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Alles Porno

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Auf der Mädchenmannschaft wurde heute ein Link zu einer Umfrage über Pornografie-Konsum gepostet. Ein Thema, das auch mich gerade sehr beschäftigt. Eigentlich bin ich (noch) gar nicht dazu in der Lage, meine Befürchtungen und Kritikpunkte strukturiert zu artikulieren, es sind vielmehr unzählige Fragen, die sich mir stellen. Pornografie, Pornografisierung und Sexualisierung sind zwar Schlagworte, die seit ungefähr zehn Jahren immer wieder in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion auftauchen, aber meist wird da recht oberflächlich diskutiert. Gerade von feministischen Wissenschafter_innen werden diese Themen meiner Ansicht nach vernachlässigt – obwohl sie uns doch alle betreffen. Ja, wir sollten etwas dazu zu sagen haben.

Aber einerseits sind da der 80er Jahre Feminismus und die psychologische Medienwirkungforschung, mit der wir uns nicht identifizieren möchten und die auch zu Recht kritisiert werden. Pornografie per se als Frauenunterdrückung zu definieren, wie das etwa Dworkin und Mac Kinnon getan haben, kann nicht die Antwort auf dieses komplexe kulturelle Phänomen sein. Und im Rahmen von Medienwirkungsstudien werden oft die falschen Fragen gestellt. „Werden Pornografiekonsumenten zu Vergewaltigern?“ – diese Frage beinhaltet bereits äußerst problematische Vorannahmen, sodass sie wohl kaum dazu geeignet ist, brauchbare bzw. differenzierte Forschungsergebnisse hervorzubringen.

Auf der anderen Seite kann ich auch mit vielen kulturwissenschaftlichen Zugängen nicht viel anfangen. Wenn da etwa der aktive Umgang von (aktiven!) Rezipientinnen mit pornografisierter Kultur untersucht und herausgefunden wird, dass junge Mädchen ihre eigenen Wege entwickelt haben, damit umzugehen und nicht als „Opfer“ definiert werden können, dann frage ich mich: Und was nun? Was tun mit diesen Erkenntnissen? Ist hier Systemkritik zu finden?

Irgendwie muss es auch ein Dazwischen geben – zwischen totaler Ablehung und „anything goes“. Mir selbst bereiten verschiedene Entwicklungen Unbehagen. Zum Beispiel der Porno Chic in der Popkultur. Diese Pimp-Kultur, die sich in Musikvideos, Perfomances, Bühenshows, Filmen und Werbung durchgesetzt hat, vermittelt ein Bild, das (sprachlose) Frauen im Bikini oder knappen Outfit fast schon als unerschöpfliche Ressource darstellt. Egal, was da über den Bildschirm flimmert, wer etwas auf sich hält, wird von einem Tross von fünf bis zehn weiblichen Models begleitet. Wachsen diese Frauen eigentlich auf den Bäumen? Wer sind diese Frauen? Wissen wir irgendetwas über die Frauen, die sich in den Musikvideos des Porno-Regisseurs Snoop Dogg räkeln?

Sie waren wohl schon immer da. Normal. Mainstream. Deshalb finden es junge Frauen und Männer wahrscheinlich auch nicht mehr ungewöhnlich und erfreuen sich an den pornografisierten Videos von Britney Spears und Co. „Die Frauen machen es doch freiwillig“ ist ein Argument, das mir häufig begegnet. Für mich ein Null- Argument. Abgesehen davon, dass ich trotzdem nicht jeden Tag von (heterosexistischer) Pornografie umgeben sein möchte, gibt es sehr viel, das von Menschen freiwillig gemacht wird und nicht alles, was Frauen machen, ist toll. Oder wollen wir etwa, dass Eva Herman und Barbara Rosenkranz politisch einflussreich agieren können?

Ich möchte auf keinen Fall den Begriff des „falschen Bewusstseins“ bemühen, aber da gibt es doch zum Beispiel die Theorien von Pierre Bourdieu, die sich damit auseinandersetzen, wie Menschen soziales Kapital erwerben und sich um Aufstieg und Ansehen in einem System bemühen und dazu die Mittel nützen, die in diesem System zu Belohnung führen. Aber vielleicht mögen wir auch in einem System der unzähligen „Post-…“-Phänomene explizite Kritik nicht so gerne. Und wir sind gerne zynisch und decodieren kulturelle Codes auf ironische Weise. Pornographie kann ganz schön cool sein.


