TagGender

nomen est omen

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gilt. Zum Beispiel in Italien, wo Mädchen, laut Standard nicht mehr Andrea heißen dürfen, weil Andrea ein Bubenname sei und ein Mädchen so zu nennen, würde Verwirrung ob des Geschlechts auslösen und das sei gegen das Interesse von Mädchen. Na ja, ich weiß nicht. Es gibt in Kroatien ein Dorf, das so heißt wie ich und dennoch hat das nie Verwirrung bei mir ausgelöst, ob ich vielleicht nicht doch ein Dorf bin.

Es gibt ein Kinderbuch von Oliver Wenniges mit dem Titel Prinzessin Horst. Folgendes Bild ist daraus:

Vielleicht wäre eine italienische Übersetzung davon nicht schlecht.

Nein, Evelyn Fox Keller ist nicht tot

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Die Wochenendausgabe der Wiener Zeitung widmet der Gender-Wissenschaftlerin und Physikerin Evelyn Fox Keller eine ganze Seite. Dass ich daraus schließe, dass sie entweder gestorben sein, den Nobelpreis oder die österreichische Staatsbürgerinnenschaft bekommen haben muss, sagt natürlich nichts über die gewohnte mediale Nicht-Präsenz dieses Themas und der sich mit ihm beschäftigenden Personen aus.

Gut die Hälfte des Artikels bemüht sich um die Darstellung ihres Lebens. Dass sie dabei von außergewöhnlich vielen Männern umgeben war, die auf ihre mathematischen Talente aufmerksam wurden, ihre Spezialbegabung erkannten und sie förderten, kann wahr sein, was dann um so deutlicher werden lässt, wie wenig die naturwissenschaftliche Forschung von Frauen besetzt war/ist. Irritierender finde ich Aussagen wie jene, dass sie Weltklassewissenschafter (wohl kein generisches Maskulinum) auch persönlich kennen lernte, sobald aus ihr eine interessante Gesprächspartnerin geworden war. Und – noch viel irritierender – jene Anmerkung, dass Fox Keller auf keinen Fall so werden wollte wie Barbara McClintock, eine Botanikerin und Genetikerin, die 1983 den Nobelpreis bekam, nämlich unverheiratet seiend = privates Schicksal und lange Spaziergänge machend = einsam. „EFK unternahm dann einen sehr entschiedenen Versuch, dem privaten Schicksal von Barbara McClintock zu entgehen: sie traf den Mathematiker Joseph Bishop Keller, sie heirateten und hatten in den nächsten Jahren zwei Kinder.“ Wie so oft im Leben, das kein Märchen ist, sind weder Prinz, Pferd noch die Haare der Prinzessin echt, „die Ehe wurde geschieden und EFK war unter die im akademischen Umfeld häufigen alleinerziehenden Mütter geraten.“

Nach diesem traurigen Teil ihrer persönlichen Biographie, wendet sich der Verfasser des Artikels ihrer Forschung zu. In ihrer Forschung, so erfahren wir, „geht es EFK um mehr als das Zusammentragen weiterer Bausteine zur Dokumentation der Benachteiligung von Frauen auch in der Wissenschaft – zur Erweiterung der Basis weiterer Übungen zur abermaligen Beweinung der Gräuel der männlichen Dominanz“. Kein Wunder dass sie so „die höchste Form der Anerkennung gefunden [hat], die ein für das breitere Publikum schreibender Autor [sic!] finden kann: Zwei der weltersten Autoritäten [!] auf diesem Gebiet haben dem […] Buch Besprechungen gewidmet.“ Muss dazu gesagt werden, dass diese beiden weltersten Autoritäten [!] Männer sind? Fox Kellers Forschung nimmt nach dem biographischen Abriss nur vermeintlich den restlichen Teil des Artikels ein. Tatsächlich widmet sich ein Großteil davon der Veranschaulichung ihres Forschungsbereiches durch Bespiele einer dieser beiden  weltersten männlichen Autoritäten. Dass ich diesen Beispielen nicht folgen kann, liegt sicher daran, dass ich eine Frau bin.

Fazit des Artikels: Nicht überall wo feministische Wissenschaft drauf steht, ist feministische Wissenschaft drin.

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Interview: Binnen-I, Unterstrich und Sprachreinheit, Teil 2

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StudentInnen, Student_innen, Studierende – drei verschiedene Arten, um in einem Text nicht  ausschließlich Studenten anzusprechen. Was Anna Babka noch zur gendersensiblen Sprache zu sagen hat und warum sie SprachästhetInnen nicht traut, könnt ihr in Teil 2 des Interviews nachlesen.

