TagHeinisch-Hosek

Gute Vorsätze

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Nachdem der österreichische Frauenbericht 2010 zum Teil erschreckende Ergebnisse lieferte, präsentierte Frauenministerin Heinisch-Hosek nun einen „Nationalen Aktionsplan zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt„. Die nackten Zahlen:  Das Papier umfasst 76 Seiten mit 55 Maßnahmen, 150 Expertinnen und Experten haben an daran gefeilt. Die guten Vorsätze reichen von der „Geschlechtssensibilität in der elementaren Bildung“ über das „Sichtbarmachen von qualifizierten Frauen für Aufsichtsratfunktionen“ bis hin zu „Anreizsystem des Bundes zum flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen fortsetzen und ausbauen.“

Der Aktionsplan klingt ambitioniert (wenn auch etwas schwammig formuliert) – bei den guten Vorsätzen soll es natürlich nicht bleiben, wenn es nach der Frauenministerin geht. Österreich hat in vielen Punkten aufzuholen: Bei der Kinderbetreuung, den Chancen von Migrantinnen (und Migranten), der ungleichen Bezahlung, bei der einseitigen Belastung mit unbezahlter Arbeit und der gläsernen Decke. „Einige Männer werden die Sessel räumen!“, zitiert diestandard.at Heinisch-Hosek, die auf die fehlenden Frauen in den Uni-Rektoraten anspielt.

Auch zum Thema Kinderbetreuung sollen Kampagnen zur Sensibilisierung gestartet werden: Nachwuchs bedeutet für Frauen in Österreich noch immer Karriere-Knick. Fraglich bleibt, ob die Länder in Sachen Kinderbetreuung mitziehen – Ganztagsschulen und -kindergärten sind nach wie vor ein Wiener Privileg. Der Anteil der Männer in Elternkarenz soll laut Aktionsplan auf 20 Prozent erhöht werden. Bis wann? „Beginn 2010“, sagt der Zeithorizont. „Laufend, ab 2010, 2010/2011“ ist unter anderen Maßnahmen zu lesen. Nun gut, „Rollenstereotype aufbrechen“ ist nicht unbeding ein Ziel, das sich in Österreich von 18 Monaten verwirklichen lässt. Und auch für die Umsetzung anderer Vorsätze wird Heinisch-Hosek viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Immerhin, die Basis für Evaluierungen künftiger Entwicklungen hat man/frau sich geschaffen.

Maßnahme 4, die „Förderung von Gender-Kompetenz in der LehrerInnenbildung und Schulentwicklung sowie bei SchulleiterInnen“, die ich – sofern sie mit einer Ernsthaftigkeit nach skandinavischem Vorbild  forciert wird – mit Pauken und Trompeten begrüße, hat mich an meine eigene Schulzeit zurückdenken lassen. Und im nachhinein erscheint es mir, als ob ich den 60er und nicht in den 90er Jahren das österreichische Pflichtschul-System durchlaufen hätte. Da war etwa mein Klassenvorstand in der Hauptschule, der ganz offen sexistisch agierte. Uns „Mädchen“ wollte er das Haarefärben verbieten, schließlich wollte er sich in der Öffentlichkeit nicht für uns schämen müssen. Die Möglichkeit zur Wahl des Werkunterrichts (technisch oder textil) musste er uns zwar auf dem Papier zugestehen, doch wenn ein Mädchen sich dazu entschlossen hätte, in seinen technischen Werkunterricht zu wechseln, so hätte er „schon dafür gesorgt, dass sie wieder dort hin geht, wo sie hingehört und Stricken und Nähen lernt.“ Was heute vermutlich ein Fall für den Landesschulrat oder die Landesschulrätin wäre, führte 1995 zu keiner Beschwerde. Wir fanden uns damit ab und nähten weiter Kochschürzen.

Ob meine ehemalige Hauswirtschaftslehrerin wohl noch immer Mädchen „Kochen und Bügeln“ und den Jungs „sich selbst ein Schnitzel machen, so lange Mann unverheiratet ist“ beibringt? Sollte eine Fortbildung in „Gender-Kompetenz“ auf sie zukommen, so wird ihr Weltbild wohl erschüttert werden. Im besten Falle.

Sind Frauen die besseren Menschen?

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Das Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur wirbt seit einigen Wochen für eine Bildungsreform – für den dazugehörigen TV-Spot durfte Christina Stürmer die österreichische Bundeshymne neu vertonen. Und hier wird nicht nur von den großen Söhnen („Heimat bist du großer Söhne„), sondern auch von großen Töchtern gesungen – die Aufregung war somit vorprogrammiert. Eine dementsprechende Änderung des Textes hatte 2005 schon Maria Rauch-Kallat gefordert und war am Koalitionspartner BZÖ (und dem Gegenwind aus der Bevölkerung) gescheitert. 2010 forderte nun der Sessler-Verlag, der die Erben der Dichterin Paula von Preradovic vertritt, eine Unterlassungserklärung von Stürmer und Bildungsministerin Schmied. Der Zusatz der „großen Töchter“ sei ein „Eingriff in das Persönlichkeitsurheberrecht“, begründete der Verlag.

