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Die Hymne, Gabalier und Werbegelder

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Schon 2011 habe ich über die Töchter und die Bundeshymne gebloggt. Ich wollte eigentlich nie mehr über das Thema schreiben (warum ich die Töchter in der Hymne gut finde, könnt ihr im Blogbeitrag nachlesen), mich nie mehr mit den „Haben wir denn keine anderen Sorgen!“-Menschen auseinandersetzen. Aber dann singt ein Schlagerstar bei einem Energy-Drink-Autorennen die Bundeshymne und ganz Österreich hat keine anderen Sorgen interessiert sich dafür. Mit den Aussagen von Andreas Gabalier möchte ich mich gar nicht im Detail auseinandersetzen, er hat gestern im ZIB24-Interview ziemlich viel Blödsinn gesagt (unter anderem, dass sich das Parlament doch nach den Foren-Poster_innen richten solle). Ich hoffe ja fast, dass diese ganze Aktion ein PR-Stunt seines Managements ist und er nicht wirklich hochmotiviert durch Österreich tingelt, um „österreichisches Kulturgut zu erhalten“.

Dass die ZIB24 eine Studio-Diskussion organisiert und Ö3 auf seiner Website über die Töchter in der Hymne abstimmen lässt – mittlerweile hat auch Steiermark.orf.at mit einer noch blöderen Abstimmung nachgelegt – ärgert mich (Der Text ist eigentlich gesetzlich festgelegt, wer sich für den juristischen Aspekt interessiert, sollte am Frauenring dranbleiben). Ich unterstelle dem ORF nämlich, dass hier einfach auf die Klickzahlen geschielt wird, weil das Thema so schön polarisiert. Über 90 Prozent stehen auf der Ö3-Website hinter Gabalier und ich kann mir gut vorstellen, dass der Radiosender das Endergebnis mit „Österreich hat abgestimmt“ oder so ähnlich präsentiert. Dass eine solche Abstimmung repräsentativ sei, glaubt ja auch Herr Gabalier. Natürlich lässt sich so eine Geschichte medial gut ausschlachten, aber zumindest der ORF (wie war das noch mal mit dem öffentlichen Auftrag?) könnte sich solche billigen Strategien sparen. Mich frustriert es auch deshalb, weil ich in der Rolle der Öffentlichkeitsarbeiterin immer wieder mal versuche, Medien für feministische Themen zu interessieren – was verdammt schwierig ist. Im März habe ich mich zuletzt besonders geärgert: Da wird die größte Studie zu Gewalt gegen Frauen in sämtlichen EU-Ländern präsentiert und die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks fällt äußerst dürftig aus. Ich hätte mir z.B. ein „Im Zentrum“ zu dem Thema gewünscht (den „Club 2“ gibt es ja nicht mehr), fundierte Diskussionen mit Expert_innen zu Hintergründen usw. Leider nein.

Bin ich jetzt eigentlich selbst eine von den „Haben wir denn keine anderen Sorgen!“-Menschen? Unterschätze ich die Bedeutung der Diskussion? Was ich auf jeden Fall unglaublich lustig finde: Mir begegnen oft Menschen, die meinen, „die Feministinnen“ würden sich vorrangig um Sprache und „andere Banalitäten“ statt um die wirklichen Probleme kümmern. Besonders eifrig melden sie sich aber dann zu Wort, wenn es um das Binnen-I, den Begriff Heteronormativität oder einen geänderten Hymnen-Text geht. Die Bedeutung von Sprache kann mensch offensichtlich gar nicht überschätzen.

Zum Schluss noch ein Vorschlag für den ORF, falls schon die nächste Diskussionssendung in Planung ist: Interessant wären doch die Fragen (worauf mich gerade eine Kollegin hingewiesen hat), wozu es Nationalhymnen eigentlich braucht und welche Töchter und Söhne denn da gemeint sind.