Das Binnen-I wird gerne als Aufhänger verwendet, um gegen den Feminismus mobil zu machen oder ihn ins Lächerliche zu ziehen. Michael Fleischhacker schrieb etwa in der Presse: „All jenen, die mit Frauenrechten nicht wirklich etwas anfangen können (…), gilt Johanna Dohnal als Urheberin eines ins Grundvokabular der political correctness eingegangenen ‚linksgrünen Feminismus’, dem ein gendergerechtes Binnen-I wichtiger ist als die Rechte der Frauen in den muslimischen Mehrheitsgesellschaften.“

Das ist ein Ablenkungsmanöver, oder ein Zeichen von Dummheit und Borniertheit. Ich kann das überhaupt nicht ernst nehmen, Herr Fleischhacker hat offensichtlich seine Probleme mit dem Feminismus, nicht mit dem Binnen-I. Oder mit Gerechtigkeiten, wenn man so will. Das sind Scheingefechte. Wenn man mich mit so einer Aussage konfrontiert, würde ich erst einmal nachfragen, auf welche Informationen sich diese Person stützt, woher diese Erkenntnis stammt und was das Eine mit dem Anderen zu tun hat. Man muss den Menschen klarmachen, dass eben diese Formulierungen etwas bewirken.

Und was das jetzt mit der Sorge um unterdrückte Gruppierungen, um unterdrückte Frauen in welchen Ländern auch immer zu tun hat, ist mir nicht klar. Interessant ist, dass die muslimische Welt hier wieder herbeizitiert wird, das ist sehr typisch und auch sehr performativ, weil der Feind hier auf einer sehr simplen Ebene konstruiert wird und die Feministinnen quasi als Mithelferinnen dargestellt werden, die eigentlich keine anderen Sorgen haben. Also ja, es ist einfach ein Kampf zwischen – wenn man es vereinfacht – einer gewissen konservativen Schicht der Bevölkerung und ihren GegenspielerInnen.

Diese konservative Gruppe möchte Werte bewahren, ihr sind diese Differenzierungen wichtig. Wenn man eine Familienpolitik verfolgt, die die Frauen quasi noch immer an den Platz weist, dann hat man kein Interesse am Binnen-I. Das ist ganz eindeutig auch in bestimmten Kontexten verortet, diese Kritik oder dieses Unwohlsein, was geschlechtersensible Sprache betrifft.Auch bei so genannten SprachästhetInnen steckt dahinter meistens ein gesellschaftspolitisches Kalkül. Jemandem, der liberal denkt, ist die reine Sprache nicht wichtiger als der politische Effekt, den das Binnen-I hat. Das kann gar nicht sein.

Warst du schon an feministischen Themen interessiert, als du zu studieren begonnen hast?

Nicht gleich, aber bald. Ich habe Komparatistik studiert und bin im vierten Jahr für meine Diplomarbeit zum Thema Ingeborg Bachmann in Frankreich nach Paris gefahren. Dort habe ich dann Hélène Cixous getroffen, eine der bedeutendsten lebenden feministischen TheoretikerInnen. Sie hat mich wirklich beeindruckt. Ich bin ein Semester lang in ihrem Kurs gegessen und das war  eine Initialzündung. In mir wurde damals ein Denkprozess in Gang gesetzt, der bis heute nachwirkt. Natürlich hat das eine Weile gedauert, weil die Komparatistik in Wien absolut anti-feministisch organisiert war. Es gab drei Männer, die  die Komparatistik geleitet haben und feministische Forschung war ganz sicher nicht vorgesehen. Wir als Studienrichtungsvertretung haben das dann langsam etabliert. Seit damals leitet mich die feministische Theorie an und aus diesem Kontext heraus auch die Queer Studies und die Postcolonial Theory.

In meiner Dissertation habe ich mir dann die Intersexualität zum Thema gemacht und wie Sprache Geschlechter erzeugt – ganz vereinfacht gesagt. Mich interessiert außerdem, wie das in literarischen Texten passiert. Und welchen theoretischen Zugang man finden kann, um Geschlecht zu dekonstruieren, zu lesen, wie es sich selbst dekonstruiert im Text. Ich bin auch politisch aktiv und ich kann das Eine vom anderen überhaupt nicht trennen. Ich versuche das, was ich hier recht komplex erarbeite, runterzubrechen auf einen politischen Diskurs, der verständlich ist. Ich sehe absolut die Notwendigkeit, dass wir als WissenschafterInnen aktiv an politischen Prozessen teilnehmen. Das ist unsere Pflicht. Ich sehe mich als Wissenschafterin und als Mensch an einer Universität, mittlerweile in einer privilegierten Situation, als Assistenzprofessorin mit einem fixen Job. Nach vielen Jahren – aber doch. Und damit sehe ich mich absolut dazu verpflichtet, das, was ich jetzt denken darf – abgesichert denken darf – an die Gesellschaft zurückzugeben.