Clinique Werbung. Oh, right, I get it.

In Österreich ist etwa Renee Pornero eine Zeit lang von den Medien recht hofiert worden. Über die ehemalige Pornodarstellerin und Pornoproduzentin kann und möchte ich nichts sagen, aber den Umgang mit ihr finde ich doch ziemlich symptomatisch. Pornero bloggt (als eine der wenigen Frauen) auf dem beliebten österreichischen Blog „ZiB21“ und wird dort folgendermaßen vorgestellt: „Als ‚Ösimösi‘ anfangs nur der deutschen Szene ein Begriff, eroberte sie vor wenigen Jahren auch den für Porno relevanten Stadtteil von Los Angeles, was in Filmen wie ‚Throat Gaggers‘ (Rachenputzer) bis heute eindrucksvoll dokumentiert wird. Ihr Markenzeichen war von Anfang an ihre bemerkenswerte Kehrseite und ihre Haltung war stets von den zwei Worten ‚No Limits‘ geprägt.“

Nun, ich habe diesen Pornotitel in eine Suchmaschine eingegeben und bin auf ein Video gestoßen, in dem zwei Frauen würgen, um Luft ringen, weinen und spucken. Währenddessen werden sie von zwei Darstellern beschimpft, deren Gesichter (wie so oft in „Gonzo“-Pornos) nicht zu sehen sind. Was dort also „eindrucksvoll dokumentiert“ wird, erzeugt bei mir eher Übelkeit. Wenn ich deshalb „sexualitätsfeindlich“ sein soll, dann läuft mit den Begrifflichkeiten meiner Meinung nach etwas falsch. Auch viele andere Dinge in Mainstream-Pornos gefallen mir nicht. Zum Beispiel die Darstellung von lesbischem Sex. Wobei hier „lesbisch“ wohl das falsche Adjektiv ist, denn Sex zwischen Frauen gehört in den meisten Mainstream-Pornos zum Standard-Repertoire und dient eher zur Belustigung der Pornodarsteller, die den Frauen dann geben, was sie „wirklich“ brauchen.

Und um doch noch einmal auf mögliche Medienwirkungen zurückzukommen – mir sind schon viele Männer begegnet, die beim Wort „Lesbe“ an zwei nackte Models mit künstlichen Fingernägeln denken. Was Pornofilme Männern erzählen, an die sich zu 99 Prozent richten, ist ebenfalls ein eigenes Kapitel. Sie scheinen ausschließlich aus einem dauerharten Penis zu bestehen, der von (mehreren) Frauen bearbeitet wird, andere Bedürfnisse scheinen erst gar nicht zu existieren.

Und wenn ein Großteil der Pornofilme nach diesem Rezept produziert werden, dann ist es auch ziemlich egal, dass es „so ziemlich alles“ auf dem Markt gibt. Die Tatsache, dass es anspruchsvolle Kunstfilme gibt, hat die Qualität von Action-Streifen auch nicht verbessert. Ganz im Gegenteil, die Konsument_innen sind zunehmend abgestumpft, neue Reize müssen her.

Und worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Ich denke, dass wir neue (theoretische) Zugänge zu diesem Themenkomplex brauchen,  gezielte Aufmerksamkeit, neue Begrifflichkeiten, eine andere Sprache. Und eine breite öffentliche Debatte, die über Kinderschutz, Sexualitätsfeindlichkeit und Pornosucht hinausgeht. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass da gerade etwas an uns vorbeizieht. Was meint ihr dazu? Ich werde erst mal weiter nachdenken…

Wenn Männer tagen

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Warum sich Feministinnen mit der Männlichkeitsforschung und Männerberater mit dem Feminismus auseinandersetzen sollten

Vergangene Woche feierte die Männerberatung Graz ihr 15-jähriges Bestehen, anlässlich des Jubliäums wurde die österreichische „Männertagung“ erstmals in der Steiermark (an der Fachhochschule Joanneum) abgehalten. Auf diese beiden Tage hatte ich mich schon sehr gefreut, da unter anderem Raewyn Connell zu Gast war und Männlichkeitsforschung zu meinen Schwerpunkten innerhalb der Gender Studies zählt.
Was mich schließlich auf der Veranstaltung zum Thema „Diversität von Männlichkeiten“ überraschte, waren nicht unbedingt die Vortragenden, sondern vielmehr einzelne Besucher. Aber erst einmal der Reihe nach.

