwischen neoliberalen und feministischen Ideen auszumachen. Im modernen Kapitalismus werden Frauen im Namen der Gleichstellungspolitik – egal unter welchen Bedingungen – für den Arbeitsmarkt verfügbar gemacht und im Bereich der Reproduktionsarbeit neue globale Ungleichheitsachsen verfestigt. Die Erwerbsarbeit hat nicht die erhoffte Befreiung gebracht: Frauen, Migrant_innen arbeiten dort, wo besonders niedrige Löhne gezahlt und prekarisierte Bedingungen vorzufinden sind. Zeit, konkrete Utopien zu entwerfen – bei Haidinger und Knittler sind sie postpatriarchal und postkapitalistisch.

Cover: Feministische Ökonomie

Bettina Heidinger und Käthe Knittler: Feministische Ökonomie, Mandelbaum Verlag 2013

Gekommen, um zu gehen

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Dieser Artikel ist bereits in der Dezember/Jänner-Ausgabe der an.schläge erschienen.

Über zehn Jahre nach dem Platzen der „Dotcom-Blase“ erleben Internet-Startups einen neuen Boom. Für die GründerInnenszene gilt: jung, männlich, erfolgreich.

Ein unscheinbares Schild in einem Hinterhof in Wien Margareten weist den Co-working-Space „Sektor5“ in der Siebenbrunnengasse aus. Auf insgesamt 580 Quadratmetern stehen hier Arbeitsplätze für „mobile ArbeiterInnen“ – FreiberuflerInnen und kleine Startups – zur Verfügung, Tickets können auch tageweise oder für einen Monat erworben werden. Statt Teppichboden und sterilen Büromöbeln gibt es hier Designerstühle und „Chillout Zones“, hinter der Bar beim Eingang stapeln sich Bierkisten und Club-Mate-Flaschen, ein Getränk, das in Deutschland den Beinamen „Hackerbrause“ trägt. Im „Sektor5“ ist auch der Verein AustrianStartups beheimatet, eine unabhängige Plattform, die die Sichtbarkeit der österreichischen Startup-Szene erhöhen möchte und Unterstützung für GründerInnen anbietet – wobei es derzeit überwiegend Gründer sind

Was ein Startup-Unternehmen eigentlich genau ist, lässt sich nur schwer in einer Lehrbuchdefinition festhalten. Für Christoph Jeschke, Geschäftsführer von AustrianStartups, sind es vor allem das große Wachstumspotenzial, Innovation und die Skalierbarkeit – sprich die Expansionsfähigkeit eines Geschäftsmodells –, die ein Startup ausmachen. „Nur weil ich wachsen möchte, muss ich dann nicht 25 neue Mitarbeiter anstellen“, sagt der 27-jährige Jeschke, der bereits in der Vermögensverwaltung und im Kulturmanagement gearbeitet hat und sich nun auf Online-Marketing spezialisiert; und verweist auf das Vorzeige-Startup Runtastic, das seine Sport- und Fitness-Apps von Oberösterreich aus in die ganze Welt verkauft.

Kein Krawattenzwang. CEO Florian Gschwandtner, der Runtastic mit 26 Jahren mitgegründet hat, gilt als Vorzeige-Unternehmer der österreichischen Startup-Szene. Es sind überwiegend junge Männer, Techniker und Betriebswirte, die sich auf den unzähligen Konferenzen und Vernetzungs-Events tummeln. „Your idea, 90 secs and 5.000 EUR. Sounds nice, right?“, ist in einer Veranstaltungsankündigung der Jungen Wirtschaft Steiermark zu lesen. Adressiert wird eine Zielgruppe von GründerInnen – auf entsprechenden Plakaten sind meist nur Männer zu sehen –, die kaum etwas mit der traditionellen Vorstellung des Unternehmers in Anzug und Krawatte zu tun haben. „Es gibt sehr flache Hierarchien und eine spielerische Unternehmenskultur in der Startup-Szene“, erzählt Jeschke. „Wenn es darum geht, einen Spaßminister im eigenen Startup anzustellen, der für gute Stimmung sorgt, sieht man schon, dass es nicht so ernst zugeht wie in einer Unternehmensberatung oder einer Bank.“

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„Feminismus kann niemals Lifestyle sein“

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Dieses Interview mit der feministischen Ökonomin Gabriele Michalitsch ist in der September-Ausgabe der an.schläge erschienen. 

Heute ist oft von einem „neuen Feminismus“ die Rede, der die „alte“ Frauenbewegung überwunden habe. Was verbinden Sie mit dem Begriff des „neuen Feminismus“?

Was soll denn ein „neuer“ Feminismus sein?

Etwa ein Feminismus, der behauptet, mit statt gegen Männer zu arbeiten, der Individualismus und Lifestyle-Fragen betont.

Feminismus kann niemals Lifestyle sein, Feminismus ist immer politisch. Wenn die Medien eine solche Diskussion befeuern, ist das eine Form von Antifeminismus und der Versuch, den Begriff Feminismus zu vereinnahmen, ihm seine politische Relevanz abzusprechen. Feminismus war zudem nie männerfeindlich, er wurde immer auch von Männern mitgetragen. Wenn, dann wendet er sich gegen bestimmte Konzeptionen von Männlichkeit – wie auch Weiblichkeit. Wäre dieser angeblich neue Feminismus nicht Gegenstand öffentlicher Debatten, müssten wir uns erst gar nicht damit auseinandersetzen – in meinen Augen ist das eine antifeministische Strategie.

Mitunter bezeichnen sich auch konservative Politikerinnen als Feministinnen, die thematisch auf Karriereförderung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen.

Wenn man trotz Kindern Karriere macht, ist das Feminismus?

Diese Frauen verwenden zumindest den Feminismus-Begriff und füllen ihn mit neuen Inhalten. Da stellt sich die Frage: Brauchen wir einen neuen Begriff, um ihn von solchen Definitionen abzugrenzen?

Nein, vielmehr müssen wir ihn verteidigen gegen solche Aushöhlungsversuche. Wenn Feminismus auf Karriere mit Kindern reduziert wird, ist das das Ende des Feminismus.

Schon seit längerem kritisieren feministische Stimmen, dass die Analyse sozialer und ökonomischer Verhältnisse zugunsten Fragen von Identität und Repräsentation verdrängt wurde. Was steckt hinter dieser Entwicklung?

Ja, das war in den vergangenen Jahrzehnten sicher der Fall. Es hat in den Geistes- und Sozialwissenschaften den „cultural“ bzw. den „linguistic turn“ gegeben. Das hat sich auch im Kontext feministischer Wissenschaften artikuliert, das hat natürlich mit gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun und spiegelt die politischen Konjunkturen des Denkens wider. Ich meine aber, dass zurzeit die kritische Analyse eine starke Re-Ökonomisierung erfährt. Angesichts der Krise hat es hier doch eine deutliche Diskursverschiebung gegeben.

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