Du hast deinen Beitrag als Wissenschafterin zu politischen Diskursen erwähnt – hast du das Gefühl, dass das von Seiten der Gender Studies genügend passiert?

Ich finde es schwierig, wenn dauernd die Kritik kommt, dass die Gender Studies politische Handlungsfähigkeit verunmöglichen würden, weil sie nicht –  oder nicht mehr – auf Basis der biologischen Geschlechterdifferenz argumentieren. Ich würde sagen, es ist das Gegenteil der Fall. Ich glaube allerdings, dass es im Sinne eines strategischen Essentialismus notwendig ist, manchmal auf Basis der Biologie bzw. der vermeintlichen biologischen Differenz zu argumentieren. Das beste Beispiel dafür ist die Gehaltsschere. Was soll ich dazu sagen, wenn Frauen ein Drittel weniger verdienen aufgrund eines völlig irrwitzigen Unterschieds. Es ist ein Skandal.

Und da bin ich im Bereich der vermeintlich biologischen Geschlechterdifferenz, denn es ist ja nicht wirklich die Biologie. Es ist dieser Sprechakt am Anfang und die folgende Sozialisation – wie wir uns fühlen oder wer wir wirklich sind, das ist überhaupt nicht das Thema. Die Biologie ist einfach kein gutes Argument. Und trotzdem basieren auf ihr diese fürchterlichen Ungerechtigkeiten. Ich glaube, dass die Gender Studies und die Queer Studies aber genau das reflektieren und auf die Gesellschaft so zurückwirken können, um diesen biologischen Unterschied in Frage zu stellen. Es ist eine sinnlose Konstruktion, die nach wie vor nur zu Ausschlüssen und Ungerechtigkeiten führt. Es muss ja nicht jede Frau, die Gender Studies studiert, politisiert sein. Das kann man ja niemandem vorschreiben, aber es wäre wünschenswert, wenn ein Problembewusstsein vorhanden wäre.

Du hast in Österreich und den USA (Berkeley) studiert – kannst du in akademischer Hinsicht einen Vergleich zwischen den beiden Ländern ziehen?

Das ist schwierig zu beurteilen. Berkley ist natürlich anders. Es ist zwar eine staatliche Universität, aber eine sehr exklusive Universität, an der ganz andere Lehrbedingungen vorherrschen, die hier kaum möglich sind. Als ich dort war, hatte ich bereits ein Studium abgeschlossen und wusste genau, was ich wollte. Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich dort studiert hätte, weil es ein sehr verschultes Studium ist. Also die Betreuungsverhältnisse in Österreich sind natürlich katastrophal, aber als ich hier studiert habe, war die Situation an den Unis noch sehr viel entspannter und wir konnten uns richtig austoben. Retrospektiv kommt es mir jetzt so vor, als ob wir viel mehr Zeit hatten, um miteinander zu reden und Dinge zu reflektieren, es gab diesen Druck nicht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Scheine zu machen. Deshalb war für mich die Studienzeit sehr schön und das, was ich in Berkley erlebt habe, die absolute Draufgabe. Das war sozusagen das exklusive, elitäre Mitstudieren dürfen.

Ich bin aber für einen offenen Uni-Zugang, der in den USA nicht existiert. Ich bin auch sicher nicht für eine Elite-Uni. Was ich aber glaube, ist, dass wir mindestens doppelt so viel Budget brauchen, um hier gute Betreuungsverhältnisse herzustellen. Und vor allem müssen wir doppelt so viele Leute anstellen, damit dieses Prekariat ein Ende hat. Es ist natürlich vor allem eine Frage des Geldes und wenn sich ein Land wie Österreich leistet, mit so einem knappen Budget für den Bildungssektor dazustehen, dann braucht man sich eh nicht zu wundern. Also da wüsste ich ganz klar, was ich mir wünsche: Einen freien Uni-Zugang und natürlich Bildung für alle, so lange sie es wollen und so viel sie wollen. Weil auch ein unabgeschlossenes Studium Menschen verändert. Das ist etwas, das man mit Geld nicht aufwiegen kann. Also ich glaube, dass Bildung die Grundlage der Möglichkeit reflektierten Denkens ist und das ist wiederum enorm wichtig für eine politische Landschaft, die so wenig wie möglich polarisiert, Ausschlüsse erzeugt etc. Das gesamte Bildungssystem müsste besser ausgestattet werden, vom Kindergarten an bis zur Uni. Und vor allem auch geschlechtersensibel ausgestattet werden, schon sehr früh.

