TagFrauenministerin

Einkommensschere

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Nachdem der Frauenbericht 2010 abermals erschreckende Tatsachen offen gelegt hat, was die Einkommensschere in Österreich betrifft, präsentierte Frauenministerin Heinsch-Hosek am Mittwoch sogleich eine erste politische Kampfansage: Die Einkommenstransparenz wird im Gesetz verankert. Die Maßnahme sieht allerdings – ähnlich wie etwa der Nichtraucher_innenschutz – nach einem österreichischen Kompromiss-Paket aus. „Die Unternehmen werden den durchschnittlichen Verdienst von Männern und Frauen in vergleichbaren Positionen betriebsintern anonymisiert veröffentlichen“, heißt es in der Aussendung.

Verwirklicht werden soll das allerdings in einem „Stufenplan“, der bis 2014 „fast die Hälfte aller österreichischen Arbeitnehmenden“ erfassen wird. 2011 sind dazu nur Großbetriebe mit mehr als 1000 Mitarbeiter_innen verpflichtet, 2014 sind mittelständische Betriebe mit mehr als 150 Beschäftigten an der Reihe. Der Stufenplan wurde mit den Sozialpartnern und der Industriellenvereinigung abgesprochen – Sanktionen wird es keine geben.

Link: BKA Frauen

Frauenbericht 2010 – Gut ausgebildet und schlecht bezahlt

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15 Jahre hat es gedauert, nun wurde vergangene Woche erneut ein Lagebericht zur Situation von Frauen in Österreich vorgelegt. Bundesministerin Heinisch-Hosek präsentierte den Frauenbericht 2010 und widmete ihn der verstorbenen Johanna Dohnal, unter deren Führung der letzte Frauenbericht erstellt worden war. Die Fakten sind abermals ernüchternd: Frauen verdienen weniger und leisten mehr unbezahlte Arbeit, Migrantinnen schneiden noch schlechter ab. Aber auch Positives gibt es zu melden: Im Bereich der Bildung haben Frauen rasant aufgeholt. Offen bleibt die Frage, warum es in der Politik bei Lippenbekenntnissen bleibt.

Der Anteil von Frauen unter den Maturant_innen beträgt mittlerweile 60 % und auch der Anteil von Frauen mit einem Universitätsabschluss hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren verdoppelt. Dennoch ist die Geschlechtersegregation auch im Bildungssektor stark präsent: Frauen wählen kaum technische Lehrberufe und technische Studienrichtungen, im Gegensatz zum Schulpersonal (70 % Frauen) unter den (Universitäts-)Professor_innen finden sich nur 16 % Frauen.

Die Gehaltsschere, also die Ungleichheit zwischen den Einkommen von Männern und Frauen, hat sich in den vergangenen Jahren sogar noch verschlechtert: Frauen verdienen in Österreich rund 18 Prozent weniger als Männer. Zwar ist die Frauen-Erwerbsquote von 61,4 % (1998) auf 68,6 % (2008) angestiegen, allerdings ist der Anteil an Vollzeiterbwerbstätigen gesunken: 4 von 10 österreichischen Frauen arbeiten in Teilzeit, die Teilzeitquote liegt damit deutlich über dem EU-Durchschnitt. (Ö: 41,5 %, EU: 31,1 %). Überstunden werden öfter und in einem höherem Ausmaß von Männern als von Frauen geleistet, zudem bekommen Männer diese häufiger in finanzieller oder anderer Form abgegolten. Rund sieben Prozent der Frauen zählen zu den „working poor“: Trotz Berufstätigkeit sind sie armutsgefährdet, besonders betroffen sind Alleinerzieherinnen.

Foto: BKA/Sebastian Reich

Erstmals wurde auch die Situation von Migrantinnen erfasst. 17 % der Frauen wurden nicht in Österreich geboren, sieben von acht Frauen mit ausländischer Herkunft stammen dabei aus anderen europäischen Staaten. Durschnittlich verdienen sie weniger als österreichische Frauen, sind häufiger mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen konfrontiert und häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen.

Insgesamt herrschen in Österreich nach wie traditionelle Rollenverteilungen: Frauen pflegen Kinder, Kranke und ältere Menschen und sind daher weniger mobil, haben schlechtere Aufstiegschancen und arbeiten öfter in einem Teilzeit-Verhältnis. Nach der Geburt eines Kindes reduzieren Frauen häufig ihre Arbeitszeit, während frischgebackene Väter sie ausweiten. In Sachen Kinderbetreuung hat die österreichische Politik schon lange den Anschluss verloren. Europaweite Statistiken zeigen immer wieder, dass in Ländern wie Schweden, Frankreich oder Island, wo massiv in Kinderbetreuung investiert wird, Frauen bessere Chancen im Berufsleben haben und auch die Geburtenrate höher ist. Nur für rund 11 % der unter Dreijährigen gibt es in Österreich einen Betreuungsplatz, Familienpolitik wird hauptsächlich mit monetären Transferleistungen betrieben.

Politisch besteht also Handlungsbedarf. „Frauen müssten an der Spitze von Unternehmen ‚mitentscheiden, damit sich die Gehaltsschere schneller schließt‘ und das ‚wird ohne Quote nicht gehen‘ , sagt Heinisch-Hosek“, berichtet diestandard.at von der Pressekonferenz. Die Grünen fordernen Investitionen in die Kinderbetreuung und eine Halbierung der Einkommensschere bis 2013 – eine Trendumkehr in Sachen Einkommensunterschiede wird ohne konkrete politische Maßnahmen wohl nur ein frommer Wunsch bleiben.