Am Donnerstag hielt Raewyn Connell, die wohl weltweit am häufigsten zitierte Männlichkeitsforscherin, einen Vortrag und legte dabei ihren Schwerpunkt auf globale Dimensionen der Geschlechterforschung. In ihren jüngsten Publikationen setzt sich die Soziologin mit der westlichen Dominanz in der globalen Wissensproduktion auseinander – ein Thema, das von feministischen Wissenschafter_innen schon lange diskutiert wird. Dass sich eine einflussreiche Universitätsprofessorin wie Connell des Themas annimmt und versucht, konkreten Forschungsprojekten in Südafrika, Chile und dem Iran zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, kann eigentlich nur positiv bewertet werden.

Redebedarf

Am Nachmittag diskutierten wir schließlich in einem der Workshops ein aktuelles Projekt der Männlichkeitsfoscherin zu „business men“. Während sich vor allem Studierende, die zur Tagung angereist waren, mit theoretischen Fragestellungen auseinandersetzten, wurde recht bald klar, dass sich die meisten Männer für andere Themen interessierten. „Wenn ich bei Besprechungen als einziger Mann teilnehme, lassen mich die Frauen genauso nie zu Wort kommen. Oder sie akzeptieren nicht, was ich sage“, erzählte ein Teilnehmer, der in der Männerberatung tätig ist. Überhaupt bestand bei vielen Teilnehmern ein großer Redebedarf, für den vielleicht ein eigenes Format vonnöten gewesen wäre.

Dieser Umstand war im Grunde absolut nachhvollziehbar für mich: Über Männlichkeiten und Männer zu reden, das ist etwas Neues, Interessierte brauchen Möglichkeiten und Räume, um sich austauschen zu können. Die Thesen, die manche Teilnehmer allerdings während der Tagung zum Besten gaben, waren äußerst problematisch. Ein Vertreter des deutschen „Bundesforum Männer“ erzählte etwa, dass er Männer dazu ermutige, sich mit Geschlechterrollen zu beschäftigen, da Frauen über ein wichtiges Privileg verfügen würden: Freizeit (Vielleicht, so hoffe ich, konnte er sich aber auch auf Englisch nicht so gut ausdrücken, wie er das gerne gewollte hätte).

Thomas Gesterkamp, der unter anderem zu Männerrechtlern und deren dubiosen Aktivitäten im Internet forscht, sprach am Freitag über die „Krise der Kerle“ und bemühte trotz kritscher Grundhaltung diverse sexistische Klischees und Allgemeinplätze: Arbeitslose „Unterschichtsmänner“ sind doppelte Verlierer und finden aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit keine Frauen. So werden sie auch nicht in Partnerschaft und Ehe „erzogen“ und landen schließlich im Wettbüro. Und Jungen werden in den Schulen doch irgendwie nicht richtig behandelt. Etwa, weil der „männliche“ Bewegungsdrang von den Lehrerinnen als Störfaktor verurteilt wird. Auch der „Boys‘ Day“ sei irgendwie unfair: Während Mädchen spannende Betriebe besichtigen dürfen, müssen Jungs Nudeln kochen oder werden in den „Nähparkour“ geschickt.

Überhaupt fehlte auf der Tagung der Wille zur (theoretischen) Reflexion. Das wurde besonders eindringlich sichtbar, als schließlich Erich Lehner seinen Vortrag hielt. Der Pädagoge und Psychoanalytiker hat sich bereits in diversen (rechten) Männerkreisen äußerst unbeliebt gemacht, da er sich intensiv mit dem Feminismus auseinandersetzt und sich klar gegen die automatische gemeinsame Obsorge ausspricht. Wenn Väter ihre Versorgungspflichten vor einer Scheidung nicht erfüllen, können sie nicht nach einer Trennung Rechte fordern – diese These vertritt Lehner und erzählt in seinen Vorträgen und Vorlesungen von engen Vater-Kind-Beziehungen, die durch Pflegetätigkeiten entstehen.