Zur Zeit ist die Diskussion um die angebliche Benachteiligung von Burschen in der Schule sehr populär…

Ja, das ist ganz interessant, und es gibt da ein Problem. Das mehrerlei Ursachen hat. Es ist fatal, dass es keine gescheiten Role Models für Jungen gibt. Geschlechterdifferenz hin oder her – aber wir brauchen unsere Role Models, so lange wir in diesem binären System leben müssen. Und wenn kleine Jungs nie mit männlichen Role Models zu tun haben, die ihnen vielfältige Handlungsmöglichkeiten vorleben, glaube ich, dass das nicht gut ist. Ich denke nicht, dass sie wirklich benachteiligt werden im Unterricht, aber sie entwickeln weniger Perspektiven, sie sind extrem einseitig, fixiert auf klischierte Vorstellungen von Männlichkeit. Während Mädchen alle Spektren durchspielen und das auch dürfen – ohne dass es peinlich ist. Also das erlebe ich bei meiner achtjährigen Tochter. Die Mädchen in ihrer Schule finden die Jungs total uninteressant, langweilig, engstirnig – öd irgendwie. Sie können nicht reden, können sich nicht unterhalten, spielen nur klischierte männliche Rollen. Das suchen sie sich ja nicht einfach aus, das wird vorgelebt, einstudiert, in den Familien und als Einfluss der gesamten Gesellschaft. Es ist alles viel enger in dieser Jungenkultur. Was man anschauen darf, welche Filme cool sind…

Mädchen stehen da mehr Möglichkeiten offen. Und das hat sicher damit zu tun, dass die Frauen, die in diesem Bildungsbetrieb tätig sind, den Mädchen Perspektiven eröffnen. Bei aller Benachteiligung, die es nach wie vor in diesem Segment gibt. Warum gibt es keine Volksschullehrer? Weil es eben kein Prestige-Beruf ist und man nicht viel verdient – da braucht man sich eh nicht wundern. Jungs werden schon gefördert, weil man dennoch auf sie Rücksicht nimmt und sie auch noch immer mehr Gesprächszeit im Unterricht haben etc., aber es ist irgendwie nicht divers, es ist eine Einbahn und eben die Basis dessen, dass es so weitergeht. Also es ist nach wie vor viel zu eng, dieses Geschlechtermodell. Und es gibt noch viel zu tun, deshalb haben wir Akademikerinnen und Akademiker, die sich damit beschäftigen, noch sehr viel Arbeit vor uns.

Teil 1 des Interviews

Link zum Beitrag auf „Adrians Blog“

Anna Babka ist Literaturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik in Wien mit Schwerpunkten in Literaturtheorie, Gender Studies und Postcolonial Studies. Link zur Website

Interview: Binnen-I, Unterstrich und Sprachreinheit, Teil 1

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Die Denkwerkstatt Interview-Reihe geht in die nächste Runde – diesmal haben wir die Literaturwissenschafterin Anna Babka getroffen, um mit ihr über die Effekte von Sprache und geschlechtersensibles Formulieren zu sprechen.

Du bist eine glühende Verfechterin der gendersensiblen Sprache – warum? Was bringt uns das Binnen-I?

Es bringt uns wahnsinnig viel, weil es unser Bewusstsein verändert. Es geht dabei immer um zwei Dinge: Sichtbarmachen und Symmetrie. Indem man Frauen über die Sprache sichtbar macht, verändert man ihre Realität – weil Sprache performativ ist und das, was sie beschreibt, hervorbringt. Es ist rein theoretisch gesehen ein einfach erklärbarer Effekt. Insofern kann man das auch ganz einfach argumentieren. Sprache bildet schließlich nicht nur ab, sie kreiert, sie handelt.

Kannst du das anhand eines Beispiels näher erläutern?

