Sommergespräche führt nicht nur der ORF, auch in der Tageszeitung Standard werden alljährlich Persönlichkeiten aus der Politik mit diversen Prominenten zusammen an den Tisch gesetzt. So auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Schon zum zweiten Mal war sie nun geladen und während die Redaktion ihr im vergangenen Jahr Castingshow-Model Larissa Marold gegenüberstellte, war es diesmal Schönheitschirurg Artur Worseg. Josef Pröll, Maria Fekter oder Beatrix Karl diskutierten hingegen mit Künstler_innen, Wissenschafter_innen und Unternehmer_innen. Frauenpolitik hat also irgendwie mit Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und der Sehnsucht nach 3 Minuten Ruhm zu tun, sagt uns der Standard. Und schon die Einstiegsfrage vermittelt diese Haltung auf amüsante Weise: „Frau Minister, im Ästhetic-Center von Artur Worseg legen sich jährlich hunderte Frauen unters Messer, um schöner, fitter, jünger zu wirken. Hat damit der Feminismus nicht krass versagt?“
Ja, die Frauen, für die sich Heinisch-Hosek und die anderen Feministinnen da abstrampeln, wollen in Wirklichkeit doch nur eines, nämlich schön und schlank sein. Um das Ganze noch zu präzisieren, legt die Standard-Redakteurin nach: „Frauen lassen sich Fett absaugen, Cellulite wegtherapieren, dafür Implantate einsetzen, Make-up tätowieren“. Männer sind da nicht so blöd, die lassen nicht an sich herumdoktern. Ein Umstand, den Worseg mit intelligenter Tiefenschärfe analysiert: „Weil hierzulande noch immer der Ausspruch der Tante Jolesch gilt: „Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist Luxus.“ Die meisten Männer, die zu mir kommen, sind Zuwanderer. Das sind sehr eitle Männer, die gerne zum Friseur gehen.“
Mehr noch, der Schönheitschirurg outet sich als Hobby-Psychologe und „Frauenversteher“: „Ihr Gatte hat etwa seit Jahren eine Freundin. Oder er greift sie nicht mehr an. Da besteht dann oft die Hoffnung: Nach der Operation schaut er mich sicher wieder an.“ Heinisch-Hoseks Bemühungen, dem Gespräch so etwas wie Niveau zu verleihen, werden von Worseg mit vollem Eifer bekämpft: „Sie haben sich ja auch schon einmal massiv gegen die Verlosung einer Brust-OP in einer Diskothek eingesetzt. Damals habe ich mir gedacht: Was spielt sich denn bitte sonst noch alles in so einer typischen Land-Disco ab? Alkohol-gelage, Drogenverkauf, Schlägereien. Nahezu jede zweite Familie hat ein Kind zu beklagen, weil es im Auto mit Angesoffenen heimfahren wollte.“
Nachdem die Standard-Redakteurin nachfragt, wie schön Frauen im Beruf sein müssen und wie wichtig physische Attraktivität für Politikerinnen sei, gibt Worseg sein Highlight zum Besten: „Mir fällt aber auf, dass am Beginn der Frauenbewegung die Vertreterinnen eher Mann-Frauen waren. Vom Gehabe her, auch vom Aussehen. Heute sind die Politikerinnen richtige Frau-Frauen. Sie schauen gut aus und haben alle weiblichen Attribute.“ Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte es Heinisch-Hosek wohl niemand übel nehmen können, wenn sie das Gespräch abgebrochen hätte. Dann wären ihr die restlichen Weisheiten über Männer als schlechte Hemden-Bügler und Mädchen, die ja doch nur Friseurinnen werden wollen, erspart geblieben.
Wie schon im vergangenen Jahr (wo es hauptsächlich darum ging, dass junge Frauen doch alles mit sich machen lassen, um reich und berühmt zu werden) ist auch das Sommergespräch 2010 mit Heinisch-Hosek ein Armutszeugnis für den Standard. Wie jede andere Politikerin und jeder andere Politiker hätte es die Frauenministerin verdient, über ihre politische Arbeit und ihre Anliegen sprechen zu dürfen, anstatt von Schönheitschirurgen und Casting-Models ins Lächerliche gezogen zu werden.