Rotes Tuch Feminismus

Nachdem er bei der Männertagung davon gesprochen hatte, dass Männerarbeit immer pro-feministisch sein und Männerpolitik einer Frauenministerin unterstellt sein müsse, wurde es unruhig im Saal. Unzählige Hände schnellten in die Höhe, als schließlich Fragen gestellt werden durften. Ein Universitätsprofessor von der Uni Innsbruck konnte seinen Ärger kaum verbergen: Pro-feministisch, das sei doch völliger Blödsinn. Er habe nämlich schon mit Feministinnen gesprochen. „Die verleugnen die Zweigeschlechtlichkeit! Unglaublich! Sitzen wir als Männer und Frauen hier, oder was?“ Dann erzählte er von seinen Experimenten in Kindergärten, wo sich Jungs förmlich auf Männer stürzen würden. Dann wälzen sie sich angeblich am Boden und können ihrer Männlichkeit so freien Lauf lassen. Sein Resümee: „Es gibt ganz klar viele Unterschiede zwischen den Geschlechtern!“

Ein anderer Teilnehmer, der in einer Männerberatung in Innsbruck arbeitet, erregte sich ebenfalls sehr über Lehners Vortrag. „Wenn ich diese wissenschaftlichen Sachen schon sehe, wird mir ganz anders. Defizit, Defizit, Defizit“, sagte er, während einige Männer zustimmend applaudierten. Er versuche, Männern positive Zugänge zu vermitteln, das Ganze müsse einfach Spaß machen.

Was immer wieder auffiel, war der Umstand, dass das Wissen um Feminismus / feministische Theorien und auch Männlichkeitsforschung bei vielen Teilnehmern, die sich zu Wort meldeten, äußerst mangelhaft war. Dass sich manche sogar offen von wissenschaftlichen Zugängen distanzierten, stimmte mich zusätzlich nachdenklich. Gerade in Männerberatungseinrichtungen, wo wichtige Arbeit zu den Themen Gewalt, Beziehung, Trennung und Gesundheit geleistet wird, sollte akademisches Wissen zur praktischen Anwendung kommen.

Männerproblem Scheidung

Männer, die vor einer Scheidung stehen oder diese bereits hinter sich haben, sind jene Männer, die am häufigsten eine Beratungsstelle aufsuchen. In einem Workshop zu Trennungskonflikten und Vaterschaft erzählten Mitarbeiter der Männerberatung Graz und Linz am Freitag Nachmittag aus der Praxis. (Automatische) gemeinsame Obsorge ist ein Thema, das unweigerlich polarisiert, so auch bei der Männertagung. Nach kurzer Zeit entstanden Streitgespräche, die allerdings von den  Diskussionsleitern abgefangen wurden. Viele Männer würden erst nach der Scheidung merken, was sie eigentlich verloren haben, erzählte ein Sozialarbeiter. Bei seiner Arbeit erlebt er die unterschiedlichsten Fälle: Väter, die über das Sorgerecht ihre Frauen weiterhin kontrollieren möchten und auch Väter, die sich aufrichtig um ihre Kinder kümmern möchten.

Wie Beispiele aus anderen Ländern zeigen, können viele Sorgerechtsstreitigkeiten in Gesprächen bei Familienberatungsstellen gelöst werden. Worauf sich in der Runde alle einigen konnten, war die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Männer- und Frauenberatungsstellen und Kinderanwaltschaften. Auch gelte es, gegen herrschende Stereotypen anzukämpfen: die Frau, die unbedingt ein Besuchsrecht unterbinden möchte und der Mann, der sich nicht um seine Kinder kümmert.

Ministerbesuch

Als am Freitag auch Sozialminister Hundstorfer auf einen Besuch vorbeischaute, erhielt Raewyn Connell einen Einblick in österreichische Gepflogenheiten. Von fünf Mitarbeitern begleitet betrat der SPÖ-Minister das Audimax, bevor er auf die Bühne geholt wurde, hielten der Rektor der FH Joanneum und ein Vertreter der Stadt Graz (die beide zuvor nicht an der Tagung teilgenommen hatten) Begrüßungsreden. Jener Redner, der Bürgermeister Nagl (ÖVP) vertreten sollte, war angsichts des Themas „Diversität von Männlichkeiten“ nicht gut gebrieft worden: Er erzählte von muslimischen Migranten in Graz, Zwangsheirat und österreichischen Frauenrechten.