Machen wir es gleich an der Geschlechterdifferenz fest: Wenn ein Kind geboren wird, dann sagt die Ärztin oder der Arzt: „Das ist ein Junge“ oder „Das ist ein Mädchen“. Wäre dieser Sprechakt nicht getan, dann existierte dieser Mensch nicht einfach als männlich oder weiblich. Der Sprechakt hat natürlich eine gewisse Referenz, aber die ist nicht ausschlaggebend, weil einfach von den primären Geschlechtsorganen ausgegangen wird. Und würden wir diesen Sprechakt nicht ein Leben lang fortsetzen und ihn dann auch performativ ausfüllen – über Kleider, den Habitus, Gesten – dann würde man nicht wissen, dass wir Männer oder Frauen sind.

Dieser performative Akt ist absolut notwendig, er zitiert etwas, das vorgängig ist, aber was sich nicht auf ein Original bezieht, sondern auf einen Diskurs. Die Auffassung darüber, was Männer und Frauen sind, verändert sich schließlich historisch gesehen laufend, im 18. Jahrhundert gab es noch das Einfleischmodell, das mehr oder weniger davon ausging, dass Männer und Frauen sich nur dadurch unterscheiden, dass Männer bestimmte Organe ‚außen‘ tragen, die Frauen diese im Körper tragen. Dieses Modell ist im 18. Jhrdt. in das Zweifleischmodell übergangen und dort wurde der weibliche Körper pathologisiert. Zum Beispiel hat man über die Gebärmutter verschiedene Zuschreibungen vorgenommen. Dabei handelt es sich aber um einen diskursiven Effekt, der nicht auf einer biologischen Grundlage basiert, sondern auf der sprachlichen Interpretation biologischer Gegebenheiten. Wer sagt uns, was dieser Unterschied tatsächlich ausmacht? Er muss in eine Geschichte gepackt werden, sonst hätte er überhaupt keinen Effekt, keinen Belang. Oder mit Judith Butler gesprochen: Sex wird immer schon Gender gewesen sein…

Wir müssen uns also permanent selbst daran erinnern, dass wir ein Geschlecht „haben“?

Stefan Hirschauer, ein deutscher Soziologe, hat das einmal sehr schön formuliert. Er geht auch von diesem ersten performativen Sprechakt aus und er sagt: Würde diese Information in ein Archiv eingeschlossen und nie mehr herausgeholt werden, dann würden wir vergessen, dass dieser Mensch ein Mann oder eine Frau ist. Also es ist absolut notwendig, die Binarität in einem wiederholten Akt immer wieder herzustellen und festzuschreiben.

In der Frage der Intersexualität wird diese Binarität auch ganz stark in Frage gestellt – das ist der Punkt, wo der Unterstrich als geschlechtersensible Schreibweise ins Spiel kommt (z.B. Student_innen, Anm. d. R.). Für Personen, die sich nicht in die eine oder andere Richtung zuordnen können oder möchten. Das ist sozusagen der neueste Zugang – alle existierenden und möglichen Geschlechter im Unterstrich zu vereinen. Das kann man mögen oder nicht, es macht jedenfalls Sinn. Ich selbst verwende das Binnen-I, das ist mittlerweile auch eine institutionalisierte Schreibweise. Allerdings finde ich es in Ordnung, den Unterstrich zu verwenden und kann ihn als theoriegeleiteten Eingriff in die Sprache auch nur unterstützen.

Ist gendersensible Sprache in Diplom- und Seminararbeiten, die von dir beurteilt bzw. betreut werden, ein Muss?

Ja, ich verlange das in Diplom- und auch Seminararbeiten und mir ist dabei egal, welche Schreibweise verwendet wird. Warum man darüber noch streiten muss, verstehe ich überhaupt nicht. Ich würde das auch wirklich als Grundanforderung für wissenschaftliches Arbeiten einführen. Mittlerweile wird geschlechtersensible Sprache von offiziellen Stellen verwendet, es gibt Leitfäden für geschlechtergerechtes Formulieren vom Bundesministerium, weil das ja auch gesetzlich verankert ist innerhalb des Gender Mainstreamings. Der öffentliche Diskurs muss so funktionieren.

Das Argument, dass die Sprache damit verunstaltet wird, ist lächerlich. So als gäbe es die richtige Sprache oder die schöne Sprache. Wer sagt, was Sprache wirklich sein soll? Das legen wir SprachbenutzerInnen fest und das ist ein extrem dynamischer Prozess. Der Duden hinkt dieser Dynamik hinterher. Schön ist eben, dass es mittlerweile aufgrund des europaweiten Gender Mainstreamings in der Union rechtlich verankert ist und man deshalb eigentlich nicht mehr darüber diskutieren muss.

Erlebst du an der Universität Wien Widerstand gegen geschlechtergerechte Sprache?

