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Was bedeutet heteronormativ?

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Die Österreichische HochschülerInnenschaft hat vor wenigen Wochen das „Café Rosa“ in der Währinger Straße eröffnet  – Studierende sollen hier ohne Konsumzwang verweilen können. Dass in der Beschreibung des Lokals Wörter wie „antisexistisch“ oder „antiheteronormativ“ zu finden sind, hat tatsächlich für Aufregung gesorgt, insbesondere im Umfeld der AG (Aktionsgemeinschaft) und des RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) ortet mensch ein „ideologisches Café“, das viele Leute ausschließen würde.

Die AG hat sogar eine eigene Website online gestellt, die gegen das Studibeisl wettert. Auf der Facebook-Fanseite ist dazu zu lesen: „Mit 400.000 Euro aus unseren ÖH-Beiträgen finanziert die GRAS/VSSTÖ-ÖH ein Polit-Propaganda-Beisl (…) mit abstrusen Zugangsbeschränkungen (Zitat: ‚antiheteronormativ‘).“ In entsprechenden Foren wird sogar gerätselt, ob „antiheteronormativ“ nicht bedeuten würde, dass Männer keinen Zugang zum Café haben.

Nun, die AG scheint darauf zu setzen, dass „antiheteronormativ“ allen, die das Wort nicht kennen, den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Was bedeutet jetzt aber „heteronormativ“ bzw. „antiheteronormativ“?

„Heteronormativität als Struktur beschreibt den Sachverhalt der unsichtbar und selbstverständlich gewordenen Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit sowie ihre Bedeutung in und für gesellschaftliche(n) Institutionen“, schreibt Nina Degele. Peter Wagenknecht skizziert den zentralen Begriff der Queer Studies folgendermaßen: „Die Heteronormativität drängt die Menschen in die Form zweier körperlich und sozial klar voneinander unterschiedener Geschlechter, deren sexuelles Verlangen ausschließlich auf das jeweils andere gerichtet ist. Heteronormativität wirkt als apriorische Kategorie des Verstehens uns setzt ein Bündel von Verhaltensnormen. Was ihr nicht entspricht, wird diskriminiert, verfolgt oder ausgelöscht (so in der medizinischen Vernichtung der Intersexualität) (…).“

Antiheteronormativ bedeutet also nicht, dass Männer* oder heterosexuelle* Menschen das Café nicht betreten dürfen. Wenn es in einem Lokal, im Kino oder im Freibad Angebote für Paare oder Familien gibt, die nur in Anspruch genommen werden können, wenn es sich um einen Mann* und eine Frau* handelt, dann ist das heteronormativ. Solche Dinge werden also im Café Rosa nicht zu finden sein und auch der Umstand, dass es Wickeltische auf dem Frauen- und Männerklo gibt, ist in gewisser Weise antiheteronormativ. Und: homosexuelle Paare werden bestimmt nicht aus dem Lokal verwiesen werden, wenn sie sich dort küssen (was schon in verschiedenen Wiener Lokalen passiert ist). „Die ÖH zeigt uns, was für ein totalitärer Gesinnungsterror da auf die Gesellschaft zukommt“, schreibt dazu Andreas Unterberger auf seinem Blog.

Link Café Rosa
Café Rosa auf Facebook

Armutszeugnis

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Vergangene Woche präsentierte die Regierung das frisch verhandelte Sparbudget, das den Weg des geringsten Widerstands repräsentiert und jegliche bildungs- und frauenpolitische Vision missen lässt. Auch wenn die Erhöhung von Massensteuern wie der Mineralöl- und der Tabaksteuer vorübergehend für Ärger in der Bevölkerung sorgen wird, lässt der Wegfall der Familienbeihilfe ab 24 wohl die meisten Österreicherinnen und Österreicher kalt.