Die folgende Medien-Resonanz wollte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek nutzen und startete ebenfalls den Versuch, eine Textänderung zu erreichen. Diesmal kam das „Nein“ von der ÖVP. „Momentan haben wir andere Probleme zu bewältigen“ und „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ ließen mehrere Personen aus ÖVP, BZÖ und FPÖ ausrichten. Schließlich gelte es, die Wirtschaftskrise zu bewältigen und die Konjunktur anzukurbeln.

Nicht nur die Debatte um die Bundeshymne, auch die Argumente, wenn es um frauenpolitische Anliegen geht, kehren also immer wieder. Beim Verfolgen der verschiedenen Diskussionen und Medienbeiträge fallen drei spezifische Strategien auf, die dabei zur Anwendung kommen:

Das Lächerlich Machen
„Die Gender Mainstreaming Menschen sind erst zufrieden, wenn es BundeshymnIn heißt“ ist in diversen Foren österreichischer Medien zu lesen. Das Binnen-I wird gerne bei verschiedenen Gelegenheiten verwendet, um frauenpolitische Forderungen ins Lächerliche zu ziehen. Gerne auch bei der „QuotInnen-Regelung / RegelungIn“.

„Haben wir keine anderen Sorgen?“
Andere Sorgen gibt es immer: Da wäre die Wirtschaftskrise, die zunehmende Teilzeitquote, die Gehaltsschere, die Arbeitlosigkeit, die Umweltverschmutzung, die steigende Armut, der Klimawandel. Viele Politiker_innen sind permanent mit solch zentralen Dingen beschäftigt, dass keine Zeit für ein Handzeichen bei einer Abstimmung bleibt. Gerne wird das „Haben wir keine anderen Sorgen?“ auch mit dem Lächerlich Machen kombiniert. „Schön, dass die (Gender Mainstreaming) – Frauen keine anderen Sorgen haben.“

Die Überhöhnung
Die Überhöhung von Frauen ist schließlich eine der zentralsten Strategien, wenn es gilt, gegen frauenpolitische Forderungen zu argumentieren. Der österreichische TV-Sender „Puls 4“ veranstaltete vergangene Woche einen „Talk of Town“ zum Thema Töchter in der Bundeshymne und lud prominente Gäste zur Diskussion. Egal, wie man oder frau nun zu dieser Frage steht – es ist gar nicht so einfach, sachliche und schlagkräftige Argumente gegen den Text-Zusatz zu finden. Ein Gast der Sendung griff also zur emotionalen Überhöhung: Er sprach davon, dass Frauen doch „die viel besseren Menschen“ seien und es überhaupt nicht nötig hätten, durch diesen Zusatz in der Hymne erwähnt zu werden. Sie seien doch viel aufopfernder, würden jeden Tag so viel in den Familien leisten und seien wesentlich sensibler als Männer. Schließlich würde es jede Frau sofort bemerken, wenn ihr Mann sie betrügt – umgekehrt sei das nicht der Fall, so der Event-Manager.

Bei einer solchen Gelegenheit werden gerne vorbildliche Kämpferinnen für das Gute herangezogen und auf ein Podest gestellt – gleichzeitig werden damit alle anderen Frauen abgewertet: Eine Funktion der Überhöhung. Den Frauen wird dabei das Bild der guten, aufopfernden, emotionalen Mutter gezeigt – jede Abweichung von diesem wenig realen Idealbild weist die Einzelne somit auf ihren Platz der Unvollkommenheit. Wer sich dann auch noch laut für ein Anliegen in Sachen Gleichberechtigung ausspricht, bekennt sich sogleich schuldig, offensichtlich nicht zu den guten und tollen Frauen zu gehören, die jegliche (lächerliche) Forderung symbolischer Anerkennung „nicht nötig“ haben.

Auch dass den anbetungswürdigen Frauen gerne das Gegenbild der unsensiblen und unsozialen Männern gegenüber gestellt wird, scheint dabei niemanden zu stören. Und auch hier versteckt sich eine perfide rhetorische Strategie: Haben Sie schon einmal versucht, jemanden zu kritisieren, der ein Gespräch mit dem Satz: „Ja, ich weiß, ich bin eben nicht so toll / gut / moralisch / gescheit wie du“ beginnt?

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