Ja, auch am Institut für Germanistik gibt es diesen Widerstand. Nicht nur, aber auch. Da werden dann irgendwelche Beispiele herangezogen, wo das Formulieren mühsam wird. Aber ich glaube, wenn jemand in der Lage ist, zu schreiben und Texte zu formulieren, dann ist er oder sie auch kreativ genug, dafür eine Lösung zu finden. Und wenn man sich nicht auskennt, dann schaut man eben in diesen offiziellen Leitfäden nach, die an vielen Stellen vorhanden sind. Ich kann mittlerweile gar keinen Text mehr lesen, der nicht gendersensibel formuliert wurde. Ich verstehe ihn auch nicht mehr, ein solcher Text wirkt mir unverständlich. Weil er nicht deutlich macht, worum es geht und wer gemeint ist.

Das nächste Mal in Teil 2: Warum Michael Fleischhacker ein Problem mit Gerechtigkeiten hat und die Biologie keine guten Argumente liefert.

Anna Babka ist Literaturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik in Wien mit Schwerpunkten in Literaturtheorie, Gender Studies und Postcolonial Studies. Link zur Website

Gute Vorsätze

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Nachdem der österreichische Frauenbericht 2010 zum Teil erschreckende Ergebnisse lieferte, präsentierte Frauenministerin Heinisch-Hosek nun einen „Nationalen Aktionsplan zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt„. Die nackten Zahlen:  Das Papier umfasst 76 Seiten mit 55 Maßnahmen, 150 Expertinnen und Experten haben an daran gefeilt. Die guten Vorsätze reichen von der „Geschlechtssensibilität in der elementaren Bildung“ über das „Sichtbarmachen von qualifizierten Frauen für Aufsichtsratfunktionen“ bis hin zu „Anreizsystem des Bundes zum flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen fortsetzen und ausbauen.“

Der Aktionsplan klingt ambitioniert (wenn auch etwas schwammig formuliert) – bei den guten Vorsätzen soll es natürlich nicht bleiben, wenn es nach der Frauenministerin geht. Österreich hat in vielen Punkten aufzuholen: Bei der Kinderbetreuung, den Chancen von Migrantinnen (und Migranten), der ungleichen Bezahlung, bei der einseitigen Belastung mit unbezahlter Arbeit und der gläsernen Decke. „Einige Männer werden die Sessel räumen!“, zitiert diestandard.at Heinisch-Hosek, die auf die fehlenden Frauen in den Uni-Rektoraten anspielt.

Auch zum Thema Kinderbetreuung sollen Kampagnen zur Sensibilisierung gestartet werden: Nachwuchs bedeutet für Frauen in Österreich noch immer Karriere-Knick. Fraglich bleibt, ob die Länder in Sachen Kinderbetreuung mitziehen – Ganztagsschulen und -kindergärten sind nach wie vor ein Wiener Privileg. Der Anteil der Männer in Elternkarenz soll laut Aktionsplan auf 20 Prozent erhöht werden. Bis wann? „Beginn 2010“, sagt der Zeithorizont. „Laufend, ab 2010, 2010/2011“ ist unter anderen Maßnahmen zu lesen. Nun gut, „Rollenstereotype aufbrechen“ ist nicht unbeding ein Ziel, das sich in Österreich von 18 Monaten verwirklichen lässt. Und auch für die Umsetzung anderer Vorsätze wird Heinisch-Hosek viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Immerhin, die Basis für Evaluierungen künftiger Entwicklungen hat man/frau sich geschaffen.

Maßnahme 4, die „Förderung von Gender-Kompetenz in der LehrerInnenbildung und Schulentwicklung sowie bei SchulleiterInnen“, die ich – sofern sie mit einer Ernsthaftigkeit nach skandinavischem Vorbild  forciert wird – mit Pauken und Trompeten begrüße, hat mich an meine eigene Schulzeit zurückdenken lassen. Und im nachhinein erscheint es mir, als ob ich den 60er und nicht in den 90er Jahren das österreichische Pflichtschul-System durchlaufen hätte. Da war etwa mein Klassenvorstand in der Hauptschule, der ganz offen sexistisch agierte. Uns „Mädchen“ wollte er das Haarefärben verbieten, schließlich wollte er sich in der Öffentlichkeit nicht für uns schämen müssen. Die Möglichkeit zur Wahl des Werkunterrichts (technisch oder textil) musste er uns zwar auf dem Papier zugestehen, doch wenn ein Mädchen sich dazu entschlossen hätte, in seinen technischen Werkunterricht zu wechseln, so hätte er „schon dafür gesorgt, dass sie wieder dort hin geht, wo sie hingehört und Stricken und Nähen lernt.“ Was heute vermutlich ein Fall für den Landesschulrat oder die Landesschulrätin wäre, führte 1995 zu keiner Beschwerde. Wir fanden uns damit ab und nähten weiter Kochschürzen.