Unter dem Titel „Eine verwöhnte Generation“ schreibt Kurt Seinitz in der „Kronen Zeitung“: „So meldet eine verwöhnte Generation ihre Ansprüche: Sie will den Eltern und den Steuerzahlern bis zum 26. Lebensjahr auf der Geldtasche liegen. Deren Eltern und Großeltern mussten ihr Studium noch durch Arbeit verdienen (so sie nicht mit dem goldenen Löffel im Mund auf die Welt kamen).“

Dass unsere Großeltern ohne den berüchtigten goldenen Löffel meist erst gar nicht eine Universität von innen zu sehen bekamen, vergessen Seinitz und seine Kronen-Gemeinde. So sind es wieder einmal (fast) nur die „rebellischen Studierenden“, die sich gegen das wehren, was seit der schwarz-blauen Wende konsequent vorangetrieben wird: die soziale Selektion im Bildungssektor. Und das, obwohl zahlreiche Studien Österreich immer wieder eine „Vererbung“ von Bildungsstandards attestieren: Immer weniger Studierende ohne akademisch gebildetes Elternhaus schließen ein Studium ab.

Aufgrund der Änderungen bei Familienbeihilfe und Waisenpension werden sich diese Bedingungen künftig verschärfen. Wer neben dem Studium arbeiten muss, hat weniger Zeit – für allem für Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht. Seminare für Berufstätige am Abend oder Wochenende sind rar gesät, zugleich wird berufliche Erfahrung zum Zeitpunkt des Studienabschlusses immer wichtiger für die Personalchef_innen im Lande. Nebenjobs sind zudem heiß umkämpft und häufig schlecht bezahlt. Sechs Euro pro Stunde sind durchaus üblich, mit acht oder neun Euro Stundenlohn fühlen sich viele bereits privilegiert.

Das Uni-Budget wird nun zwar aufgestockt, in Wahrheit werden mit den zusätzlichen Geldern jedoch nur klaffende Löcher gestopft – mit einem verbesserten Betreuungsverhältnis kann etwa kaum gerechnet werden. Hat man/frau nun eine berufsbildende Schule absolviert und auch noch im Oktober Geburtstag, bleiben vier Jahre übrig, in denen mit Familienbeihilfe, Waisenpension und Mitversicherung bei den Eltern studiert werden kann. Das neue Bachelor-Master-System sieht aber 10 Semester (also fünf Jahre) Mindeststudiendauer vor, überfüllte Lehrveranstaltungen und fehlende Masterarbeits-Betreuer_innen erschweren eine rasche Absolvierung des Studiums zudem erheblich.

Hier wird also der Studienabbruch mit allen Kräften unterstützt, ebenso eine soziale Selektion bei den Masterstudien. Wer sich in einer prekären finanziellen Situation befindet, beschränkt sich künftig einfach auf den Bachelor-Abschluss. So stellen sich das die verantwortlichen Regierungsmitglieder offensichtlich vor.

Was im neuen Budget ebenso fehlt, sind zusätzliche Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen. Wenn es schon Kürzungen im Bereich der (durchaus umstrittenen) Familien-Finanzierung gibt, so sind Ausbau und Qualitätsoffensive (siehe Ausbildung von Pädagog_innen) im Bereich der Kinderbetreuung (bzw. -förderung!) notwendige und logische Schritte. Frauenministerin Heinisch-Hosek zeigt sich in einer Aussendung dennoch mit dem Budget zufrieden. Es sei gelungen, die Familienhilfe zumindest bis zum 24. Lebensjahr „abzusichern“. Mehr als Schadensbegrenzung dürfen sich die Wählerinnen und Wähler von der österreichischen Sozialdemokratie offensichtlich nicht (mehr) erwarten.

Die österreichische HochschülerInnenschaft ruft zur Demonstration gegen die Familienbeihilfekürzung auf:

Wien: Donnerstag, 28. Oktober, Treffpunkt 16 Uhr vor der Universität, Schlusskundgebung 18 Uhr am Stubentor
Graz: Treffpunkt 16 Uhr vor der Universität
Salzburg: 16.30 Uhr am Morzartplatz
Linz: 17.30 Uhr im Volksgarten
Klagenfurt: Bus von Klagenfurt nach Wien, Treffpunkt 10 Uhr vor der Universität

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