Bushido ist in der „gesellschaftlichen Mitte“ angekommen. Der Rapper war bereits in unzähligen Talkshows zu Gast, lacht von der „Bravo“-Titelseite und wird auf Jugendsendern mit Preisen überhäuft; zuletzt entschied sich Bernd Eichinger dafür, seine Lebensgeschichte in Spielfilmlänge zu erzählen. Nach der Wiener Filmpremiere des entstandenen Werks „Zeiten ändern dich“ wurde Bushido vergangenen Freitag auch in der österreichischen „ZIB 24“ als „Deutschlands bester Rapper“ im Nachrichtenstudio begrüßt. Politiker wolle er werden, erzählte Bushido und gab sich wie gewohnt höflich und sachlich. „Sie haben Recht, natürlich sind die Sachen, die ich mir in der Vergangenheit geleistet habe, nicht glorreich gewesen. Und wir brauchen nicht darüber reden, dass Körperverletzung oder auch Drogenkonsum natürlich illegal und auch nicht vertretbar sind“, erklärte er seine Vergangenheit und verwies auf sein Bemühen, Jugendliche vor seinen eigenen Fehlern bewahren zu wollen.
Dieses Bild des netten, biederen jungen Mannes – wie passe das überhaupt zum Image des Skandalrappers mit den deftigen Texten, fragte Moderatorin Lisa Gadenstätter gespielt provokant. Auf die „deftigen“ Texte ging sie dabei nicht näher ein, vermutlich könnte sie Zeilen wie diese gemeint haben (damit auch alle wissen, wovon hier die Rede ist, gebe ich die Songtexte hier wieder): (Inhaltswarnung: sexualisierte Gewalt)
„Wie du in deinem Bett sitzt, halbnackt du Dr**ks***k
ich wusste das du so bist, und jeden Dreck f***t
weil du eine Frau bist und man dir in den Bauch f***t
heisst es nicht dass ich dich nicht schlage bis du blau bist.“
Oder aber:
„Ein Sch***z in den Arsch, ein Sch***z in den Mund
Ein Sch***z in die F***e, jetzt wird richtig geb***t.“
Zugegeben, abgesehen von solchen Inhalten in (bereits etwas älteren) indizierten Songs wie „Dreckstück“ fallen Bushidos Texte im Hinblick auf sexualisierte Gewalt und Frauenverachtung fast schon gemäßigt aus – im Vergleich zu seinen Rap-Kollegen. „Aggro-Berlin“ Mann Sido, der gerne bei Stefan Raab auf der Couch sitzt und vom Jugendsender VIVA mit verschiedenen Awards ausgezeichnet wurde, singt in seinem „Arschficksong“:
„Katrin hat geschrien vor Schmerz
mir hats gefallen
ich hab gelernt man kann ne Hand reinschieben
und dann ballen
ich hab experimentiert
Katrin war schockiert
sie hat nich gewusst dass der N***rdildo auch vibriert
ihr Arsch hat geblutet
und ich bin gekommen.“
Oder da wäre noch Kool Savas, der in der Bertelsmann-Kampagne „Du bist Deutschland“ für ein neues Nationalgefühl wirbt und unter anderem gegen Massentierhaltung auftritt. Auf der Bühne singt er über „Ticke Titten Enge Muschi“:
„Ich mach auf künstlich interessiert und N****n denken ich bin nett,
doch wenn ich fertig bin mit rammeln, sieht dein Loch aus wie Kotelette, F****e!
Genug gesabbelt, lass uns fi***n bis es knallt.
Steck‘ die Zunge in mein Ar******h und ich scheiss dir in den Hals.
Hoes die sagen, ich bin träge, animiere ich durch Schläge.“
Nicht nur Bushido – sexistischer Rap ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Musiker wie Bushido, Sido oder Kool Savas werden von den Medien hofiert, sie treten im Hauptabendprogramm auf, diskutieren bei Johannes B. Kerner und predigen an deutschen Schulen gegen Gewalt und Gesetzesbruch. Und daran scheint sich kaum jemand zu stören. Darauf angesprochen, dass er Frauen in seinen Songtexten häufig als „Nutte“, „Pussy“ oder „Fotze“ bezeichnet, erklärt Bushido Johannes B. Kerner, dass er die Frauen doch eh lieben würde, schließlich sei auch seine Mutter eine Frau. „Aber Herr Kerner, wenn ich ein Konzert gebe stehen neben der Bühne zehn Frauen, die mich noch nie gesehen haben und Sex mit mir wollen, die sind doch nicht zu respektieren“, ergänzt der Rapper. Alle lachen, niemand kontert.
Bushidos Liebe zu seiner Mutter widmete sich nun auch eine erklärte Gegnerin des Musikers – Alice Schwarzer. In einem offenen Brief wendet sie sich auf ihrer Website an den Rapper. Der Hintergrund: Bushido hatte vor einigen Jahren die Einladung zu einer Talkshow, in der Alice Schwarzer Sandra Maischberger vertrat, kurzfristig abgesagt. In einem aktuellen Interview erklärte er nun noch einmal, warum er nicht mit Schwarzer sprechen wolle. „Hey, Bushido, wie waren denn die Titten damals von deiner Mutter? Als du als kleiner Junge daran gesaugt hast“, könnte ihn Schwarzer fragen und damit seinen wunden Punkt treffen. „Ey, Fotze! Fick dich ins Knie!“ – so würde Bushidos Antwort lauten.
In ihrem Brief bedient sich Schwarzer der Sprache des Rappers, bezeichnet ihn als „Muttersohn“ und spielt auf die tunesische Herkunft seines Vaters an. „Indem Schwarzer die Herkunft der Eltern betont, schafft sie es auch implizit, Gewalt zu kulturalisieren“, kritisiert Blog-Autorin Magda die Frauenrechtlerin auf mädchenmannschaft.net. Schwarzer würde Bushidos Sexismus mit Xenophobie begegnen und sich dabei selbst einer diskriminierenden Rhetorik bedienen. Es stellt sich tatsächlich die Frage, was Alice Schwarzer mit ihrem wütenden Text erreichen möchte. Macht es Sinn, sich mit Bushido auf eine Schlammschlacht einzulassen? Wohl kaum. Auch wenn sie es vielleicht tatsächlich geschafft hat, „Deutschlands Rapper Nr.1“ persönlich zu treffen, indem sie auf seine nicht ganz so „harte“ Männlichkeit, die enge Beziehung zu seiner Mutter und seinen Migrationshintergrund zielt. Ändert das etwas am Sachverhalt? Texte, die Frauen erniedrigen und sexualisierte Gewalt verherrlichen, sind (besonders in Hinblick auf die minderjährige Fangemeinschaft) inakzeptabel – egal, von wem sie vorgetragen werden.
Dennoch hat hier offensichtlich ein Prozess der Normalisierung stattgefunden – Kool Savas – Lyrics schockieren nicht mehr, sie sind zum „Style“ der „Rüpel-Rapper“ geworden. „Extrem populär, ein echtes Jugendidol“, so nennt Sony-Chef Berger Bushido. Nur dass die eigene 13-jährige Tochter sich auf den Konzerten der Rapper vergnügt – das wollen die meisten dann doch lieber nicht.