Die Schlussworte von Gabriele Heinisch-Hosek: „Ich verspreche allen Frauen in unserem Land, dass ich mit voller Kraft, Leidenschaft und Engagement daran weiterarbeiten werde, dass Frauen mehr verdienen und es mehr Kinderbetreuungsplätze gibt. Und ich verspreche den Männern, dass ich lästig bleiben werde. Ich weiß, dass ich mit meiner Beharrlichkeit manchen Männern auf die Nerven gehe, aber uns Frauen nervt auch schon lange, dass wir seit vielen Jahren mit so wenig Lohn abgespeist werden.“

Link: Der Frauenbericht Online

Veranstaltungshinweis

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Am Mittwoch, den 24. Februar 2010 veranstaltet Radio Ö1 die Diskussionsrunde „Im Klartext: Das Vermächtnis der Johanna D.
Zu Gast sind: Gabriele Heinisch-Hosek, Maria Rauch-Kallat, Elfriede Hammerl und Renée Schröder.
Beginn: 18.15 Uhr im Großen Sendesaal des RadioKulturhauses, Eintritt frei. Die Veranstaltung wird ab 18.30 Uhr live in Ö1 gesendet. Link

In der ORF-TVthek ist derzeit noch das „Menschen&Mächte“ Spezial zum Tod von Johanna Dohnal zu sehen. „In Memoriam: Johanna Dohnal“

Johanna Dohnal, 1939-2010

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Johanna Dohnal – dieser Name steht in Österreich wie kein anderer für Frauenpolitik und den Kampf um Gleichberechtigung. Die ehemalige SPÖ-Frauenministerin ist heute im Alter von nur 71 Jahren in ihrem Haus in Niederösterreich verstorben – das Land hat eine große Persönlichkeit verloren.

Johanna Dietz wuchs als Kind einer Alleinerzieherin im 14. Wiener Gemeindebezirk auf. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte sie eine Lehre zur Industriekauffrau, für eine weitere Schulausbildung fehlte das Geld. Mitte der 50er Jahre trat sie der SPÖ bei und heiratete Franz Dohnal, 1959 wurde sie zum ersten Mal Mutter. 1969 wurde Dohnal SPÖ Bezirksrätin, 1971 Vorsitzende der SPÖ-Frauen des Bezirks. Johanna Dohnals politische Sozialisation erfolgte zu einer Zeit, als es in Österreich ein Heiratsverbot für geschiedene Frauen gab, eine „Folgepflicht“ für Ehefrauen (in die Wohnung des Ehemanns) bestand, ein Paß oder Lehrvertrag nur vom Vater eines Kindes unterzeichnet werden durfte und Vergewaltigung in der Ehe als Tatbestand nicht existierte.

In ihrem Einsatz für Frauenrechte fand sie 1979 in Bruno Kreisky einen Verbündeten, der sie zur Staatssekretärin für Frauenfragen machte. Im selben Jahr trat das Gleichbehandlungsgesetz in Kraft: Die Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerlöhnen in Kollektivverträgen wurde beseitigt. Dohnal machte sich auch für die Friedensbewegung stark, 1981 gründete sie einen Arbeitskreis „Frieden, Abrüstung, Dritte Welt“. In der Frauenpolitik kämpfte sie für eine rechtliche Gleichstellung und Gewaltschutz, 1989 fiel die Amtsvormundschaft, die unverheiratete Frauen benachteiligte, ein neues Gleichbehandlungsgesetz erfasste erstmals sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Unter Bundeskanzler Vranitzky wurde Johanna Dohnal 1990 schließlich die erste Frauenministerin Österreichs, das Amt übte sie bis 1995 aus. Auf Dohnals Initiative hin wurde die Väterkarenz möglich, sie betrieb aktives Lobbying für flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen und Frauenquoten und stieß damit auf Widerstand in konservativen Kreisen und auch innerhalb der eigenen Partei. 1995 wurde die Frauenpolitikerin auf Vranitzkys Wunsch hin  durch Helga Konrad ersetzt, die nur zwei Jahre im Amt blieb und mit ihrer Kampagne „Ganze Männer machen halbe/halbe“ im konservativen Österreich auf ganzer Linie scheiterte.

Johanna Dohnal setzte sich bis zuletzt für ihre Version einer gerechten Gesellschaft mit einer wirtschaftlich unabhängigen und gleichberechtigten Frau ein und wurde zum Vorbild für zahlreiche Politikerinnen. Viele ihrer Forderungen konnten bis heute nicht verwirklicht werden: Die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind in Österreich nach wie vor eklatant, Quotenregelungen und Frauenpolitik unpopulär. Ihre Nachfolgerinnen haben einen diffusen Kampf zu führen: Rechtlich gleichgestellte Frauen sehen sich mit strukturellen Ungerechtigkeiten konfrontiert, deren Ursachen sich äußerst komplex darstellen. Ein Kampf gegen Windmühlen. „Nur eine Frauenorganisation, die lästig ist, hat eine Existenzberechtigung“, sagte einst Johanna Dohnal.

Zitate Johanna Dohnal:

„Der Boden, auf dem sexuelle Ausbeutung und Versklavung von Frauen gedeihen, ist die rechtliche und ökonomische Benachteiligung von Frauen.“ (1984)

„Machtverhältnisse sind weder geschichtslos noch geschlechtsneutral.“

„Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“ (2004)

Links:

Website Johanna Dohnal
Interview Ö1
Interview Anschläge

Foto: Astrid Knie

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