Der Sozialminister gab schließlich einen kurzen Abriss der Geschichte der männerpolitischen Grundsatzabteilung und versicherte uns Österreicher_innen, dass er uns von der Wiege bis zur Bahre begleite: „Wenn jemand im Spital geboren wird, haben wir das Arbeitsrecht für die Hebamme geregelt und wenn ihr beerdigt werdet, kontrolliere ich auch die Aufzeichnungen vom Bestattungsamt.“ Kritischen Fragen aus dem Plenum gegenüber zeigte er sich völlig entspannt – auch gegenüber Forderungen nach mehr Geld für Beratungseinrichtungen: „Wisst’s eh, ich brauch‘ euch hier ja kane G’schichterln erzählen.“ (Wie in der abschließenden Runde berichtet wurde, lieferten der Ministerbesuch und „Hegemoniale Männlichkeit auf der Männertagung“ noch Stoff für einen Workshop mit Raewyn Connell zu aktuellen Themen der Männlichkeitsforschung.)

Was bleibt

Für mich persönlich war es besonders interessant, im Rahmen der Tagung Einblick in die österreichische „Männerszene“ zu bekommen. Was meiner Ansicht auf jeden Fall noch ausständig ist, ist eine umfassende Akademisierung und Theoretisierung: Wer sich mit „Gender“ befasst, muss auch wissen, was das eigentlich ist. Auch eine feministische Grundbildung bräuchte es: Der (akademische) Feminismus hat in den vergangenen Jahrzehnten eine unglaubliche Fülle an Theorien und Konzepten hervorgebracht, die sich auch als äußerst praktisch für konkrete politische Arbeit erweisen. Andererseits ist auch eine feministische Einmischung notwendig – Männlichkeitsforschung wird derzeit innerhalb der Gender Studies eindeutig vernachlässigt.

Beide Forschungsschwerpunkte widersprechen sich nicht – ganz im Gegenteil: im Sinne einer Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit ergänzen sich die Ansätze; wie zahlreiche Studien zeigen, leiden Frauen und Männer unter traditionellen Männlichkeitsbildern.

Zu sagen bleibt zudem, dass ich während der Tagung auch sehr interessante und differenzierte Gespräche geführt habe – oftmals sind es ja leider die negativen Erlebnisse, die stärker in Erinnerung bleiben. Besonders nett beendete ein Vertreter des Organisationsteams die Männertagung: „Unsere Tagung wurde im Vorfeld von Männerechtlern ja als ideologisches Onanieren bezeichnet. Ich möchte ihnen ausrichten: Es hat Spaß gemacht!“

Wochenschau

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Für morgen Dienstag wurde in Österreich der Equal Pay Day festgesetzt – ab morgen arbeiten Frauen also statistisch gesehen für den Rest des Jahres 2011 gratis. Die Redaktion von diestandard hat recherchiert, wie Einkommensdifferenzen eigentlich berechnet werden.

Bist du Mädchenmannschaft-Leser_in? Dann solltest du noch bis 17. Oktober an der Online-Umfrage einer Nachwuchswissenschafterin teilzunehmen. Auch dem Mädchenblog – Team könnt ihr im Rahmen der Umfrage euer Feedback zukommen lassen!

Im Oktober wird voraussichtlich auch in Wien ein Slutwalk stattfinden. Auf dem Slutwalk Vienna Blog könnt ihr auf dem Laufenden bleiben, auch in den verschiedenen Arbeitsgruppen könnt ihr euch noch einbringen, wer zur Maillingliste hinzugefügt werden möchte, schreibt an: slutwalkvienna[at]riseup.net

In Österreich gibt es derzeit weniger als 20 Prozent Professorinnen. Christine Färber, Professorin für empirische Sozialforschung, hat Berufungsverfahren und informelle Männernetzwerke untersucht und plädiert für Quoten: „Exzellenz ist selten weiblich“ (Interview auf orf.at). Morgen wird Christine Färber beim Symposium „Hat wissenschaftliche Leistung ein Geschlecht?“ an der Uni Wien sprechen.

Morgen Dienstag wird Alice Schwarzer in der Wiener Hauptbücherei aus ihrer aktuellen Publikation „Lebenslauf“ lesen. Start: 19 Uhr.

Die Oktober-Ausgabe der Anschläge wartet auf euch! Themen sind unter anderem Leihmutterschaft aus feministischer Perspektive und die arbeitsrechtliche Organisierung von Hausarbeiter_innen.
Im September ist außerdem die neue fiber erschienen – diesmal mit einem Artikel von mir zum 100. Internationalen Frauentag.

