TagMännlichkeit

Wochenschau

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In „Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt“ hat die Soziologin Pinar Selek die Konstruktion von Männlichkeiten am Beispiel des Wehrdienstes in der Türkei untersucht. „Es ist jetzt wirklich nötig, diese Thematik anzusprechen. Weltweit gibt es überall Kriege, das muss ein Ende haben. Ich möchte verstehen, wie öffentliche Gewalt entsteht und warum Männer als Träger der Gewalt fungieren“, zitiert diestandard die Autorin. Bericht auf diestandard.at

Unglaubliche, bahnbrechende Erkenntnisse von der School of Economics in London: Scheidungsraten sind auffallend niedriger, wenn sich der Mann an den täglichen Pflichten wie Putzen, Einkaufen und Kinderbetreuung beteiligt. Gesehen unter anderem auf science.orf.at.

Und: „Auch Väter erkranken an Babyblues“ lautete eine Schlagzeile in der vergangenen Woche. Die Eastern Virginia Medical School hat sich dem unerforschten Gebiet angenommen.

Erneute Horror-Meldungen aus asiatischen Fabriken: Ein chinesischer Reporter hat in Wallraff-Manier im chinesischen Konzern Foxconn – wo iPhone und Co hergestellt werden – undercover recherchiert. Ein Bericht über die unglaublichen Bedingungen für die Arbeiter_innen, der zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten anregt: Link

Zum Abschluss etwas Erfreuliches: Ein genialer Spot, in dem die Bronte-Schwestern als Action-Figuren gegen Diskriminierung kämpfen. Solches Spielzeug sollte Mattel doch mal wirklich herstellen. (Gefunden auf der Mädchenmannschaft)

Männer in der Sinnkrise?

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Noch in den sechziger Jahren hatten es Männer einfacher. Es herrschten klare Rollenbilder: Frauen mussten in erster Linie den Haushalt führen und die Kinder versorgen, und sie waren sozial wie finanziell abhängig von den Männern. Doch dann wurden Geschlechterrollen in Frage gestellt – Eltern, Lehrer und Erzieher bemühten sich, Mädchen die gleichen Bildungschancen zu bieten, und förderten sie gezielt. Der Erfolg blieb nicht aus. Frauen haben inzwischen viele typische Männerberufe erobert, besetzen Führungspositionen, bekleiden bedeutende Ämter„, so Henning Engeln im deutschen Spiegel.

Wir schreiben das Jahr 2009 – und ein klares Rollenbild, an dem sich Männer orientieren können, fehlt. Analog zur Emanzipation der Frauen hat der wortkarge Familienernährer ausgedient, plötzlich herrscht Verwirrung – so der Befund vieler Autoren, die sich mit moderner Männlichkeit auseinandersetzen. Auch die Darstellung von Männern als Mängelwesen oder Auslaufmodelle wird vielfach beklagt: „Noch in den sechziger Jahren sind Männer als Schöpfer der Kultur, Entdecker, Religionsstifter, Weise, Heiler, Ärzte und Philosophen gefeirt worden. Wenn wir heute in Literatur und Medien schauen, dann tritt uns der Mann als Zerstörer, Kriegstreiber, Vergewaltiger, Kinderschänder und Pornograph entgegen“, sagt der Soziologe Walter Hollstein.

Aber hatten es (westliche) Männer in den sechziger Jahren wirklich einfacher? Kann es wirklich erstrebenswert sein, dass der Arzt (wir schreiben 1960), der im Krankenhaus auf Junge oder Mädchen entscheidet, damit auch die Freiheit, den eigenen Lebensentwurf zu gestalten, auf ein Minium reduziert? Hatte es in den sechziger Jahren ein homosexueller Mann einfacher? Ein Mann, der nicht im im Stande war, in der Erwerbsarbeit seine Erfüllung zu finden?

Dennoch scheinen wenige (schreibende) Menschen die herrschende Orientierungslosigkeit als Chance zu begreifen, um mit starren männlichen Rollenkonzepten zu brechen und eine Vielfalt von Lebensentwürfen denkbar zu machen. Zahlreiche Sachbuch-Autor_innen wollen uns viel eher sagen, dass ein Leben ohne vergeschlechtlichtes Selbstbewusstsein nicht möglich ist. Im Dschungel der geschlechtlichen Verwirrung bieten sie Konzepte an, die auf eine Rückbesinnung auf „traditionelle Werte“ zielen.

Wer etwa das Seminar von Autor Björn Leimbach besucht, kann „seinen Testosteronwert erhöhen“ und vom „netten Jungen zum echten Mann“ werden. Die Botschaft ist klar: Männer sind von Natur aus aggressiv, wollen in Männerrunden Konkurrenz leben und in Partnerschaften die Führung übernehmen. Doch Pädagoginnen, Mütter und Partnerinnen sind auf dem besten Wege, die Männer zu entmännlichen. Step I – IV wollen Männer zu „Herzenskrieger“ machen, Step III zum Thema Sexualität nennt sich da „Sexualität, Potenz und Dominanz.“ Denn eines ist klar: „Auch die meisten Frauen haben auf Dauer wenig Interesse an einem ’netten‘ Mann“.

„Der Typ John Wayne ist oldfashioned, klar. Aber er hatte ein Koordinatensystem. Er wusste, welche Dinge man tut, weil man ein Mann ist. Und er wusste, welche Dinge man nicht tut, weil man ein Mann ist. Und heute? Es gibt allein in Deutschland 41 Millionen Männer. Bei dieser Masse ist die Identitätskrise des Mannes keine Sache von ein paar Therapeutensitzungen in Altbauwohnungen. Die graue, konturlose Masse Mann verklebt die Kraftadern der Republik“, schreiben Andreas und Stephan Lebert in ihrer „Anleitung zum Männlichsein“.