Ob meine ehemalige Hauswirtschaftslehrerin wohl noch immer Mädchen „Kochen und Bügeln“ und den Jungs „sich selbst ein Schnitzel machen, so lange Mann unverheiratet ist“ beibringt? Sollte eine Fortbildung in „Gender-Kompetenz“ auf sie zukommen, so wird ihr Weltbild wohl erschüttert werden. Im besten Falle.

Alles über die Männer, Teil 1

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„Es stimmt, daß Zeiten und Sitten sich wandeln; doch die Natur des Menschen ist nicht so wandelbar.“ Nachdem ich Joseph Pecks beeindruckendes Wissen über „die Frauen“ präsentiert habe, soll euch auch die Essenz aus dem Klassiker „Alles über die Männer“ nicht vorenthalten bleiben. Man tausche Passiv gegen Aktiv, und los geht es:

Im Gegensatz zu den Qualen der Geburt in „Alles über die Frauen“ beginnt „Alles über die Männer“ mit der Freude über das wunderbare Geschöpf Junge.
„Jeder Junge braucht einen Vater, von dem er mit Stolz sagen kann: ‚Das ist mein Alter.‘ Er braucht einen Vater, dessen Augen unmerkbar aufleuchten, wenn er nach einem harten Tag von Amt, Büro oder Fabrik heimkehrt und ein winziges Bündel voll Energie ihm entgegenstürzt mit dem Ruf: ‚Hallo Papps!‘.

Der frühe Moment der Erkenntnis: „Irgendwann, im Alter zwischen zwei und drei Jahren, beginnt das Kind nämlich zu begreifen, daß es männlichen Geschlechts ist, und fängt an, Männer als höhere Wesen zu betrachten.“

„Frauen verachten Kinder, die nicht von ihnen abhängig sind; Männer lieben Jungen, weil die freundlichen Erinnerungen an die eigene Jugend unversehens heraufbeschworen werden, sobald ein kleiner Kerl in der Nähe ist.“

„Wenn heute meine Jungen ihre Familie zu unserer kleinen Farm im Waldland herausbringen, pflegen wir Männer, ausgerüstet mit Beil und Säge, die Weiber und Kinder zu verlassen.

Was passiert, wenn der Junge beginnt, mit Mädchen auszugehen? „Nach Mitternacht lehne ich es ab, mir noch Sorgen zu machen – Die kann sich jetzt die Mutter des Mädchens machen.“

„Während Mädchen von Jahr zu Jahr bezaubernder und graziöser werden, wird ein Junge immer tölpelhafter – und er merkt immer mehr, daß er Tölpel ist.“

„… aber gib ihm eine ordentliche Tracht Prügel, wenn er dir nicht offen gehorcht. (…) Ein Junge, der ohne warme Bindung an den Vater aufwachsen muß, ist um sein Geburtsrecht betrogen worden.“

„Natürlich wird ein Junge später im Kreis der Freunde damit prahlen und angeben, wieviele Mädchen er verführt hat – genauso wie Mädchen sich der Liebhaber rühmen, von denen sie sich nicht verführen ließen.“

„Nur wenige Frauen wünschen sich einen Sklaventreiber wie jenen Simon Legree aus Onkel Toms Hütte, aber im Zweifelsfall würden sie ihn irgendeinem milchgesichtigen Waschlappen vorziehen.“

„Er versucht jetzt, jedes Mädchen zu bedrängen, dem er begegnet, immer in der halben Hoffnung, bei seinen amourösen Unternehmungen zurückgewiesen zu werden. Doch nur zu oft wird er nicht zurückgewiesen, und das führt zu erneuter Unzufriedenheit – mit sich und mit den Mädchen, die das Spiel so bereitwillig mitmachten. Seine Ideale sind erschüttert worden, sein Idol liegt im Staub. Doch die Gestalt der Mutter und die Gestalt jener Mädchen, die ihn zurückweisen, leuchten um so heller in dem Schrein seines Herzens.“