PS. Zum an die Wand pinnen noch ein Zitat von Brigitte Hornyik, Verfassungsjuristin und stv. Vorsitzende des Frauenrings: „In der Frauenpolitik gibt es sehr viel zu tun, wenn nicht einmal symbolische Signale für den gesellschaftlichen Wert der Frauen in der Gesellschaft unumstritten sind.“

Andere Blogbeiträge zum Thema:

Ingrid Brodnig über den Shitstorm gegen Gabriele Heinisch-Hosek
Barbara Kaufmann ebenfalls über die Ministerin und hasserfüllte Sprache

Trippelschritte

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Nun ist es also fix: Neben den großen Söhnen werden wir künftig auch die großen Töchter Österreichs in unserer Bundeshymne würdigen. SPÖ, ÖVP, Grüne und angeblich auch das BZÖ werden die Textänderung im Herbst beschließen, allein die FPÖ spricht sich aufgeregt gegen Töchter in der Hymne aus.

Die symbolische Anerkennung, die Frauen damit zugestanden wird, ist gut und wichtig – Sprache schafft Bewusstsein. Dass dieser Entscheidung jahrelange Diskussionen und innerparteiliche Widerstände vorangegangen sind, sagt viel über Frauenpolitik in diesem Land aus. Zuletzt löste die Hymne im Jänner 2010 hitzige Debatten aus, als das Unterrichtsministerium mit einer veränderten Version und österreichischen Töchtern für die Bildungsreform warb. Schon damals wurde Maria Rauch-Kallat von ihren Parteikollegen zurecht gewiesen: „Wir haben andere Probleme“, hieß es da. Ihre Forderung hatte die einstige Frauenministerin bereits 2005 eingebracht.

Als Rauch-Kallat vergangene Woche den Antrag auf eine Änderung der Hymne erneut im Parlament einbringen wollte, kam sie nicht zu Wort, weil die ÖVP-Männer die gesamte Redezeit mit ihren Mandataren beanspruchten. Nach langem Hin und Her lenkte Spindelegger doch ein, ÖVP-Frauensprecherin Schittenhelm konnte so gemeinsam mit SPÖ und Grünen die geplante Neufassung auf einer Pressekonferenz präsentieren.

Und über diese Änderung dürfen wir uns nun freuen: Es ist offensichtlich ein kleinster gemeinsamer Nenner, den die österreichischen Parteien (mit Ausnahme der FPÖ) in Sachen Frauenpolitik gefunden haben. „Das ist ein historischer Moment“, meinte Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen – womit sie vermutlich recht hat.

Sind Frauen die besseren Menschen?

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Das Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur wirbt seit einigen Wochen für eine Bildungsreform – für den dazugehörigen TV-Spot durfte Christina Stürmer die österreichische Bundeshymne neu vertonen. Und hier wird nicht nur von den großen Söhnen („Heimat bist du großer Söhne„), sondern auch von großen Töchtern gesungen – die Aufregung war somit vorprogrammiert. Eine dementsprechende Änderung des Textes hatte 2005 schon Maria Rauch-Kallat gefordert und war am Koalitionspartner BZÖ (und dem Gegenwind aus der Bevölkerung) gescheitert. 2010 forderte nun der Sessler-Verlag, der die Erben der Dichterin Paula von Preradovic vertritt, eine Unterlassungserklärung von Stürmer und Bildungsministerin Schmied. Der Zusatz der „großen Töchter“ sei ein „Eingriff in das Persönlichkeitsurheberrecht“, begründete der Verlag.

Die folgende Medien-Resonanz wollte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek nutzen und startete ebenfalls den Versuch, eine Textänderung zu erreichen. Diesmal kam das „Nein“ von der ÖVP. „Momentan haben wir andere Probleme zu bewältigen“ und „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ ließen mehrere Personen aus ÖVP, BZÖ und FPÖ ausrichten. Schließlich gelte es, die Wirtschaftskrise zu bewältigen und die Konjunktur anzukurbeln.