Männer, die den „Verfall“ der Männlichkeit beklagen, sind längst nicht unter sich geblieben. Die Bestätigung der These, dass Frauen „so einen Mann“ nicht wollen, liefern konservative Geister wie Bettina Röhl oder Eva Hermann. Und auch Barbara Rosenkranz scheint sich in ihrem Buch „MenschInnen“ vordergründig um die Gefährdung „wahrer Männlichkeit“ zu sorgen, wenn Jungen in Wiener Kindergärten nicht nur mit Autos und Bausteinen spielen sollen. (Lauert nicht hinter jeder Barbie die Homosexualität?) Was die genannten Frauen selbst machen, gestehen sie Männern nicht zu – als erfolgreiche Autor_innen (und Politikerin) geben sie der Karriere großen Raum in ihrem Leben und konterkarieren damit ihr eigenes Bild der Mutter und Hausfrau (Barbara Rosenkranz gibt als Beruf „Hausfrau“ an).

Angesichts dessen ist die Zeit gekommen, Gegenbilder zu entwerfen und den Verteidiger_innen der „echten Männlichkeit“ nicht die Definitionsmacht zu überlassen. (Mehr zu konservativen Strömungen in der Männlichkeitsforschung das nächste Mal…)

Wieder lieben

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„Mit Karin und mir lief alles gut –  bis ich eines Tages Erektionsprobleme bekam.“ Mit diesen Worten beginnt der TV-Spot für die Online-Plattform „wiederlieben.at“, der in den vergangenen Wochen auf österreichischen Kanälen zu sehen war. Hinter der Website, die über Erektionsstörungen informiert, steht die „Eli Lilly Gesellschaft m.b.H.“, die heimische Niederlassung eines Global Players der Pharmaindustrie. Werbung für Mittel und Wege bei Erektionsproblemen kennt man bzw. frau eingentlich eher aus den täglichen Spam-Mails zum Thema Potenz. „Bestellen Sie jetzt und vergessen Sie Ihre Enttäuschungen, anhaltende Versagensängste und wiederholte peinliche Situationen“ oder aber „Gar nicht mehr zu frueh kommen und die Frau gut und hart voegeln!“ steht da mitunter geschrieben.

Anders auf „wiederlieben.at“. Dort versucht die Pharmaindustrie, die „Standhaftigkeit des Penis“ nicht als ultimative Quelle „männlicher Versagensangst“, als Flaggschiff des Selbstwertgefühls zu präsentieren, sondern Erektionsstörungen als häufiges und behandelbares „Problem“ zu erklären. „Ist ein Mann müde, überlastet oder hat zu viel getrunken, ist es ganz normal, dass keine ausreichende Erektion erfolgt“, werden die Leser_innen aufgeklärt.

Der Mann im TV-Spot spricht schließlich mit Karin, erkundigt sich im Internet und entschließt sich für einen Arztbesuch. Und da wird es interessant. Zu Beginn des Spots, als noch alles gut läuft, sind Karin und ihr Liebster in einer klassischen hetereosexuellen Paar-Pose zu sehen: Karin im Bett, er beugt sich über sie. Doch dann kommen die Erektionsstörungen ins Spiel. Und so darf sogleich Karin am Steuer sitzen: Während sonst in gefühlten 90 Prozent der Werbespots ein Mann den Wagen lenkt (wie z.B. hier), wird der Mann mit den Erektionsstörungen von seiner Frau abgeholt und auf dem Beifahrersitz liebevoll getätschelt. Aber nicht nur im Auto, auch im Schlafzimmer darf er jetzt die klassisch weibliche Pose einnehmen: Er liegt „unten“, sie beugt sich über ihn und darf den aktiven Part übernehmen. So einfühlsam und „emannzipiert“ der Spot auf den ersten Blick wirkt – so viele Stereotpye eines klassischen Männerbildes spiegeln sich hier wieder.

Und auch auf der Website werden gängige Rollenklischees bedient. „Oft ist die Frau die treibende Kraft, ein Gespräch in die Wege zu leiten. Seien Sie – liebe Frau – behutsam“, sagt „wiederlieben.at“. Überhaupt scheinen nur heterosexuelle Männer (in einer Paarbeziehung) Erektionsstörungen zu kennen – es ist nur von der „betroffenen Frau“ die Rede. Und die „gibt sich gerne die Schuld, den Mann nicht mehr ausreichend erregen zu können.“ Und wo wir schon beim Thema Normalisierung wären: Die Website bietet auch einen Selbsttest an, um die eigene Potenz richtig einschätzen zu können. Und hier erfährt man/frau, wozu eine Erektion benötigt wird: „Wenn Sie bei sexueller Stimulation eine Erektion hatten, wie häufig war diese ausreichend für eine Penetration (Einführen des männlichen Gliedes in die weibliche Scheide)?“  – Hier sprechen die Queer Studies von „Heteronormativität“: Heterosexualität erscheint als „natürlich“, als Norm, Sexualität passiert auf „wiederlieben.at“ ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau, wobei die Frau „pentriert wird“ – so werden nicht-heterosexuelle Formen des Begehrens ausgrenzt.

Karin und dem Mann mit den Erektionsstörungen geht es aber schon wieder „viel besser“. Dank wiederlieben.at. (www.wiederlieben.at)

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