Das Gunda Werner Institut startet am 4. Oktober eine Online-Debatte zum Thema Geschlechterpolitik („Bündnisse – Ein Weg zu erfolgreicher Geschlechterpolitik? Was ist der Streit Wert?“). Mehr Infos dazu gibt es auf dem Missy-Blog.

Ans Herz gelegt: Die Blog-Empfehlung des Monats. Fuckermothers.

Jäger und Sammlerinnen

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Der Forschungskomplex „Geschlechterunterschiede“ erschüttert uns immer wieder mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Zwei britische Psychologinnen wollen nun herausgefunden haben, dass die „weibliche Vorliebe“ für die Farbe Rosa nicht angeboren ist. In früheren Studien war versucht worden, diesen (angeblichen) Unterschied evolutionsbiologisch zu erklären: „In der menschlichen Urgeschichte sei es für die weiblichen Sammler wichtiger gewesen, rote Früchte vom grünen Hintergrund zu unterscheiden, als für die männlichen Jäger.“

Oder etwas detaillierter: „Sie vermuten, dass es für Frauen in einer Jäger-und-Sammler-Gesellschaft wichtig war, reife, essbare Früchte vor grünem Blattwerk zu erkennen. Eine andere Erklärung wäre, dass die Unterscheidung feiner Nuancen der Gesichtsfarbe bedeutend war, um die emotionale Verfassung des Gegenübers einschätzen zu können.“

Die aktuelle Studie kommt nun aber zu dem Ergebnis, dass Mädchen ihre Vorliebe erst mit zweieinhalb Jahren erwerben. In diesem Alter werden Kindern in der Regel Geschlechterunterschiede bewusst.

Kein Witz.

Literaturtipp:
Anne Fausto-Sterling: Sexing the Body: Gender Politics and the Construction of Sexuality

Nein, Evelyn Fox Keller ist nicht tot

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Die Wochenendausgabe der Wiener Zeitung widmet der Gender-Wissenschaftlerin und Physikerin Evelyn Fox Keller eine ganze Seite. Dass ich daraus schließe, dass sie entweder gestorben sein, den Nobelpreis oder die österreichische Staatsbürgerinnenschaft bekommen haben muss, sagt natürlich nichts über die gewohnte mediale Nicht-Präsenz dieses Themas und der sich mit ihm beschäftigenden Personen aus.

Gut die Hälfte des Artikels bemüht sich um die Darstellung ihres Lebens. Dass sie dabei von außergewöhnlich vielen Männern umgeben war, die auf ihre mathematischen Talente aufmerksam wurden, ihre Spezialbegabung erkannten und sie förderten, kann wahr sein, was dann um so deutlicher werden lässt, wie wenig die naturwissenschaftliche Forschung von Frauen besetzt war/ist. Irritierender finde ich Aussagen wie jene, dass sie Weltklassewissenschafter (wohl kein generisches Maskulinum) auch persönlich kennen lernte, sobald aus ihr eine interessante Gesprächspartnerin geworden war. Und – noch viel irritierender – jene Anmerkung, dass Fox Keller auf keinen Fall so werden wollte wie Barbara McClintock, eine Botanikerin und Genetikerin, die 1983 den Nobelpreis bekam, nämlich unverheiratet seiend = privates Schicksal und lange Spaziergänge machend = einsam. „EFK unternahm dann einen sehr entschiedenen Versuch, dem privaten Schicksal von Barbara McClintock zu entgehen: sie traf den Mathematiker Joseph Bishop Keller, sie heirateten und hatten in den nächsten Jahren zwei Kinder.“ Wie so oft im Leben, das kein Märchen ist, sind weder Prinz, Pferd noch die Haare der Prinzessin echt, „die Ehe wurde geschieden und EFK war unter die im akademischen Umfeld häufigen alleinerziehenden Mütter geraten.“