Nicht nur die Debatte um die Bundeshymne, auch die Argumente, wenn es um frauenpolitische Anliegen geht, kehren also immer wieder. Beim Verfolgen der verschiedenen Diskussionen und Medienbeiträge fallen drei spezifische Strategien auf, die dabei zur Anwendung kommen:

Das Lächerlich Machen
„Die Gender Mainstreaming Menschen sind erst zufrieden, wenn es BundeshymnIn heißt“ ist in diversen Foren österreichischer Medien zu lesen. Das Binnen-I wird gerne bei verschiedenen Gelegenheiten verwendet, um frauenpolitische Forderungen ins Lächerliche zu ziehen. Gerne auch bei der „QuotInnen-Regelung / RegelungIn“.

„Haben wir keine anderen Sorgen?“
Andere Sorgen gibt es immer: Da wäre die Wirtschaftskrise, die zunehmende Teilzeitquote, die Gehaltsschere, die Arbeitlosigkeit, die Umweltverschmutzung, die steigende Armut, der Klimawandel. Viele Politiker_innen sind permanent mit solch zentralen Dingen beschäftigt, dass keine Zeit für ein Handzeichen bei einer Abstimmung bleibt. Gerne wird das „Haben wir keine anderen Sorgen?“ auch mit dem Lächerlich Machen kombiniert. „Schön, dass die (Gender Mainstreaming) – Frauen keine anderen Sorgen haben.“

Die Überhöhnung
Die Überhöhung von Frauen ist schließlich eine der zentralsten Strategien, wenn es gilt, gegen frauenpolitische Forderungen zu argumentieren. Der österreichische TV-Sender „Puls 4“ veranstaltete vergangene Woche einen „Talk of Town“ zum Thema Töchter in der Bundeshymne und lud prominente Gäste zur Diskussion. Egal, wie man oder frau nun zu dieser Frage steht – es ist gar nicht so einfach, sachliche und schlagkräftige Argumente gegen den Text-Zusatz zu finden. Ein Gast der Sendung griff also zur emotionalen Überhöhung: Er sprach davon, dass Frauen doch „die viel besseren Menschen“ seien und es überhaupt nicht nötig hätten, durch diesen Zusatz in der Hymne erwähnt zu werden. Sie seien doch viel aufopfernder, würden jeden Tag so viel in den Familien leisten und seien wesentlich sensibler als Männer. Schließlich würde es jede Frau sofort bemerken, wenn ihr Mann sie betrügt – umgekehrt sei das nicht der Fall, so der Event-Manager.

Bei einer solchen Gelegenheit werden gerne vorbildliche Kämpferinnen für das Gute herangezogen und auf ein Podest gestellt – gleichzeitig werden damit alle anderen Frauen abgewertet: Eine Funktion der Überhöhung. Den Frauen wird dabei das Bild der guten, aufopfernden, emotionalen Mutter gezeigt – jede Abweichung von diesem wenig realen Idealbild weist die Einzelne somit auf ihren Platz der Unvollkommenheit. Wer sich dann auch noch laut für ein Anliegen in Sachen Gleichberechtigung ausspricht, bekennt sich sogleich schuldig, offensichtlich nicht zu den guten und tollen Frauen zu gehören, die jegliche (lächerliche) Forderung symbolischer Anerkennung „nicht nötig“ haben.

Auch dass den anbetungswürdigen Frauen gerne das Gegenbild der unsensiblen und unsozialen Männern gegenüber gestellt wird, scheint dabei niemanden zu stören. Und auch hier versteckt sich eine perfide rhetorische Strategie: Haben Sie schon einmal versucht, jemanden zu kritisieren, der ein Gespräch mit dem Satz: „Ja, ich weiß, ich bin eben nicht so toll / gut / moralisch / gescheit wie du“ beginnt?

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