Alles über die Frauen, Teil 1

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Am vergangenen Wochende habe ich in der Bibliothek meiner Lieblings-Niederösterreicher_innen gestöbert und kurzerhand sind mir zwei Buchrücken ins Auge gesprungen: „Alles über Frauen“ und „Alles über Männer“ verstaubten da in der obersten Reihe eines Regals. Schon die Titel verhießen mir Schlimmes – aber es sollte noch schlimmer kommen. Weihnachten 1964 hatten sie die Bücher geschenkt bekommen, 1961 wurden sie von einem gewissen Joseph H. Peck, einem amerikanischen Gynäkologen, veröffentlicht. Nachdem dieser Mister Peck einige Jahrzehnte als „Arzt der Frauen“ praktiziert hatte, beschloss er also, sein umfassendes Wissen – da er die Frauen so liebe – der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Schon unglaublich, was so alles (straffrei) publiziert werden durfte und unsere Eltern / Großeltern als heitere Lektüre unter ihrem Weihnachtsbaum fanden. Das Buch ist eine schier unerschöpfliche Quelle von Vorurteilen, Stereotypen und Sexismen, die in den 60er Jahren noch sehr explizit ausformuliert wurden – aber im Grunde (in modifizierter Form) bis heute überlebt haben. Hier einige Auszüge aus „Alles über die Frauen“ (Originaltitel: „Life With Women – And How To Survive It„) – aus den ersten Kapiteln, die das Heranwachsen von Mädchen behandeln:

Um sich der „weiblichen Natur“ anzunähern, schlägt der Gynäkologe eine Entbindungsstation als geeigneten Ort vor, dort, wo sich die Frau „ihrer ureigensten Funktion hingibt“:

„Eine Frau, die diesem Gottgewollten zum erstenmal unterworfen ist und nun, mit tiefer liegendem Kopf, fest angeschnallt auf dem Entbindungstisch liegt, mag sich wohl wie ein Opfer vorkommen, das vom Hohenpriester und seinen Priesterinnen (…) dargebracht werden soll. Aber schon die Bibel sagt: ‚Mit Schmerzen sollst du Kinder gebären.'“

„Sie hat eine rasche Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis und nimmt es in bezug auf Bildungsfähigkeit mit jedem Mann auf. Doch je mehr sie lernt, desto mehr geht von ihren weiblichen Instinkten verloren, und es scheint, daß sie mit jedem Fortschritt in der Bildung auch an Weiblichkeit einbüßt. Die gelehrtesten Frauen sind deshalb oft die armseligsten Mütter.“

„Vom dritten Lebensjahr an bereitet sich das Mädchen auf die Mutterschaft vor, indem es mit Puppen und Puppenhäuschen spielt und die Katze mit ihren Jungen belauscht. Ihres Bruders Interessen um diese Zeit wenden sich möglichst weit von jeder Häuslichkeit ab. Er flitzt auf seinen Schlittschuhen auf dem Teich umher, (…) und wenn er schließlich doch einbricht, dann wahrscheinlich nur, weil ein Mädchen ihn geschubst hat.“

Dann folgen einige Anekdoten zur alt bekannten „Hinterlistigkeit“ der Frauen und er schildert die Geschichte eines 14-jährigen Mädchens, das seinen Eltern erzählte, es sei vergewaltigt worden, obwohl es nur die Zeit vertrödelt hatte und der Bestrafung entgegehen wollte: „Natürlich sind dies reichlich extreme Beispiele von der Heimtücke der Mädchen (…). Auf Grund solch alberner Anschuldigungen sind schon Männer ins Gefängnis gewandert.“

„Wenn ihr liebes Töchterlein in den männlichen Sportarten allzu tüchtig ist, mag Ihnen, lieber Leser, sogleich der alte Reim in den Sinn kommen: ‚Mädchen, die pfeifen, und Hühern, die krähen, soll man beizeiten den Hals umdrehen‚. Lenken Sie deshalb ihre Aufmerksamkeit schleunigst auf Puppen und Puppenstuben, dann wird sie, indem sie der Mami zusieht, mit der Zeit dahinterkommen, daß ihre Rolle restlosen Einsatz erfordert.“

Mädchen wollen möglichst schnell erwachsen werden, schreibt der Autor weiter, doch so mancher Ehemann werde sich nach den Kindestagen der Frau sehnen, denn, im Gedanken: „damit ich sie verprügeln kann, bis sie mir die Wahrheit gesteht – und ohne daß mich anderntags gleich ihr Scheidungsanwalt anruft!“

Was passiert mit den herangereiften Mädchen, die keinen Ehemann finden? „Infolgedessen gibt es eine Menge später Mädchen und energisch berufstätiger Frauen, die einspännig herumlaufen, sich selber nicht leiden können und mit ihrem unerfüllten Leben die Ärzte plagen.“

Fortsetzung folgt…

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