Nach diesem traurigen Teil ihrer persönlichen Biographie, wendet sich der Verfasser des Artikels ihrer Forschung zu. In ihrer Forschung, so erfahren wir, „geht es EFK um mehr als das Zusammentragen weiterer Bausteine zur Dokumentation der Benachteiligung von Frauen auch in der Wissenschaft – zur Erweiterung der Basis weiterer Übungen zur abermaligen Beweinung der Gräuel der männlichen Dominanz“. Kein Wunder dass sie so „die höchste Form der Anerkennung gefunden [hat], die ein für das breitere Publikum schreibender Autor [sic!] finden kann: Zwei der weltersten Autoritäten [!] auf diesem Gebiet haben dem […] Buch Besprechungen gewidmet.“ Muss dazu gesagt werden, dass diese beiden weltersten Autoritäten [!] Männer sind? Fox Kellers Forschung nimmt nach dem biographischen Abriss nur vermeintlich den restlichen Teil des Artikels ein. Tatsächlich widmet sich ein Großteil davon der Veranschaulichung ihres Forschungsbereiches durch Bespiele einer dieser beiden  weltersten männlichen Autoritäten. Dass ich diesen Beispielen nicht folgen kann, liegt sicher daran, dass ich eine Frau bin.

Fazit des Artikels: Nicht überall wo feministische Wissenschaft drauf steht, ist feministische Wissenschaft drin.

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Österreichische Männertagung in Graz

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Unter dem Titel „Diversität von Männlichkeiten“ findet im Oktober 2011 an der FH Joanneum in Graz die Österreichische Männertagung statt, am 20. Oktober wird die bekannte Männlichkeitsforscherin Raewyn Connell sprechen. Veranstalter ist die Männerberatung Graz, die die Tagung zusammen mit dem Studiengang Soziale Arbeit an der FH Joanneum konzipiert hat.

„Die österreichische Männertagung 2011 möchte eine Perspektive eröffnen, die die komplexen Relationen zwischen Frauen und Männern sowie zwischen verschiedenen Männlichkeiten wahrnimmt und in ihren Verschränkungen mit anderen sozialen Faktoren wie soziale Lage und Migration untersucht. Daraus sollen zukunftsorientierte Politiken für die Männerarbeit entwickelt werden.“

20. und 21. Oktober in Graz
Detailliertes Programm unter: Link
Anmeldung unter: Link (Der Tagungspass für Studierende kostet 80 Euro)

Am 13. Oktober wird Raewyn Connell wird außerdem einen Vortrag an der Universität Wien halten, Infos gibt es hier.

Und sie dreht sich doch nicht oder Einblick in eine androzentrische Kosmologie

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Die aktuelle Profilausgabe nimmt die Freilassung von Strauss-Kahn, der Mitte Mai u.a. der versuchten Vergewaltigung angeklagt worden ist, zum Anlass für eine Coverstory mit dem Titel „Was den Mann treibt“, die sich, so die zusätzliche Information auf der Titelseite, damit befasst, warum Männer für Sex alles riskieren.

Dabei ist die sprachliche Aufbereitung der Titelgeschichte (die noch nicht gewonnene Schlacht des Angeklagten oder die Klägerin, die keine brauchbare Waffe mehr sei, der Charakter-Bankrott der Klägerin) das kleinere Übel. Vielmehr geht es um den darin befindlichen Grundton, der auch in Worten dargelegt wird: Denn weniger geht es in dem Artikel darum, was Männer dazu treibt Frauen zu vergewaltigen, sondern um Männer, denen „Frauen zum Verhängnis geworden“ sind (S. 68). Dieser Grundton realisiert sich auch in der Auswahl der die Titelgeschichte begleitenden Kurzartikel, wie jener Beitrag über das männliche und weibliche Gehirn und die damit verbundene Triebanatomie (Dieses Mal müssen Hormone wie Testosteron und Cortisol und die unterschiedliche Entwicklung des männlichen Gehirns als Erklärungsgründe herhalten.) und das Interview mit Catherine Millet, Autorin und Chefredakteurin einer Pariser Kunstzeitschrift.

Millet, die diese Klage als „feministisches Cinderella-Märchen“ bezeichnet, vertritt die Meinung, dass Frauen ein für alle Mal erklärt werden müsse, dass eine Vergewaltigung nichts sei, wobei frau zu Tode komme, sondern etwas, nach dem frau wieder aufstehen, sich waschen und ihr Leben wieder aufnehmen könne. Es sind unter anderem wohl Ansichten wie diese, die dafür sorgen, dass in Österreich so wenige Frauen, denen Männer sexuelle Gewalt antun, eine Anklage wagen.

Angesichts solcher Titelgeschichten ist meiner Meinung nach der Zweifel, ob sich die Erde tatsächlich dreht, ein durchaus angebrachter.

ba

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